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Steigende Inzidenz trotz ImpfungDeshalb gehen die Corona-Zahlen wieder in die Höhe

Lesezeit 6 Minuten
Fußgängerzone viele Menschen

Die Inzidenz in Deutschland steigt wieder an.

Köln – Das Bild ist ein bekanntes. Auch zum Ende des zweiten Sommers der Corona-Pandemie steigen die Fallzahlen wieder an. So lange ist es noch gar nicht her, dass man sich über einstellige Inzidenzen freuen durfte. Mittlerweile steht Deutschland, Stand Montag, 16. August, bei einer 7-Tage-Inzidenz von 36,2, Nordrhein-Westfalen bei 57,2, Köln bei 81,5.

Der stetige Rückgang der Corona-Zahlen von Ende April dieses Jahres bis Ende Juni ist umgekehrt, seit Anfang Juli zeigt die Tendenz wieder nach oben. Und das auch früher und schneller als im vergangenen Sommer. Doch woher kommen die Infektionen? Anders als im vergangenen Sommer ist mittlerweile mehr als die Hälfte der Deutschen vollständig geimpft.

Mit Beginn der 33. Kalenderwoche haben in Deutschland 63,1 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis gegen Covid-19 erhalten, 57 Prozent sind komplett geimpft, den vollständigen Impfschutz haben seit Montag 52,3 Prozent der Deutschen. Genug, um die Inzidenzen und Fallzahlen im Keller zu halten, ist dies offensichtlich nicht.

Trotzdem wirken die Impfungen. Denn die Anzahl der Corona-Erkrankten, die in ein Krankenhaus müssen, ist seit Anfang des Jahres von zwölf Prozent kommend deutlich auf sechs Prozent gesunken. Das geht aus dem aktuellen Wochenbericht des Robert Koch-Instituts hervor, der die Zahlen bis zur Kalenderwoche 31, also der vorletzten, vollständig zusammengetragen und analysiert hat. Der Bericht kann also nur ein Bild der schon vergangenen Wochen zeichnen, die Werte aus den erst kürzlich vergangenen Wochen sind noch wenig aussagekräftig. Denn durch Nachmeldungen und Verschlechterungen bei noch frischen Infektionen können sie sich noch deutlich nach oben korrigieren.

Die Zahl der hospitalisierten Fälle liegt laut Robert-Koch-Institut in Bezug auf die gesamte Pandemie auf einem niedrigen Niveau, auch wenn sie nicht mehr zurückgehen. Regional kämen leichte Anstiege hinzu. Die Sterblichkeitsrate liegt seit April deutlich unter 1 Prozent.

Delta-Variante mittlerweile bei über 95 Prozent angekommen

Dass die Inzidenzen nun wieder ansteigen, hat viele unterschiedliche Gründe, von denen sicherlich auch nicht alle vollständig ersichtlich sind. Der Virologe Klaus Stöhr nennt beispielsweise die Intensität von Maßnahmen und Tests, die Mobilität und die Pandemiemüdigkeit der Menschen.

Ein Antreiber der Zahlen ist natürlich auch die Delta-Variante des Coronavirus. Sie ist nochmal aggressiver und ansteckender als ihre Vorgängerinnen, das gilt sowohl für Geimpfte als auch für Ungeimpfte. Bei einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe entsprach der Anteil der Delta-Variante an allen aktiven Fällen laut Robert-Koch-Institut 98 Prozent, die Meldedaten zeigen einen Anteil von 97 Prozent an. „Der aktuelle Anstieg ist sicherlich auf die höhere Infektiosität der Delta-Variante zurückzuführen“, sagt der Epidemiologe Rafael Mikolajczyk von der Universität Halle-Wittenberg der dpa.

Doch nicht nur die Deltavariante hat die Inzidenzen wieder in den deutlich zweistelligen Bereich befördert. Eine Rolle spielen unter anderem auch Auslandsaufenthalte, aktuell in den Ferien ist dies natürlich vor allem auf Urlaube zurückzuführen.

23 Prozent aller Fälle aus Kalenderwoche 31, bei denen der Ursprungsort der Infektion bekannt ist, stammen ursprünglich aus dem Ausland. Das ist der bisherige Höchststand in diesem Sommer. Zuvor war der Anteil von 20 auf 22 Prozent gesunken. In den Kalenderwochen 20 und 21, also noch vor den Sommerferien, lag der Anteil bei 1 Prozent. Am häufigsten steckten sich die Menschen in Spanien an, gefolgt von der Türkei und dem Kosovo.

Neue Corona-Fälle vor allem bei jungen Menschen

Gesunken ist dafür die Anzahl an Infektionsausbrüchen in Kitas. Diese sind seit Ende Mai auf einem sehr niedrigen Niveau und durchschnittlich auch kleiner: Pro Ausbruch stecken sich im Schnitt weniger Menschen an als in den Monaten zuvor. Auch die Anzahl der Ausbrüche in Schulen ist auf einem konstant niedrigen Niveau, allerdings zeichnet sich hier laut RKI ein erneuter Anstieg ab.

Ein Anstieg, den es eine Altersstufe darüber bereits gegeben hat. Seit einigen Wochen tauchen die meisten aller Fälle bei den 15- bis 24-Jährigen auf. Allgemein ist ein Anstieg der Zahlen vor allem bei Jüngeren zwischen 10 und 34 zu sehen. Und das bezieht sich nicht nur auf die harmlosen Verläufe, die sich in der jüngeren Bevölkerungsgruppe deutlich häufiger finden.

Auch das Alter der Menschen im Krankenhaus ist gesunken. Der Median, also die Zahl, bei dem genau gleich viele Werte größer und kleiner sind, lag hier zu Jahresbeginn noch bei 77 Jahren. Mittlerweile steht er bei 48. Diese Entwicklung lässt sich zu einem Teil auf die Impfquote zurückführen, die in der älteren, weil priorisierten Bevölkerungsgruppe deutlich höher ist. Während in Deutschland nur etwas 15 Prozent der über 60-Jährigen noch gar nicht und bereits 82 Prozent vollständig geimpft sind, sind es bei den 18- bis 59-Jährigen jeweils 37 beziehungsweise 58 Prozent.

Impfdurchbrüche waren zu erwarten

Diese Entwicklung zeigt aber auch, wie wichtig die Rolle der Impfungen bei der Bekämpfung der Pandemie ist. Unterstützt wird dies durch Studien, die mit fortschreitender Zahl der Impfungen ein immer genaueres Bild über deren Effektivität zeichnen können. Hier gibt es zwei Seiten der Medaille.

Zum einen beobachtet und analysiert das RKI genau sogenannte Impfdurchbrüche – also Menschen, die sich trotz eines vollständigen Impfschutzes mit dem Coronavirus infiziert haben. So gab es laut RKI bislang 10.827 Impfdurchbrüche. Dass es zu solchen Impfdurchbrüchen kommt, ist allerdings keine Nachricht, die die Wissenschaft unerwartet trifft. Denn Impfstoffe haben naturgemäß keine Wirksamkeit von 100 Prozent. Auch ist noch nicht ganz klar, wann der Impfschutz nachlässt. Gerade bei Immungeschwächten und Älteren passiert das schneller als bei anderen, für sie soll es deshalb demnächst eine dritte Impfung geben.

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Aus den gemeldeten Impfdurchbrüchen errechnet das Robert-Koch-Institut eine Impfeffektivität. Diese müsse aufgrund von unvollständigen Angaben zu Impfungen und dem möglicherweise sehr unterschiedlichen Testverhalten Geimpfter und Ungeimpfter zwar mit Vorsicht genossen werden, zeichnet aber trotzdem ein positives Bild.

Für alle Altersgruppen liegt die Impfeffektivität demnach aktuell bei knapp 87 Prozent. „Diese Zahlen bestätigen die in den klinischen Studien festgestellte hohe Wirksamkeit der Impfstoffe“, schreibt das RKI. So trat auch der Großteil der seit Februar erfassten Corona-Fälle bei Menschen ohne den vollständigen Impfschutz auf.

Zu demselben Schluss kommt die neueste Untersuchung des Imperial College of London im Rahmen der „REACT 1“-Studie, die das britische Gesundheitsministerium monatlich durchführen lässt. Bei vollständig Geimpften ist das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken, demnach nur ein Drittel so groß wie bei Ungeimpften. „Diese Ergebnisse bestätigen unsere vorherigen Daten und zeigen, dass eine vollständige Impfung guten Schutz davor bietet, sich zu infizieren“, sagte der Studienleiter Paul Elliot.