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Empfehlung der StikoWer die dritte Impfung braucht – und wer noch warten sollte

Lesezeit 6 Minuten
Drittimpfung

Die dritte Impfung gegen das Coronavirus steht an.

Köln – Der Oktober beginnt, und damit auch die Erinnerungen an den vergangenen Herbst, als Deutschland geradewegs in eine neue Corona-Welle steuerte. Auch jetzt deute sich eine weitere Welle an, sagen Experten wie der Virologe Christian Drosten. Problematisch in dem Zusammenhang: Bei einigen Menschen ist die Impfung gegen das Coronavirus fast oder schon mehr als ein halbes Jahr lang her. Und die Wirksamkeit der Vakzine lässt mit der Zeit nach. Ist also eine Impfauffrischung mittels eines dritten Pieks sinnvoll? Was Betroffene jetzt wissen müssen.

Was spricht für und gegen die Impfauffrischung? Und für wen ist das interessant?

Die Impfstoffhersteller Biontech und Pfizer gehen von einem Rückgang der Schutzwirkung nach etwa sechs bis zwölf Monaten aus. Der Schutz vor Infektion, schwerem Verlauf und Hospitalisierung sinkt dann sukzessive. Auch andere Hersteller der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe haben diese Erfahrung gemacht. Die Vektorimpfstoffe von Johnson & Johnson sowie Astrazeneca sind zudem nicht so gut gegen die Delta-Variante gewappnet. Mit einer dritten Impfung, oder im Falle von Johnson & Johnson einer zweiten, wird der Impfschutz aufgefrischt und auf ein sicheres Level gehievt. Der aktuelle Schutz wird quasi geboostet, daher auch die Bezeichnung „Booster-Impfung“. Wie wichtig ein guter und vollständiger Impfschutz ist, zeigen einmal mehr die Statistiken in den Krankenhäusern des Landes. „Die Hospitalisierungsinzidenz der vollständig geimpften Bevölkerung lag zu jedem Zeitpunkt deutlich unter der Hospitalisierungsinzidenz der ungeimpften Bevölkerung“, betont auch das Robert Koch-Institut, das diese Bilanz monatlich analysiert. Der Helios-Konzern, der in Deutschland 89 Kliniken betreibt, schaut ganz genau hin. Von den 214 Covid-19-Fällen, die in der 37. Kalenderwoche bei Helios behandelt wurden, seien 73 Prozent ungeimpft gewesen, heißt es in einer Statistik.

Anfang August hatte sich die Gesundheitsministerkonferenz für Auffrischungsimpfungen ausgesprochen. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte das Vorpreschen der Bundesländer, es gelte, das Votum der Ständigen Impfkommission (Stiko) abzuwarten, sagte er. Die Stiko empfiehlt die „Booster-Impfung“ bislang lediglich Menschen mit geschwächtem Immunsystem, also mit Immundefekten oder Erkrankungen, bei denen das Immunsystem medikamentös herunterreguliert wird, etwa bei Autoimmunerkrankungen oder nach einer Transplantation. Laut des Stiko-Vorsitzenden Thomas Mertens solle aber innerhalb dieser Gruppen je nach Ausmaß der Immunsuppression differenziert werden.

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Prof. Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hält eine Auffrischung aus immunologischer Sicht für „sehr sinnvoll. Das Immunsystem verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreaktion auf diesen deutlich“, sagte er kürzlich. Zudem habe unter den hochbetagten Menschen zwar ein Großteil auf die Corona-Impfungen reagiert, aber eben weniger stark als Jüngere. Das bedeutet, dass ihr durch die Corona-Impfung aufgebauter Immunschutz gegen das Virus im Vergleich oft weniger gut ist. Und er nimmt scheinbar auch schneller ab als bei Jüngeren, so Watzl. „Diese Abwehrkräfte können durch die zusätzliche Impfung gestärkt werden. Das sind unsere Erfahrungen auch bei anderen Impfungen“, sagt auch Anja Kwetkar. Sie ist Direktorin der Klinik für Geriatrie am Uniklinikum Jena und Leiterin der Arbeitsgruppe Impfen der deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Für Ältere sei die Auffrischung sehr sinnvoll.

Aus ethischer und virologischer Sicht stellten die „Booster-Impfungen“ indes Probleme dar, ergänzte Watzl. „Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden.“

Wer kann sich aktuell alles zum dritten Mal impfen lassen?

Aufgrund der positiven Haltung der Gesundheitsministerien der Bundesländer gegenüber einer Impfauffrischung ist der dritte Pieks bundesweit bereits seit rund vier Wochen ohne die Stiko-Empfehlung zu haben – nach „individueller Abwägung, ärztlicher Beratung und Entscheidung“. Das gilt für Menschen in Pflegeheimen und weiteren Einrichtungen, in denen vulnerable Personen leben, verabreicht werden, heißt es in dem Beschluss der gemeinsamen Konferenz von Anfang August. Auch Patienten mit Immunschwäche oder Immunsuppression sowie Pflegebedürftige und Höchstbetagte, die zu Hause wohnen, sollten von ihrem Hausarzt ein entsprechendes Angebot bekommen. Nordrhein-Westfalen hält es etwas simpler, nennt Personen ab 80 Jahren sowie Immungeschwächte und Immunsupprimierte.

Der Ablauf sieht dabei wie folgt aus: Vollständig geimpfte Menschen erhalten frühestens sechs Monaten nach Abschluss der ersten Impfserie eine weitere Dosis eines zugelassenen Impfstoffs. Das geschieht bei Hausärztin oder Hausarzt, da die Impfzentren im Oktober nicht mehr betrieben werden. Bezüglich einer „Booster-Impfung“ müssen Impfwillige also Kontakt zu ihrer Hausarztpraxis aufnehmen.

Andere Gruppen müssen sich noch ein wenig gedulden. Sie sollen die dritte Impfung dann nach und nach, wie auch schon bei ihrer Erst- und Zweitimpfung, über den Hausarzt oder die Hausärztin erhalten. Hier wird es voraussichtlich noch einmal etwas länger dauern als bei immungeschwächten oder älteren Menschen, bis eine Empfehlung der Stiko vorliegt.

Was genau sagt die Stiko aktuell?

Die Stiko hat vorerst auf eine generelle Empfehlung für Auffrischungsimpfungen bei Senioren verzichtet. Das Gremium empfiehlt die sogenannten Booster bisher allein Menschen mit geschwächtem Immunsystem, also mit Immundefekten oder Erkrankungen, bei denen das Immunsystem medikamentös herunterreguliert wird, etwa bei Autoimmunerkrankungen oder nach einer Transplantation. Eine Empfehlung nach Altersgruppen gebe die Kommission derzeit noch nicht, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens.

„Wann für Nichtrisikopatienten eine Auffrischungsimpfung nötig sein wird, ist wissenschaftlich deutlich schwerer zu beantworten“, sagte Mertens. „Die Entscheidung über eine Empfehlung dazu wird zumindest noch etwas dauern.“ Stiko-Mitglied Fred Zepp ergänzte, die Impfkommission werde mit Unterstützung des Robert Koch-Instituts prüfen, wie häufig und wie ausgeprägt Covid-19-Erkrankungen aktuell in höheren Altersgruppen auftreten. „Sollte sich herausstellen, dass es ab einem bestimmten Alter gehäuft zu Impfdurchbrüchen kommt, könnte es auch zu einer allgemeinen Impf-Empfehlung etwa ab 60, 70 oder 80 Jahren kommen“, sagte Zepp den Funke-Zeitungen.

Warum entscheiden Gesundheitsministerien und Stiko unterschiedlich?

Das Verfahren lässt dem Einzelnen die Wahl. Individuelle Impf-Wünsche sind in Rücksprache mit Ärzten nach Indikationen möglich – auch ohne allgemeine Empfehlung. Schon bei der Impfung für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren hatte die Stiko das Vakzin zunächst nur Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen empfohlen. Erst einige Wochen später erweiterte sie die Empfehlung auf alle 12- bis 17-Jährigen. Das liegt daran, dass die Stiko ein wissenschaftliches Gremium ist. Sie soll aufgrund von Studien entscheiden. Fehlen belastbare Zahlen, bleibt die Stiko vorsichtig.

Helfen Antikörpertests bei dieser Impfentscheidung?

Es gibt Experten, die fordern: Zunächst einen Antikörpertest machen, ehe man die Auffrischung gibt. So sehe man, wie gut die Person geschützt ist und ob die dritte Spritze überhaupt „nötig“ ist.

Es gibt laut Immunologe Watzl nur ein Problem dabei: Es fehle weiterhin ein konkreter Grenzwert für die gemessene Antikörperkonzentration im Blut, ab dem man sicher sagen könnte, dass noch ein wirksamer Schutz besteht. Deshalb ergebe so ein Test für die meisten Menschen zur Abschätzung der Sinnhaftigkeit der Auffrischung im Moment keinen Sinn. Es gibt aber Ausnahmen: Menschen mit Immunschwäche etwa könnten durch den Test sehen, ob eine Impfung überhaupt angeschlagen hat.

Welcher Impfstoff wird verimpft?

Auch die Menschen, die bei der ersten und zweiten Impfung einen Vektorimpfstoff erhalten haben (sprich: Astrazeneca oder Johnson & Johnson), sollen bei der dritten Impfung einen mRNA-Impfstoff (Biontech, Moderna) bekommen. Das soll für Astrazeneca-Geimpfte sechs Monate nach der zweiten Impfung möglich sein, für Johnson & Johnson-Geimpfte ebenfalls sechs Monate nach ihrer ersten, einzigen Impfung.

Warum die Kombination aus Vektor- und mRNA-Impfstoff? Studien belegen, dass erstere zwar einen schweren Verlauf mit Covid-19 verhindern können. Die Schutzwirkung gegen die Delta-Variante ist allein mit einem Vektorimpfstoff jedoch deutlich geringer.

Wird die dritte Impfung irgendwann zur Pflicht?

Nein, eine Pflicht zur dritten Impfung soll es, genau wie die Impfpflicht an sich, nicht geben. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) versprach darüber hinaus, dass zweifach Geimpfte auch ihren Impf-Status nicht verlieren würden – das könnte zukünftig etwa für den Besuch von Veranstaltungen immer wieder relevant werden. Auch ohne dritten Pieks bleibe das Impfzertifikat laut Aussage des NRW-Gesundheitsministers gültig. (mit dpa)