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Emotionales EssenHabe ich Hunger oder einfach nur Stress?

Lesezeit 5 Minuten
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Wie wir uns bewusst machen, ob wir gerade wirklich Hunger haben oder aber emotionale Bedürfnisse befriedigen.

Viele Menschen essen, um emotionale Bedürfnisse zu befriedigen, aber nicht aus echtem Hunger. Maria Sanchez ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Autorin („Warum wir ohne Hunger essen – Die wahren Gründe für Essdrang und Übergewicht“) und leitet Seminare zum Thema emotionales Essen. Im Interview erklärt sie wie Gefühle unser Essverhalten steuern und wonach wir wirklich hungern.

Frau Sanchez, was ist emotionales Essen?

Maria Sanchez: Emotionales Essen bedeutet, dass wir mehr essen als unser Körper braucht und darunter leiden. Wir beginnen zum Beispiel hungrig eine Mahlzeit und essen weit über die Sättigung hinaus, weil wir einfach nicht aufhören können.

Betrifft das nur Menschen mit Übergewicht oder auch Normalgewichtige?

Sanchez: Es gibt viele Normalgewichtige, die das Problem haben und von Menschen in ihrem Umfeld gar nicht ernst genommen werden, weil sie ja schlank sind. Ich nenne diese Gruppe die dünnen Dicken, die sich im Gegensatz zu natürlich Schlanken ganz viel mit ihrem Gewicht beschäftigen. Die fragen sich beim Mittagessen schon, ob sie dieses und jenes jetzt essen dürfen und wie lange sie später auf den Stepper gehen müssen, um die Energiemenge wieder abzuarbeiten. Die dünnen Dicken sind nur durch eine starke Kontrolle und strenge Reglementierung dünn.

Das zeugt aber von großer Disziplin, oder?

Sanchez: Es geht aber nicht um Disziplin. Wer eine große Härte gegen sich selbst aufbringt, der verbirgt darunter oft eine Angst, die mit biografischen Ereignissen verbunden ist. Erlebnisse, die dazu geführt haben, dass Essen und Emotion stark gekoppelt sind. Disziplin bringen wir im Leben genug auf, bei der Arbeit, in der Familie, bei der Kindererziehung. Beim Essproblem geht es ums Gefühl.

Die Expertin

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Maria Sanchez

Maria Sanchez ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und leitet Seminare zum Thema emotionales Essen.

Sie selbst waren als Kind und Heranwachsende eine unglückliche emotionale Esserin. Wie kamen sie aus dem Teufelskreis heraus?

Sanchez: Es war keine bewusste Entscheidung. Für mich war Essen vor allem Trost. Mit Essen versuchte ich Gewalterfahrungen in der Kindheit abzudämpfen. Später hatte ich lange Phasen als dünne Dicke, war total fixiert aufs Essen, wog mich mehrmals am Tag. Nach einer Crash-Diät nahm ich wegen einer Stoffwechselstörung 22 Kilo zu. Dann hatte ich im Alter von Anfang Zwanzig einen Zusammenbruch. Ich fragte mich: Was hat mir der permanente Gewichtskrieg gegen mich selbst gebracht?

Was war Ihre Rettung?

Ich entschied mich, nie mehr eine Diät zu machen. Stattdessen begab ich mich auf eine Reise, die nicht linear verlief. Es war eine Reise zu mir selbst. Im Verlauf dieser Reise nahm ich in drei Jahren 30 Kilo ab, und zwar ohne Ernährungs– oder Sportpläne. Seitdem halte ich mein Gewicht.

Wie Maria Sanchez anderen emotionalen Essern helfen möchte und warum so oft Frauen betroffen sind

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Sie entwickelten ihr eigenes Konzept zum emotionalen Essen und helfen anderen.

Sanchez: Sehnsucht und Hunger sind die Kernschlagworte meiner Bücher und meiner Seminare. Die Kernfrage ist: Was hat das natürliche Wechselspiel zwischen Hunger und Essen außer Kraft gesetzt? Die Antwort hat immer mit Emotion zu tun. Und man wird sie nur finden, wenn man sich auf eine Auseinandersetzung mit sich selbst einlässt. Wer zum Beispiel zur Entspannung isst, sollte sich fragen, warum er sich nicht einfach in den Sessel setzen kann und alle viere von sich streckt? Warum laufe ich den Umweg über das Essen?

Was, wenn ich körperlichen von emotionalem Hunger nicht mehr unterscheiden kann?

Das ist in der Tat der erste Schritt. Und das muss man ausprobieren. Wer mal für mehrere Stunden nichts isst, kann dem Körpergefühl, das dann entsteht, nachspüren. Körperlicher Hunger kann sich anfühlen wie ein Loch im Bauch, ein Vakuum, ein Flauheitsgefühl. Wenn das körperliche Hungergefühl klar ist, kann man den Unterschied zu emotionalem Hunger erkennen. Ich hatte früher bei emotionalem Hunger immer das Gefühl, ein Loch im Hals zu haben. Besonders verlockend war für mich dann beim Essen der Wechsel zwischen herzhaft und süß. Erst Käse, dann Nutella, beides versuchte ich damals, nicht im Haus zu haben.

Gibt es eine Strategie, um sich umzuprogrammieren?

Strategie ist der falsche Ansatz, weil eine Strategie immer über den Kopf gesteuert wird. Aber sich über die Vernunft und den Kopf in ein Esskorsett zu pressen, das klappt nicht. Alle dünnen Dicken und auch die wirklich Dicken wissen doch ganz genau, dass der Apfel besser wäre als das Stück Schokolade. Hilfreich ist die Unterscheidung zwischen Genuss und Notwendigkeit: Muss ich das jetzt essen, weil ich es emotional brauche oder ist es nur Lust? Löst es in mir eine Spannung aus, wenn ich das Käsebrot jetzt nicht bekomme? Wie geht es mir eigentlich gerade? Bin ich traurig, wütend? Was genau soll mir das Essen jetzt bringen? Essen steht für Qualitäten, die wir brauchen: Trost, Sinnlichkeit, Entspannung. Wichtig ist, dass ich meine Handlung hinterfrage und Kontakt zu meiner Innenwelt aufnehme.

Warum sind besonders oft Frauen betroffen?

Frauen stehen durch die heutigen von den Medien verbreiteten Schönheitsideale besonders unter Druck. Ich hatte mal eine junge Frau in einem Seminar, die absolut schlank war aber von Natur aus ein kräftigeres Becken hat. Zu der Zeit wurde von den Medien gerade vorgegeben, dass Frauen eine Kuhle zwischen den Oberschenkeln haben sollen, die Beine sich also nicht berühren. Bei ihrem Körperbau war das aber absolut unmöglich.

Die Frage ist dann: Warum glaubte die Teilnehmerin durch die Anpassung an eine Norm glücklich zu werden, nach dem Motto: Wenn ich nur die Kuhle hätte, dann wäre alles gut.

Sind viele Frauen nicht mutig genug, zu sich und ihrem Körper zu stehen?

Sanchez: Wichtig ist, erst einmal zu schauen: Wer bin ich hinter den ganzen Erwartungen an mich? Weshalb bin ich so oft unzufrieden mit mir? Viele Menschen schleppen einen sehr strengen inneren Kritiker mit sich rum, der sie klein macht und demütigt. Manche starten mit einem regelrechten Selbsthass. Ich sehe die Auseinandersetzung mit seinem eigenen Essverhalten als Reise zu sich selbst. Dabei geht es darum, Mitgefühl mit sich selbst zu entwickeln. Man muss sich selbst da abholen, wo man steht und lernen, sich besser um sich zu kümmern. Der Mut kommt dann von ganz allein.

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