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Frauen ab 50„Verlust der Fruchtbarkeit wird mit fehlender Weiblichkeit verbunden“

Lesezeit 6 Minuten
Birgit Langebartels (1)

Birgit Langebartels ist Psychologin und leitet beim Kölner Rheingold-Institut den Bereich Kids & Family Research. 

  1. Mit 50 beginnen wir, unser Leben neu zu sortieren. Für viele ist das keine leichte, zumindest aber eine unbekannte Situation.
  2. Doch warum fällt es Frauen so viel schwerer, sich mit dem neuen Lebensabschnitt anzufreunden?

Frau Langebartels, Sie forschen beim Kölner Rheingold Institut zu Frauen in der Lebensmitte. Ganz offensichtlich eine ganz schwierige Phase, wenn ich sehe, wie viele ein Problem damit haben, 50 zu werden?

Die 50 ist eine magische Zahl, die Mitte auf dem Weg zur 100, die vermeintliche Mitte des Lebens. Da hält man inne, lässt sein Leben noch einmal Revue passieren und fragt sich: Was habe ich bisher geschafft. Und dann werden die Stellschrauben noch einmal neu justiert. Aber in den Jahren rund um die 50 wird einem auch die eigene Endlichkeit bewusst. Nicht von ungefähr hört man dann immer wieder den Spruch, dass „die Einschläge näher kommen“.

Für Frauen ist das schwerer als für Männer?

Ja, allein durch das Klimakterium. Frauen geraten im übertragenen Sinne „aus dem Saft“. Sie sind nicht mehr fruchtbar - und stehen damit eben nicht mehr mitten im Leben. Gerade der Verlust der Fruchtbarkeit wird oft damit verbunden, an weiblicher Attraktivität und Relevanz zu verlieren. Wechseljahre sind aber keine Krankheit, sondern eine sehr ambivalent erlebte Entwicklungsphase, so etwas wie ein Dazwischen, ein Übergang.

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Der vielen schwer fällt …

Übergänge sind per se für uns Menschen eine große Herausforderung und oft schwer auszuhalten. Selbst wenn wir merken, dass das Alte nicht mehr passt, wir aber noch nichts Neues gefunden haben, tun wir uns schwer, das Alte abzustreifen. Wir sind das Alte leid, trauern ihm zugleich auch nach und sind neugierig, aber auch ängstlich vor dem, was kommen wird. Wir können hier von einer zweiten Pubertät sprechen mit der dazugehörigen körperlichen und seelischen Achterbahnfahrt der Gefühle und Hormone. Frauen nehmen in dieser Zeit einen Perspektivwechsel ein – bezogen auf sich selbst und auf das Leben. Wo stehe ich im Leben, was will ich noch erreichen? Entstandene Lücken, die sich zum Beispiel durch den Auszug der Kinder ergeben, müssen erst einmal wieder gefüllt werden. Wechseljahre sind also mehr nur als ein physiologischer Vorgang. Leider werden heute oft nur einzelne Symptome behandelt, statt die Phase ganzheitlich zu betrachten.

Empfinden Frauen das heute anders früher?

Frauen in der Lebensmitte leben heute in anderen gesellschaftlichen Bedingungen als noch vor 30 Jahren. Unsere Gesellschaft ist geprägt von einem digitalen Machbarkeitswahn, multiplen Perfektionsansprüchen und dem Versprechen, alles im Blick und unter Kontrolle haben zu können. Sie verspricht gerade Frauen ein Multioptionalität – was sie in einem wahren Bilder-Battle stürzt, weil sie einer Unzahl von Vor- und Entwicklungsbildern gerecht werden wollen: der fürsorglichen Mutter, der liebenden Ehefrau, der beruflich Erfolgreichen und der besten Freundin, die selbstverständlich noch ihren Körper in Form hält. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Jede Festlegung wird da schon als ein Zu wenig erlebt. In einer entfesselten Beliebigkeit hat sich zwar unser Gestaltungsspielraum um ein Vielfaches erweitert, führt aber unweigerlich auch in Überforderungen hinein.

Und in solch einer Machbarkeits-Kultur gehört es sich nicht, das Alter mit seinen Veränderungen einfach anzunehmen…

Ja, genau so ist es. Wenn du heute so alt aussiehst und dich so alt fühlst wie du bist, hast du doch etwas falsch gemacht. Wie kann so ein adäquater Umgang mit sich und dem Älterwerden und den damit einhergehenden Veränderungen gelingen, wenn das Geburtsjahr eigentlich immer weniger relevant sein darf? Zudem scheinen heute in einer fluiden Wirklichkeit die Grenzen zwischen den Generationen immer mehr zu verschwimmen. Heute fühlen sich die Alten jung und die Jungen kommen uns mitunter älter vor als ihre Elterngeneration. Es finden sich zudem große Schnittmengen in den Interessen der verschiedenen Zielgruppen In Musik, Kleidung, Ernährung findet man generationsübergreifend seinesgleichen. Generationen bilden keine abgeschlossenen Einheiten mehr; das bedeutet weniger Festlegung auf starre Muster, aber manches wird dadurch auch beliebig und durch fehlende Orientierung und Vorbilder nicht leichter.

Was würde es Frauen denn leichter machen?

Wenn sie zum einen attraktive, aber realistische Vorbilder hätten – solche, die vielleicht auch augenzwinkernd und humorvoll mit dem Alter umgehen. Und wenn zum anderen Schönheit und Attraktivität eine andere Konnotation hätten und nicht alles glatt-gebügelt und perfekt sein muss, sondern Schönheit eher über Ausstrahlung, Wohlfühlen, Gepflegt sein, mit sich im Reinen sein, Lebendigkeit und Agilität definiert wird. Frauen glauben heute nicht an die Wundermittel, aber sie haben Sehnsucht danach, sich angenommen und schön im genannten Sinne zu fühlen. Aus zahlreichen Interviews wissen wir, dass Frauen sich tatsächlich auch einen humorvollen Umgang und eine gewisse Leichtigkeit mit dem Thema Älterwerden wünschen.

Und was bedeutet das konkret für Frauen?

Die Veränderungen in der Lebensmitte sollten sie persönlich annehmen, ohne sie persönlich zu nehmen. Dass wir in dem Alter Beschränkungen erfahren, ist ganz normal. Schwierig ist aber, wenn diese Beschränkungen und das Alter als persönliche Kränkung empfunden werden. Vielmehr sollte man schauen, wie man, ohne dass man die Veränderung leugnet, sich diese zunutze machen kann – und so vielleicht zu einem wohlwollenden Blick auf sich selbst kommt. Nicht zuletzt ist die Zeit des Übergangs in der Lebensmitte ja auch – neben den Verlusten – mit beglückenden Zugewinnen verbunden.

Welche sind das?

Als Verlust empfinden viele etwa, dass die Kinder aus dem Haus gehen, man in Rente geht, Partner sterben, Krankheiten einen einschränken, man weniger agil ist. Der Verlust an Kraft und Stärke und die Kontrolle über seelische und körperliche Veränderungen führt zudem bei vielen Frauen zu Unsicherheit.

Und was gewinnen Frauen?

Dem gegenüber steht zum Beispiel der Zugewinn an Freiheit: man hat weniger Verpflichtungen, mehr „Me-time“ und Möglichkeiten, das Leben zu genießen auch mal für sich zur Ruhe zu kommen, ausgeglichener und frei für neue Entdeckungen, Reisen etc. sein. Auch das Gefühl, dass man nicht mehr bestimmte Normen erfüllen muss, wird von vielen Frauen als entlastend empfunden.

Der Zugewinn an Freiheit mit dem gleichzeitigen Gefühl von Begrenztheit und dem Blick auf Endlichkeit führt zudem oft dazu, dass Frauen genauer in sich spüren, was ihnen wichtig ist.

Sehr oft beginnen sie in dieser Zeit Wichtiges von Unwichtigem auszusortieren, seien es Kontakte und Freundschaften, seien es modische Vorgaben. Viele machen sich auch einfach weniger Stress und werden gelassener vielen Dingen gegenüber.

Was macht den Umgang mit dieser Phase in der Lebensmitte denn so herausfordernd?

Es gilt individuell neue Lebensformen zu finden, zu schauen, von was verabschiede ich mich, was will ich Neues entwickeln in einer Balance zwischen Besinnung und Stilllegung auf der einen und Lebendigkeit und Aktionismus auf der anderen Seite. Und zwischen glanzvoller Performance und entspannender Einfachheit gibt es viele Zwischentöne des Umgangs.

Um durch die turbulente Zeit zu kommen, hilft es, sich Fragen in Bezug auf Einheit, Richtung und Zusammenhang zu stellen.

Was meinen Sie damit konkret?

Die Fragen nach der Einheit beinhaltet Fragen wie „Wer bin ich bis hierhin geworden und wie lassen sich die Veränderungen darin einfügen?“ und, „Was behalte ich bei und welche Haut gilt es abzuwerfen?“ Als nächstes geht es um die Richtung: Wo will ich hin und wer und was kann mir hier Orientierung sein; sicher helfen hier positive Frauen-Vorbilder. Und zu guter Letzt: In welchen Sinnzusammenhang kann ich mich und mein Leben einbetten - auf andere Menschen bezogen oder in einem übergreifenden Sinnzusammenhang. Ich denke, dass es wichtig ist, Frauen dabei zu unterstützen und zu ermutigen, zurückzuschauen in Stolz oder auch Wehmut, Dinge, Menschen, Rollen zu verabschieden und zu betrauern, und mit einem wertschätzenden Blick neugierig sein auf das, was kommt.