HypochondrieWarum manche Menschen mehr Angst vor Krankheiten haben als andere
Ist der dunkle Fleck auf meinem Arm Hautkrebs? Woher kommt das Stechen in der Seite? Wieso habe ich so starke Kopfschmerzen? Manche Menschen neigen dazu, Veränderungen an ihrem Körper genau wahrzunehmen und unangenehme Empfindungen zu dramatisieren. Vor allem älteren Menschen wird nachgesagt, mehr in sich hineinzuhorchen. Woher kommt das? Und stimmt das überhaupt?
Dass sich Senioren – wie ein gängiges Vorurteil lautet – mehr in ihre Leiden hineinsteigern als andere Altersgruppen, kann Prof. Frieder R. Lang von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen nicht bestätigen. Der Psychogerontologe sieht aber mit Sorge, dass ältere Menschen, die Angst vor Demenz haben, „nicht selten überreagieren“. Er findet es bedenklich, wenn solche Ängste plötzlich alles überragen.
Häufige Klagen können auch Ruf nach Aufmerksamkeit sein
Wer häufig über körperliche Beschwerden klagt, muss nicht unbedingt an Krankheitsangst leiden. „Hinter dem Betonen von Symptomen kann auch der Ruf nach Aufmerksamkeit stecken“, sagt Ursula Lenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO).
Viele Ärzte berichteten von älteren Patienten, die regelmäßig in Ambulanzen und Praxen kommen, obwohl sie nicht ernsthaft krank sind – einfach, weil sie einen Ansprechpartner suchen. „Hier ist es wichtig, die passive Lebenssituation zu durchbrechen“, sagt Lenz.
Expertentipp: eine sinnstiftende Aufgabe suchen
Sie empfiehlt Senioren, die sich nicht mehr richtig wahrgenommen fühlen, eine Aufgabe zu suchen, die sinnstiftend ist und Spaß macht. Beispielsweise sich um andere zu kümmern und jemanden regelmäßig im Heim besuchen.
Neue Kontakte ließen sich etwa gut in einer Gymnastik- oder Wandergruppe knüpfen, auch eine ehrenamtliche Tätigkeit eigne sich gut.
Bei konkreter Angst mit Experten sprechen
Wer Ängste vor bestimmten Krankheiten hat, sollte mit einem Experten darüber sprechen, rät Lang. Denn es kursierten viele falsche Vorstellungen von Krankheiten, insbesondere was die Frühsymptome von Demenz betrifft. „Wer das richtige Wissen hat, kann gezielt und frühzeitig fachärztliche Hilfe aufsuchen und dort Dinge erfahren, die möglicherweise beruhigend sind“, erklärt der Psychogerontologe.
Denn wenn man sich auf Symptome fokussiert und gleichzeitig annimmt, dass etwas Schlimmes dahintersteckt, steigen die Beschwerden. Das kann Gaby Bleichhardt bestätigen, die an der Philipps-Universität Marburg das Thema Krankheitsangst erforscht. Wie die psychologische Psychotherapeutin erläutert, sind die Ursachen der Angst vielfältig und häufig biografisch zu erklären: „Viele Betroffene hatten ängstliche Eltern und neigen daher dazu, immer das Schlimmste anzunehmen.
Oft hat in ihrer Geschichte auch Krankheit eine besondere Rolle gespielt, zum Beispiel, dass die beste Freundin früh an Brustkrebs gestorben ist oder dass sie selber schon einmal eine Fehldiagnose bekommen haben.“
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Expertin: körperliche Vorgänge beobachten und einordnen
Bleichhardt rät Krankheitsängstlichen aller Altersgruppen, körperliche Vorgänge, Gedanken und Gefühle zunächst zu beobachten und zu versuchen, Zusammenhänge herzustellen. Die meisten körperlichen Beschwerden seien nicht Ausdruck schwerer körperlicher Erkrankungen, sondern harmlose Kennzeichen dafür, dass der Körper „am Leben ist“.
Wer Angst hat, solle Beschwerden medizinisch abklären lassen, sagt Bleichhardt. Wenn man allerdings dieselbe Untersuchung mehrfach wiederholen will, obwohl bei den vorherigen Malen nichts Bedenkliches gefunden wurde, könne das ein Zeichen dafür sein, dass die Diagnose einer hypochondrischen Störung vorliegt.
Hypochonder werden oft verspottet, leiden aber wirklich
Über Hypochonder, die sich in ihre Leiden hineinsteigern, werden gerne Witze gemacht. Doch die Betroffenen leiden wirklich. Zwar nicht an der Krankheit, die sie sich zuschreiben, aber an der Angst und ihren Folgen. Betroffenen, bei denen diese Angst länger als ein halbes Jahr andauert und deren allgemeine Lebensführung stark beeinträchtigt ist, rät Bleichhardt zu einer Psychotherapie. Hier lernen Patienten, ihre körperlichen Vorgänge besser zu verstehen und Ängste besser zu bewältigen. Insbesondere eine kognitive Verhaltenstherapie sei sehr wirksam. (dpa/tmn)