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Kölner Infektiologe„Im August war ein Prozent der Tests positiv, jetzt über drei“

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Prozentual fallen immer mehr Corona-Tests positiv aus – vor allem in Köln.

  1. Die Zahl der Corona-Tests pro Woche ist deutschlandweit und in Köln seit einem guten Monat recht konstant.
  2. Doch immer mehr Tests fallen positiv aus – vor allem in Köln, wie Gerd Fätkenheuer, Infektiologe an der Uniklinik, erklärt.
  3. Er sagt: „Die Entwicklung in Spanien und Frankreich zeigt, dass blitzschnelle Infektionsgeschehen durchaus auch auf uns zukommen können – nicht müssen, aber können.“

Das RKI vermeldete in der vergangenen Woche mit einer Positivrate von 1,19 Prozent bei Corona-Tests einen deutlichen Anstieg. Was hat diese Zahl zu bedeuten?Prof. Gerd Fätkenheuer: Die Positivrate kann durch zwei Dinge beeinflusst werden. Zum einen durch die Anzahl der Tests: Wenn man sehr viel testet, geht die Rate normalerweise nach unten – weil viel mehr Menschen ohne Symptome getestet werden. Zum anderen wird die Rate durch das tatsächliche Infektionsgeschehen beeinflusst. Nun lag die Anzahl der Tests im vergangenen Monat relativ konstant bei gut einer Million pro Woche. Der Trend ist also aussagekräftig für das Infektionsgeschehen. Auch am Infektionsschutzzentrum der Uniklinik testen wir recht konstant – und erkennen eine deutlich erhöhte Positivrate: Im August fiel rund ein Prozent der Tests positiv aus, aktuell sind es deutlich über drei Prozent.

Eine beängstigende Entwicklung?

Ich will keine Angst schüren, aber mich beunruhigen die Zahlen durchaus. Auf der anderen Seite stellen wir in Köln fest, dass die Tests gut eingesetzt werden, viele symptomatische Patienten kommen in unser Infektionsschutzzentrum. Das spricht immerhin für ein intaktes Problembewusstsein in der Stadt.

Todesfälle gibt es derzeit kaum – obwohl knapp 500 Kölner laut Stadt akut infiziert sind.

Das stimmt, ich führe es vor allem auf die Altersverteilung zurück. Es ist zu befürchten, dass sich diese auch wieder ändert – und dass wir mehr Todesfälle sehen werden, wenn mehr ältere Menschen infiziert werden. Ein weiterer Grund für die seltenen Todesfälle kann auch der Lernprozess ein, den wir an den Kliniken durchgemacht haben. Ich bin überzeugt davon, dass wir heute deutlich besser mit Covid-Patienten umgehen können als noch vor einigen Monaten. Wir haben wirksame Medikamente und wissen, wie eine optimale Beatmung funktioniert. Ich denke, dass Schwerkranke durch optimierte Behandlungen mittlerweile bessere Überlebenschancen haben.

Ist es auf Dauer möglich, Ältere vom Virus fernzuhalten?

Nein, das halte ich nicht für konsequent umsetzbar, denn wir halten die Älteren ja nicht fern vom gesellschaftlichen Leben. Aber es kommen mehrere Dinge zusammen, die sich positiv auswirken. In Pflegeheimen wird intensiv getestet und geschützt, in der Bevölkerung als Ganzes ist ein hohes Bewusstsein über die Risikogruppen und notwendige Maßnahmen – die AHA-Regeln – gewachsen. Beides stimmt mich optimistisch und lässt mich nicht vermuten, dass wir im Winter in eine so schlimme Situation geraten wie im März oder April.

Frau Reker ist optimistisch, dass es in Köln nicht zu einem erneuten Lockdown kommt. Sie also auch?

Das kann ich nicht voraussagen, und das wird vor allem davon abhängen, wie wir uns verhalten. Ich bin aber überzeugt, dass wir grundsätzlich in der Lage sind, einen Lockdown zu verhindern. Deshalb ist es auch so eminent wichtig, dass wir alles uns zur Verfügung Stehende tun, um diese Situation nicht eintreten zu lassen.

Verglichen mit Spanien und Frankreich, wo über 10.000 Neuinfektionen pro Tag vermeldet werden, kommt Deutschland aktuell gut davon. Wieso?

Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob jemand hierauf eine schlüssige Antwort geben kann. Die Entwicklung in Spanien und Frankreich zeigt, dass blitzschnelle Infektionsgeschehen durchaus auch auf uns zukommen können – nicht müssen, aber können. Ein möglicher Erklärungsansatz ist aus meiner Sicht, dass auf die zweite große Welle in Spanien und Frankreich erst zu spät politisch reagiert wurde. Mit Zögern zum falschen Zeitpunkt setzt man sich der Gefahr aus, die Kontrolle zu verlieren. Doch auch andere Gründe sind denkbar. Klar ist, dass wir hierzulande einiges dazu beitragen können, keine vergleichbare Welle zu erleben. Der umgekehrte Rückschluss – wir müssen weniger gegen das Virus tun, weil es uns einigermaßen gut geht – wäre auf jeden Fall fatal. Die Pandemie mitsamt ihrer Folgen steht global betrachtet erst ganz am Anfang.

Politische Entscheidungen werden aktuell fast immer an der lokalen Inzidenzzahl festgemacht. Ist dieser Wert tatsächlich der entscheidende?

Diese Zahl stellt die tagesaktuelle Entwicklung am genauesten dar. Stellt man den R-Wert, der zu Beginn der Pandemie von großer Bedeutung war, gegenüber, müssen wir sagen: Die Inzidenz ist in der jetzigen Situation deutlich präziser. Darüber hinaus gilt es für uns Wissenschaftler, die Hospitalisierungsrate und die Sterberate ständig im Blick zu behalten. Alles zusammen gibt erst ein klares Bild. Doch für das politische Handeln wird die Inzidenz zurecht herangezogen.

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Sie haben vor einigen Wochen eine Ausweitung der Maskenpflicht gefordert. Gekommen ist diese nicht – obwohl die Zahlen steigen. Können Sie das Zögern vor erneuten restriktiven Maßnahmen nachvollziehen?

Ich sehe die Gründe, die hinter den Vorbehalten stehen. Je besser eine Maßnahme begründbar und generalisierbar ist, desto leichter ist sie für Politiker zu vermitteln. Ich würde eine Maskenpflicht an beliebten Plätzen – etwa auf der Schildergasse – weiterhin begrüßen. Nun ist auf der Schildergasse am Samstagnachmittag deutlich mehr los als am Montagmorgen. Sollte sie also nur für bestimmte Uhrzeiten gelten? Das wäre wohl sinnvoll, aber kompliziert zu kommunizieren. Generell beschränken sich Maßnahmen gegen Covid-19 allerdings nicht allein auf die Politik. Jeder kann selbst entscheiden, auf der belebteb Schildergasse eine Maske zu tragen. Ich würde ein solches Verhalten sehr begrüßen.

Sollten Gruppengrößen und private Feiern schärfer begrenzt werden? Der Sommer ist schließlich vorbei, fast alles findet in geschlossenen Räumen statt.

Man sieht am Beispiel Hamm, welch gravierende Auswirkungen größere Feiern haben können. Ob die Grenze nun bei 50 oder 100 Personen liegen sollte, ist eine politische Entscheidung. Klar ist: Je weniger Menschen, desto geringer die Infektionsgefahr. Jeder festgelegte Grenzwert ist ein Kompromiss. Wissenschaftliche Studien können der Politik nicht die Entscheidung abnehmen, an welcher Stelle dieser Kompromiss zu treffen ist. Rein infektiologisch betrachtet wären schärfere Begrenzungen sehr sinnvoll.

Für die Wintermonate wird auch die Teststrategie entscheidend sein.

Spannend sind aus meiner Sicht vor allem Antigen-Tests. Diese sind – methodisch bedingt – deutlich günstiger und unkomplizierter als PCR-Tests. Hiervon verspreche ich mir deutschlandweit deutliche Beschleunigungen. Für den Hausgebrauch wird es zunächst nichts geben, aber deutlich breitere Testungen könnten im Winter möglich sein – und sollten dann auch durchgeführt werden. In Arztpraxen und Kliniken werden PCR-Tests aufgrund ihrer Genauigkeit der Goldstandard bleiben. PCR-Tests sind vor allem wichtig, um Covid-Erkrankungen von anderen Infektionskrankheuten zu unterscheiden.

Von neuartigen Gurgel-Tests verspricht sich das Gesundheitsamt einiges. Zurecht?

Ein Laborarzt bin ich nicht, aber ich weiß von meinen Kollegen, dass eine Testung von Material, das durch Gurgeln gewonnen wird durchaus problematisch ist. Die Aufbereitung ist für die Labore kompliziert. Ich bin nicht besonders euphorisch, was einen flächendeckenden Einsatz angeht. Dort, wo man anders nicht weiterkommt, kann die Variante möglicherweise helfen. Doch als eine Testform, die eine Materialgewinnung durch Rachenabstriche ablösen wird, sehe ich die sogenannten Gurgel-Tests derzeit nicht.