Kölner Kinderarzt im Interview„Kinder sind ideale Multiplikatoren für so ein Virus”
- Von kommender Woche an schließen alle Schulen und Kindertageseinrichtungen bis voraussichtlich nach den Osterferien.
- Wir haben mit Anselm Bönte gesprochen. Er hat eine Kinderarztpraxis in Köln Weiden und erklärt, warum Schulschließungen wichtig sind und was Eltern sonst noch beachten sollten, um beim Ausbreitungsstopp des Virus' zu helfen.
Herr Bönte, ab kommender Woche schließen Schulen und Kindertagesstätten im ganzen Land. Dürfen meine Kinder weiter in den Sportverein?
Ich würde sagen: Nein. Dann wäre ja nichts gewonnen. Alle organisierten Gruppen würde ich nicht mehr besuchen.
Aber man kann Kindern ja schlecht alle Sozialkontakte verbieten.
Das ist klar. Aber ich würde mich auf drei bis vier beste Freunde beschränken. Und die dann immer wieder treffen. Solch kleine Gruppen kann man, denke ich, verantworten. Da kann man sich dann nur einmal anstecken. Das Virus zirkuliert nicht durch eine ganze Schule.
Warum sind Schulschließungen so wichtig?
Weil Kinder eine Brückenfunktion zwischen den Generationen einnehmen. Sie haben Kontakt zu kleineren Geschwistern, aber auch zu Eltern und Großeltern. Damit sind sie ideale Multiplikatoren für so ein Virus. Diese Kette muss unterbrochen werden. Vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems wie zum Teil in Italien habe ich einen Heidenrespekt. Das müssen wir unbedingt verhindern. Wir haben noch vier Wochen Vorsprung. Wir können das noch abmildern.
Um was machen Sie sich am meisten Sorgen?
Gar nicht um den Einzelnen. Gar nicht um die Kinder. Nicht mal nur um diejenigen, die sich Infizieren. Aber wenn jemand einen Herzinfarkt bekommt und kein Intensivbett mehr für ihn da ist, dann wäre das ein Desaster. 2009 hatten wir die Schweinegrippe, die war viel weniger heftig. Trotzdem zeigte sich schon da: So etwas Unvorhergesehenes bringt unser Gesundheitssystem an den Rand.
Die Schulen bleiben bis nach den Osterferien geschlossen. Ist danach alles gut?
Das glaube ich nicht. Es gibt wohl unterschiedliche epidemiologische Modelle. Aber ein Jahr wird uns das Virus möglicherweise beschäftigen. Wir haben aber in den kommenden Wochen die Chance, die exponentielle Wachstumskurve zu kappen. Die Geschwindigkeit rauszunehmen. Es geht darum Zeit zu gewinnen.
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Was ist mit Teenagern? Dürfen die in die Disco?
Ich habe eine 16 Jahre alte Tochter. Ich würde ihr sagen, sie soll sich lieber mit zwei Freundinnen treffen. Meinetwegen dort übernachten. Aber nirgends hingehen, wo Menschen eng aufeinander treffen. Also nein, nicht in die Disco, auf kein Konzert, nicht in die Kneipe, nicht in volle Kinos.
Kann ich mit meinem Dreijährigen auf den Spielplatz gehen?
Ja, eigentlich schon. Frische Luft ist gut. Außerdem können Sie ja jetzt nicht fünf Wochen mit dem drinnen bleiben.
Und wenn dann wegen der Kitaschließung alle Kitakinder auf dem Spielplatz sind?
Dann würde ich eher Abstand suchen. Das wäre ja sonst unlogisch. Dann machen Sie vielleicht besser mal eine Waldspaziergang.
Darf ich mich mit anderen Eltern beim Betreuen organisieren? Oder wäre das unlogisch? Schließlich sollen wohl auch Tagesmütter nicht arbeiten, die ja nur bis zu fünf Kinder betreuen?
Das würde ich analog zu den Freunden sehen. Drei bis vier Kinder zusammen kann man glaube ich verantworten.
Und was ist mit den Eltern? Wie verhindern die den Koller?
Es spricht glaube ich nichts dagegen, mal die zwei besten Freunde auf ein Glas Wein einzuladen. Wenn es immer die selben sind. Besinnen Sie sich auf die und die Familie! Das hat ja vielleicht auch etwas Positives. Machen Sie Gesellschaftsspiele! Vielleicht hat man endlich mal Zeit zum Nachdenken. Ein Buch zu lesen. Die Krise kann ja auch etwas Positives haben. Vielleicht besinnen wir uns auf uns. Und darauf, dass es uns gut geht. Und dass es vielleicht gar nicht so schlimm ist, wenn wir uns mal für eine gewisse Zeit ein bisschen einschränken müssen.
Gibt es ein Happy End, von dem ich meinen Kindern erzählen kann?
Natürlich! Wenn wir es schaffen, uns mal für einige Wochen anders zu verhalten als sonst, dann werden weniger erkranken. Und am Ende haben wir einige Menschenleben gerettet. Das ist doch mal ein Anreiz.
Das Gespräch führte Claudia Lehnen