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Verbreitet unter Kölner JugendlichenSo gefährlich ist die neue Partydroge Lachgas für Konsumenten

Lesezeit 5 Minuten
Auf einer Straße steht eine blaue Gaskartusche, an der sich ein gelber und ein roter Luftballon befinden. Die Ballons werden an Ort und Stelle aufgeblasen und die Kunden inhalieren anschließend das Lachgas aus ihnen.

Lachgas wird zur Befüllung von Luftballons verwendet – und anschließend als Partydroge inhaliert.

Kartusche in der linken, Ballon in der rechten Hand. Eine Ärztin warnt vor den gesundheitlichen Folgen des Lachgas-Konsums unter Kölner Jugendlichen.

Lachgas ist legal, günstig und leicht zu bekommen. Jugendliche konsumieren das Gas aus einem gefüllten Ballon, einem Sahnespender oder auch direkt aus der Kartusche. Die Kölner Ärztin Vanessa Löw klärt über die gesundheitlichen Risiken des Lachgas-Konsums auf und macht deutlich: Das Rauschmittel ist gefährlich und gar nicht zum Lachen.

Löw ist Leiterin der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln. Als wir sie zu dem Thema befragen, sagt sie, dass der Konsum von Lachgas unter Jugendlichen nicht neu sei, die teils schweren gesundheitlichen Folgen aber immer wieder verkannt würden.

Was ist Lachgas?

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist Lachgas ein farbloses und süßlich riechendes Gas mit dem eigentlichen Namen Distickstoffmonoxid. Das Gas kommt ursprünglich in der Industrie und im medizinischen Bereich zum Einsatz. In Deutschland fällt Lachgas nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, gilt also offiziell nicht als Droge. Damit sind Konsum und Verkauf erlaubt, aktuell gibt es noch nicht mal eine Altersbeschränkung.

Durch die stimmungsaufhellende Wirkung wird Lachgas unter Jugendlichen aber gerne als Partydroge missbraucht. Insbesondere Tiktok spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Lachgas-Trends. In dem sozialen Netzwerk kursieren zahlreiche Kurzvideos, die Jugendliche beim Konsumieren der Partydroge zeigen. Solche „Lachgas-Challenges“ finden über die sozialen Medien eine schnelle und weltweite Verbreitung.

Was passiert, wenn man Lachgas einatmet

Wie funktioniert Lachgas-Konsum also? „Das Gas wird über die Lunge aufgenommen, über das Blut gelöst und gelangt ins Gehirn. Da sich das Gas jedoch nur schlecht über das Blut lösen lässt, tritt seine Wirkung bereits binnen weniger Sekunden ein“, erklärt Löw. Der Rausch trete durch vermehrtes Einatmen des Lachgases schnell ein und halte dann maximal fünf Minuten an.

Jugendliche auf den Kölner Ringen konsumieren Lachgas aus bunten Ballons.

Lachgas ist die neue Partydroge auf den Kölner Ringen.

Der Rauschzustand wird von Konsumenten häufig als schönes, wohlig-warmes Gefühl beschrieben: „Oft treten ein Kribbeln am Körper, Glücksgefühle, Euphorie und vermehrtes Lachen auf“, sagt Löw. Die Einnahme erfolge meist, um Ängsten und schlechter Stimmung entgegenzuwirken.

Da die Wirkung nur kurz anhält, wollen Konsumenten schnell mehr davon und inhalieren das Gas häufig direkt weiter, teils über mehrere Stunden lang – eine Kölner Jugendliche konsumiert Lachgas nach eigenen Angaben „jeden Tag“. „Die Konsumenten können so in eine chronische Nutzung rutschen – da kommt es aber auch darauf an, wie labil ein Mensch bei Konsumbeginn ist. Zwar ist keine körperliche Abhängigkeit von Lachgas möglich, aber eine psychische“, so Löw.

Wie gesundheitlich gefährlich ist der Konsum von Lachgas?

Ob einmaliger oder regelmäßiger Lachgas-Konsum: Gerade bei unter 18-Jährigen, die sich noch in der Entwicklung befänden, aber auch bei jungen Erwachsenen könne es zu schwerwiegenden, gesundheitlichen Folgen kommen, sagt Löw. Der Konsum könne zu Schwindelanfällen, Vitamin B12-Mangel, Lähmungserscheinungen, Übelkeit, Unfruchtbarkeit, psychischen Veränderungen wie Ängstlichkeit und Depression und Konzentrationsschäden führen.

Bei häufigem Konsum über einen längeren Zeitraum können die inneren Organe und das zentrale Nervensystem Schaden nehmen. Außerdem kann Lachgas das Knochenmark schädigen und die Isolierung der Nervenbahnen zerstören. Koordinationsstörungen und die Einschränkung der Merkfähigkeit sind laut BZgA die Folge.

Gefährlich sei es außerdem, das Gas direkt aus der Kartusche einzunehmen, warnt Löw von der Uniklinik Köln. Das ausströmende Gas könne zu schweren Erfrierungen an den Lippen, im Mund und Rachen führen.

Lachgas: Sauerstoffmangel im Blut kann drastische Folgen haben

Eine wichtige Rolle beim Einsatz von Lachgas im medizinischen Bereich spielt die Sauerstoffzufuhr. Lachgas hat eine schmerzstillende, betäubende Wirkung und wird dadurch unter anderem beim Zahnarzt oder während einer Narkose eingesetzt – aber immer mit Sauerstoffzufuhr. „Beim Zahnarzt ist das Lachgas mit Sauerstoff gemischt, bei einer Operation wird dem Patienten am Ende der Narkose Sauerstoff zugeführt“, sagt Löw.

„Reiner Lachgas-Konsum verdünnt hingegen den Sauerstoff in der Lunge, was zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führen kann. Im weiteren Verlauf kann der Sauerstoffmangel zu einer Bewusstseinsstörung, Koma und im schlimmsten Fall zum Tod führen“, erklärt die Anästhesistin und Schmerztherapeutin.

Laut der BZgA werden Konsumenten ab einem Lachgas-Anteil von 90 Prozent in der Atemluft bewusstlos. „Um die Intensität der Inhalation und damit die Wirkung zu steigern, ziehen sich manche Konsumenten sogar eine Plastiktüte über den Kopf“, schildert Löw. Die Ärztin warnt eindringlich: „Kommt es dann zur Bewusstlosigkeit, droht Erstickungsgefahr.“

Lachgas: Keine sichere Dosierung möglich – Wirkung von Mischkonsum ungewiss

Viele glauben, dass die Dosierung über Ballons sicher sei. Doch eine sichere Dosierung gibt es nicht, wie es in dem Bericht der Europäischen Drogenstelle EMCDDA von 2022 heißt. Die Kombination von Drogen mit anderen Substanzen kann zu unvorhersehbaren und unangenehmen Rauscherlebnissen führen. Insbesondere in Verbindung mit Alkohol kann es verstärkt zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Es ist wichtig zu beachten, dass sich die gesundheitlichen Risiken beim Mischkonsum vervielfachen.

Partydroge Lachgas – auch ein Problem für die Umwelt

„Es ist wichtig, nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen von Lachgas zu beachten, sondern auch seine Folgen auf das Klima“, mahnt Löw. Lachgas ist ein Treibhausgas, genau wie Kohlendioxid und Methan, und ebenfalls sehr schädlich für die Ozonschicht. Aufgrund seiner langen Verweildauer in der Atmosphäre hat jedes Molekül dem Weltklimabericht des Weltklimarates zufolge einen etwa 300-fach stärkeren Treibhauseffekt als CO₂. Damit belegt Lachgas nach Kohlendioxid und Methan den dritten Platz unter den klimaschädlichen Gasen.

Umgang mit Lachgas in Nachbarländern strenger – in einem Land seit 2023 verboten

Während mehrere europäische Länder die Risiken von Lachgas als bedenklich einschätzen und bereits Maßnahmen ergriffen haben, sieht Deutschland bisher keinen Handlungsbedarf. In den Niederlanden ist der Besitz und Verkauf von Lachgas seit Anfang dieses Jahres verboten, in Dänemark gelten strengere Regeln und auch in Großbritannien wird aktuell über ein Verkaufsverbot diskutiert.