Köln – Es ist das Wort, das seit der Corona-Pandemie zu unserem Sprachgebrauch gehört wie Zähneputzen: Quarantäne. Viele Menschen haben in diesem Jahr damit Erfahrung gemacht. Im Haus oder der Wohnung isolieren, Abstand von anderen Personen halten, zum Schutz der Allgemeinheit. Doch während im März ausschließlich von 14 Tagen Quarantäne die Rede war, sind nun die verschiedensten Zeiträume im Gespräch: fünf, sieben, zehn, 14 Tage – wo liegt der Unterschied? Welcher Zeitraum macht wann Sinn?
Ganz grundsätzlich soll durch eine Quarantäne die Verbreitung eines Krankheitserregers – etwa des Sars-Cov-2-Virus – verhindert werden. Um die Quarantäne-Länge zu verstehen, muss man die Ausbreitung des Coronavirus verstehen, sagt Rolf Kaiser, Virologe an der Universitätsklinik Köln: „Wenn sich eine Person infiziert hat, wird der Körper von dem Virus sozusagen erobert. Es dauert vier bis fünf Tage, bis sich genug Viren gebildet haben, dass man sie auch nachweisen kann. Dann dauert es etwa zwei weitere Tage, bis der Körper Symptome entwickelt – wenn man Symptome entwickelt.“ Es gibt also durchaus eine Zeit, in der ein Mensch infektiös ist, sich aber noch gar nicht krank fühlt. „Dann dauert es rund eine Woche, in der das Immunsystem die Infektion bekämpft. In den meisten Fällen geht es dann besser, die Infektion wird überwunden. Bei wenigen Fällen entsteht ein komplizierter Krankheitsverlauf“, sagt Kaiser.
Quarantäne und Isolierung
Das Robert Koch-Institut unterscheidet zwischen Quarantäne und Isolierung. Von einer Isolierung spricht man demnach bei Patienten mit einer bestätigten Sars-Cov-2-Infektion. Sie kann je nach Schwere der Erkrankung häuslich oder stationär erfolgen. Aus der Isolation wird man entlassen, wenn nicht mehr davon auszugehen ist, dass man das Virus weiterverbreitet, so das RKI.
Die Quarantäne hingegen gilt für Kontaktpersonen und Reiserückkehrer aus Risikogebieten, also Personen, die verdächtigt werden, sich mit dem Virus angesteckt zu haben. Auch sie sollen sich vorsorglich zeitlich befristet isoliert aufhalten, um das Virus nicht weiter zu verbreiten.
Kontaktpersonen: 14 bzw. zehn Tage
Menschen, die im gleichen Haushalt leben wie eine infizierte Person (mit positivem PCR-Test), müssen automatisch in Quarantäne. Die Quarantäne von Kontaktpersonen dauert grundsätzlich 14 Tage. Durch die neue Quarantäneverordnung kann diese seit dem 1. Dezember in Absprache mit dem Gesundheitsamt nach zehn Tagen durch einen negativen Corona-Schnelltest oder einen PCR-Test – also dem Standard-Labortest – beendet werden und muss damit keine 14 Tage mehr dauern. Sollten allerdings während der Quarantäne Symptome auftauchen, sollte umgehend Kontakt zum Gesundheitsamt aufgenommen werden.
An sich richtet sich die Länge der Quarantäne an die Inkubationszeit, so Kaiser. Bei einem Großteil der Infizierten beträgt die Inkubationszeit, also die Zeit bis zum Auftreten erster Krankheitssymptome, weniger als 14 Tage.
Bei dieser Verkürzung geht es nach Kaiser darum, wie viele Menschen unnötig und wie viele berechtigt in Quarantäne bleiben müssen. „Durch einen abschließenden Test ist die Sicherheit nach zehn Tagen groß genug, die Quarantäne dann auch zu beenden.“
So schätzt es auch das RKI ein: Bei einer Verkürzung der Quarantäne erhöht sich der Anteil von Personen, die erst nach Abschluss der Quarantäne erkranken oder beginnen, infektiös zu sein, heißt es in einem Bericht von Ende September. Sollte allerdings nach zehn Tagen eine PCR-Untersuchung stattfinden, sei der Anteil der Fälle, der nach Quarantäneabschluss ansteckungsfähig wird und somit zu möglichen Neuansteckungen führen könnte, in etwa äquivalent zu dem Anteil nach 14 Tagen ohne Untersuchung. Es wird also unter den Personen mit negativem PCR-Untersuchungsergebnis nach 10 Tagen ebenso viele ansteckende Personen geben wie nach 14 Tagen ohne PCR-Untersuchung.
Infizierte: mindestens zehn Tage
Wer sich nachweislich infiziert hat, also ein positives PCR-Testergebnis hat (nicht Schnelltest), muss automatisch für zehn Tage ab Testung in Quarantäne. Dazu benötigt es nun keinen besonderen Quarantänebescheid mehr. Die Isolierung endet grundsätzlich nach zehn Tagen – wenn man mindestens zwei Tage symptomfrei ist.
Die zu Beginn geltende Isolationszeit von 14 Tagen – auch für Infizierte – entstammte einem Standardzeitraum für eine Quarantäne, die zu Beginn der Pandemie beschlossen wurde. „Mittlerweile ist zu beobachten, dass es kaum Fälle gibt, die nach zehn Tagen noch ansteckend sind, weshalb man sich auf eine Verkürzung geeinigt hat“, so der Kölner Virologe.
Personen, die sich einem PCR-Test unterzogen haben, weil sie Erkältungssymptome aufweisen oder mit einem Schnelltest positiv getestet worden sind, müssen sich bereits ab Test in Quarantäne begeben. Diese wird durch ein negatives Testergebnis aufgehoben. Bei einem positiven Ergebnis muss sich die Person weiterhin isolieren.
Schulkinder: fünf Tage Clusterisolation
Für Schulkinder gibt es noch ein ganz neues, anderes Vorgehen: Bei einem positiven Corona-Fall in der Schule soll die sogenannte Clusterisolierung angewandt werden. Das infizierte Schulkind muss sich für fünf Tage ab Testergebnis isolieren. Am fünften Tag erfolgt eine erneute Testung, bei einem negativen Ergebnis darf das Schulkind wieder am Unterricht teilnehmen. Bei einem positiven Ergebnis wird die Isolierung für jeweils weitere drei Tage fortgesetzt und erneut getestet. Die Haushaltsangehörigen des positiven Falls müssen ebenfalls in Quarantäne.
Die Schüler und Schülerinnen aus dem Cluster – meistens Schulklasse – müssen ebenfalls für fünf Tage in häusliche „Verdachtsquarantäne“. Eltern und andere Haushaltsmitglieder sind davon nicht betroffen. Auch die Klassenmitglieder werden am fünften Tag der Quarantäne mit einem Antigen-Schnelltest getestet. Negativ Getestete können noch am selben Tag wieder zur Schule gehen, positiv Getestete werden nun als Corona-Fall isoliert.
Lehrpersonal ist davon wegen des „zeitlich befristeten und anders strukturierten Kontakts“ nicht betroffen. So wurde es in den Beschlüssen von Bund und Ländern besprochen. „Diese Strategie entstammt dem Gedanken, dass es höchstens fünf Tage braucht, bis das Virus zu erkennen ist. Wenn die Schüler nach fünf Tagen beim Test also negativ sind, ist die Wahrscheinlichkeit sich infiziert zu haben sehr gering“, so Kaiser. Diese Clusterisolierung ist zwar im Beschluss von Bund und Ländern festgehalten, wird aber noch nicht flächendeckend angewandt. Die Stadt Köln hält derzeit etwa weiter an der „bisherigen erfolgreichen Strategie fest“, teilt das Gesundheitsamt auf Anfrage mit. Sprich: gründliches Kontaktmanagement, durch das nur eine kleine Gruppe mit Kontakten zum infizierten Schulkind – aber für 14 Tage – in Quarantäne müssen.
Ganz allgemein betont Kaiser, dass das Gesundheitsamt weisungsberechtigt ist und letztendlich aufgrund der Gesamtlage entscheidet, welcher Quarantänezeitrahmen je nach Situation angemessen ist. „Eine solche Clusterisolierung macht nur Sinn bei einer hohen Zuverlässigkeit der Kontaktverfolgung – wenn also der mögliche Infektionszeitpunkt sehr präzise benannt werden kann.“ Da das im Schulsetting oft der Fall sei, könne eine solche Clusterisolierung durchaus in Erwägung gezogen werden. „Die Entscheidung liegt aber beim Gesundheitsamt“, sagt Kaiser.
Selbstisolierung vor Weihnachten: sieben Tage
Um an Weihnachten mit beruhigterem Gewissen die Familie besuchen zu können, ist an vielen Stellen die Rede von einer Selbstisolierung vor den Festtagen. Auch Virologe Rolf Kaiser hat dies als Präventionsmaßnahme eine Woche vor den Feiertagen vorgeschlagen. Wieso reicht da eine Woche? Wieso nicht 14 Tage?
„Wenn wir uns eine Woche vor den Feiertagen selber isolieren, haben wir keine Gelegenheit uns zu infizieren. Wenn in dieser Zeit keine Symptome aufgetreten sind, ist das schon mal ein gutes Zeichen“, sagt Kaiser. Natürlich habe man trotzdem keine 100-prozentige Sicherheit, „es ist dennoch eine enorme Risikominimierung.“
Auch wenn eine 14-tägige Quarantäne noch sicherer wäre, sei eine Woche verhältnismäßiger, so Kaiser. „Wenn viele Menschen eine Woche einhalten würden, würden ganz viele Infektionen nicht erzeugt.“ Das sei eine Verantwortung, die alle spontan übernehmen und leisten könnten, sagt der Virologe.
Neue Studie: kurz vor Auftreten der Symptome und bis fünf Tage danach am stärksten infektiös
Ein britisches Forscher-Team um Muge Cevik von der University of St Andrews in Schottland hat im Fachmagazin „The Lancet Microbe“ neue Erkenntnisse über den Zeitpunkt und die Länge der Infektiosität von Covid-19-Patienten veröffentlicht. Dazu haben die Wissenschaftler 79 Studien zu Sars-Cov-2 sowie 19 weitere zu Sars-Cov und Mers-Cov ausgewertet.
„In keiner Studie wurden trotz anhaltend hoher Viruslast nach dem neunten Krankheitstag lebende Viren nachgewiesen“, heißt es in den Ergebnissen der Studie. Die Viruslast von Sars-Cov-2 in den oberen Atemwegen scheine demnach in der ersten Krankheitswoche ihren Höhepunkt zu erreichen. Das höchste Übertragungsrisiko trete also sehr früh im Krankheitsverlauf auf: wenige Tage vor und innerhalb der ersten fünf Tage nach Auftreten der Symptome.
Zudem fanden die Forscher heraus, dass die Viruslast zwischen asymptomatischen und symptomatischen Infizierten ähnlich zu sein scheint. Bei asymptomatischen Personen würde das Virus allerdings wieder schneller aus dem Körper verschwinden.
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Die Forscher betonen mit diesen Ergebnissen die Bedeutung einer frühen Isolation mit dem Auftreten der ersten Symptome. „Angesichts möglicher Verzögerungen bei der Isolierung von Covid-19-Patienten kann eine Eindämmung von Sars-Cov-2 eine Herausforderung darstellen“, heißt es im Fazit.
„Die Ergebnisse teilen Beobachtungen anderer Studien: zu Beginn vermehrt sich das Virus, da der Körper noch keine Bremse aktiviert hat“, sagt Kaiser. „Sobald das Immunsystem einschreitet, treten Symptome auf: Reaktionen des Körpers, um das Virus abzuwehren, wie Fieber oder Husten. So kommt es zu der höchsten Virenlast nach fünf bis sieben Tagen. Danach geht die Virusmenge runter.“
Gegenüber der NY Times spricht die Forscherin Muge Cevik darüber, dass eine Periode von fünf Tagen mehr Infizierte dazu bringen könnte, sich tatsächlich auch an die Isolation zu halten.
Das RKI spricht von einer Risikozunahme bei einer Verkürzung der Isolierungsdauer auf weniger als zehn Tage. Nach ihren Daten sei die größte Abnahme der Ansteckungsfähigkeit zwischen Tag fünf und zehn nach Symptombeginn zu beobachten. Nach Tag zehn bestehe dagegen nur in vereinzelten Fällen eine länger anhaltende Verbreitung infektiöser Viruspartikel.