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Schnelltests erkennen Omikron oft nichtÄrzte warnen vor „Obergau“ im Kölner Karneval

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Karneval mit Maske und Abstand, geht das?

Köln – Die neuesten Studienergebnisse eines Münchner Forschungsteams zeigen, was viele längst befürchtet, selbst erlebt oder vom Hörensagen erfahren haben: Die meisten Schnelltests sind bei der Omikron-Variante nicht verlässlich. Was bedeutet das jetzt für den Kölner Karneval und seine Veranstaltungen, zu denen der negative Schnelltest ja eine Zugangsvoraussetzung ist? Zwei Kölner Mediziner warnen eindringlich vor einem möglichen Szenario, das auf die Stadt nach den Festtagen zukommen könnte.

Der Allgemeinarzt und Mitglied des Hausärzteverbands Nordrhein Guido Marx und der Impf- und HNO-Arzt Jürgen Zastrow sind zunächst einmal froh, dass es die neuen Studienergebnisse aus München gibt. Aber sie schränken auch direkt wieder ein: „Gut, dass es die Ergebnisse der Münchner Forscher gibt. Aber um zu erahnen, dass vor diesem Hintergrund der Beschluss, ganz Köln zur Brauchtumszone zu machen, ein Blindflug war und für uns Hausärzte nach Karneval einem Obergau gleichkommt, hätte es keine Studie gebraucht“.

Guido Marx bezeichnet die Ansage der Kölner Stadt-Direktorin Andrea Blome als „medizinisches Unglück, mit dem die Büchse der Pandora geöffnet ist, und es niemanden gibt, der sie jetzt noch schließen könnte.“

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Jürgen Zastrow ist HNO- und Impfarzt und Leiter der KV-Kreisstelle Köln.

Jürgen Zastrow findet klare Worte für das, was sein Kollege mit der geöffneten Büchse meint: „Alle, die sich mit dem Glauben, auf einen negativen Test sei Verlass, ins Karnevalstreiben begeben, berauben uns der Möglichkeit, aus der Pandemie herauszukommen. Ich laufe ja auch nicht nackt durch die Wüste, und glaube, keinen Sonnenbrand zu bekommen, nur weil ich keinen bekommen möchte.“

Schon jetzt sei die Kapazitätsgrenze vieler Labore und Hausarztpraxen erreicht, die Schlangen davor reichten nicht selten bis auf die Straße. Marx: „Hinzukommt, dass seit jeher der Ansturm auf Arztpraxen nach den Karnevalstagen aufgrund von Atemwegsinfektionen enorm hoch ist. Wie wir dann noch die vermehrten, wenn auch milderen, Corona- oder Verdachtsfälle meistern sollen, ist mir ein Rätsel.“

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Guido Marx ist Hausarzt in Nippes und Mitglied des Hausärzteverbands Nordrhein.

Wie auch die Münchner Forscherinnen und Forscher warnen Marx und Zastrow eindringlich davor, einen negativen Schnelltest als Freifahrtschein zu sehen. Und raten dringend dazu, weiterhin Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Zastrow: „Eines ist doch glasklar: Bei einer herkömmlichen Karnevalsparty gibt es keinerlei Chance, die zur Zeit noch dingend empfohlenen AHA-Regeln wie Abstand, Händehygiene und Mundschutz, einzuhalten. Die Schnelltests sind auch nicht zuverlässig, dann bleibt nur: unnötige Begegnungen zu vermeiden, auch wenn man geimpft und geboostert ist, denn selbst dann kann man sich, wie inzwischen hinlänglich bekannt, infizieren und andere anstecken.“

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Schnelltest unmittelbar vor der Karnevalsparty

Wer es sich trotz aller Warnungen nicht nehmen lassen möchte, eine Karnevalsparty zu besuchen, dem legen die beiden Kölner Ärzte ans Herz, einen PCR-Test möglichst zwei Tage vor oder einen Antigen-Test unmittelbar vor der Veranstaltung zu machen. Zastrow: „Die Aussagekraft eines Tests korreliert auch bei der Omikron-Variante mit der Höhe der Viruslast. Und die verdoppelt sich alle paar Stunden. Ich habe erlebt, dass Patienten sich morgens negativ getestet haben, schon um 13 Uhr fiel derselbe Test positiv aus. Deshalb sollte man einen Schnelltest nicht am Morgen der Karnevalsveranstaltung sondern kurz vorher erledigen.“

Zur Studie

Um die Zuverlässigkeit von Corona-Schnelltests bei Omikron zu untersuchen, haben Münchner Wissenschaftler um den Virologen Oliver Keppler für die im Fachmagazin „Medical Microbiology and Immunology“ veröffentlichte Studie zwischen Ende Oktober 2021 bis zur dritten Januarwoche 2022 166 Corona-Fälle untersucht, davon 101 Omikron- und 65 Delta-Infektionen.

Das ernüchternde Ergebnis: Acht der neun handelsüblichen und vom Paul-Ehrlich-Institut für frühere Varianten des Virus geprüften Tests wiesen eine Omikron-Infektion kaum nach. Sie waren zudem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als CE-gekennzeichneter Antigentest gelistet und erfüllten laut Herstellerangaben die erforderlichen Mindestkriterien. Bei sehr hoher Omikron-Viruslast (mit einem Ct-Wert kleiner 25) schlugen die Schnelltests bei nur 31 bis rund 78 Prozent an. Bei mittlerer Viruslast (mit Ct-Werten zwischen 25 und 30) lag die Trefferquote bei Omikron-Infektionen nur bei null bis gut acht Prozent. Delta-Infektionen erkannten bei sehr hoher Viruslast fast alle Tests zu mehr als 70 Prozent. Bei mittlerer Viruslast lag die Trefferquote hier allerdings auch nur noch bei 0 bis 28 Prozent.

Bei Symptomen: Kontakte einschränken oder PCR-Test

Feierwilligen, die Virusanzeichen, also Symptome wie Husten, Schnupfen, Halskratzen oder Magen-Darm-Beschwerden haben, rät Marx dazu, statt sich auf einen Schnelltest zu verlassen, sich mit dem Hausarzt oder der Hausärztin in Verbindung zu setzen. Sollten die Symptome länger als zwei Tage anhalten, müsse ein PCR-Test durchgeführt werden. Auf jeden Fall sollte man mit Symptomen aber der Karnevalsparty ganz fernbleiben. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als an die Eigenverantwortung jedes und jeder Einzelnen zu appellieren."

Zastrow: Karneval ist nicht lebenswichtig

„Dieses Jahr ist leider immer noch nicht die richtige Zeit dafür, Karneval zu feiern, vor allem ist es vor dem Hintergrund der sich schnell vermehrenden Omikron-Variante auch nicht notwendig", sagt Jürgen Zastrow. Die Gefahr sei noch latent vorhanden. „Das sage ich, ein Kölner Karneval- und Party-Profi. Und weil es eben nicht überlebenswichtig ist, sollte sich jede und jeder fragen: Gehe ich das Risiko für mich und andere ein?“

Vielleicht hätte die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für Mitte Februar angekündigte Liste derjenigen Schnelltests, die Omikron gut erkennen, so manch Jecken ein wenig Orientierung gegeben. Doch die hat das dafür zuständige Paul-Ehrlich-Institut bislang nicht veröffentlicht, mit dem Argument: Grundlage für die Liste seien Untersuchungen mit Proben unterschiedlicher Omikron-Virusbelastung, zu denen es noch keine validen Ergebnisse gebe.