Ein Experte erklärt, für wen die Matten geeignet sind. Worauf man beim Gebrauch achten sollte und ob die aus dem Discounter taugen.
1000 Stiche in die HautWie Akupressurmatten bei Verspannungen und Schmerzen helfen
Aus der Ferne sehen sie aus wie bunte Isomatten mit kleinen Blumen darauf, aus der Nähe hat es mit der Lieblichkeit schnell ein Ende. Bei den vermeintlichen Blumen handelt es sich nämlich um spitze Kunststoffnadeln, die zu Kreisen angeordnet sind. Wer sich auf diese Nadeln legt, soll von Stress, Verspannungen und Rückenschmerzen befreit werden und super schlafen können.
In einer Studie der Universität Duisburg-Essen haben Ärzte an der Universität Duisburg-Essen insgesamt 82 Probanden mit chronischen Rücken- und Nackenschmerzen 14 Tage lang regelmäßig auf Akupressurmatten gelegt. Fast alle hatten danach weniger Schmerzen, 96 Prozent fühlten sich entspannter und 81 Prozent konnten besser schlafen.
Die Original-Akupressurmatte heißt ShaktiMat, kostet je nach Ausstattung und Zubehör zwischen 70 und 100 Euro und fährt mehr als 6000 Spitzen für die Entspannung auf. In Indien ist die Matte schon länger bekannt. Der schwedische Mönch Om Mokshananda, der lange in Indien lebte, brachte sie mit nach Europa, dann wurden die Matten immer weiter entwickelt. Heute gibt es sie nicht nur in Yoga- und Gesundheitsshops, sondern auch deutlich günstiger in Sportläden und sogar im Discounter.
Markus Rachl ist Heilpraktiker in Köln und behandelt seine Patienten seit vielen Jahren auch mit Akupunktur und Akupressur. Sein eigentlicher Schwerpunkt liegt auf der Myoreflextherapie, bei der mit den Händen Spannungen in der Muskulatur ertastet und gelöst werden. Die Akupressurmatten benutzt er seit vielen Jahren. Hier erklärt er, wie sie genau funktionieren, wie man sie am besten benutzt und worauf man beim Kauf achten sollte.
Wie funktionieren die Matten?
Die vielen kleinen Kunststoffnadeln üben einen Reiz auf den Körper aus und wirken wie eine Akupunktur, ohne, dass dabei durch die Haut gestochen werden muss. Außer der Akupunktur gibt es noch die Akupressur, bei der nicht mit Nadeln gearbeitet wird, sondern bestimmte Punkte im Körper mit Druck behandelt werden. „Die Matten bieten eine Mischung aus beidem“, erklärt Rachl.
Durch die Stacheln wird die Haut stark gereizt. Sobald dieser Reiz als Schmerz wahrgenommen wird, geben die Nerven im Rückenmark eine Meldung an das Gehirn ab. Als Reaktion werden die Impulse von der Haut über die Nerven zum Gehirn beschleunigt. Anschließend gibt es Reaktionen nach unten: Die Blutgefäße öffnen sich, die gereizten Stellen werden rot und irgendwann verschwindet der Schmerz wieder. Durch den gezielten Reiz lässt der Muskel irgendwann die Spannung los.
Zu welchem Zweck werden die Matten angewendet?
„Die Matte ist sehr vielseitig einsetzbar“, sagt Rachl. Die Stimulation ist an so gut wie allen Körperstellen möglich, zum Beispiel am Rücken, am Oberschenkel oder mit einem speziellen Kissen sogar am Kopf. Auch Hände oder Füße lassen sich mit den Noppen massieren. Am Anfang wurde die Matte vor allem Rückenschmerzpatienten empfohlen, heute kommt sie bei Verspannungen jeglicher Art zum Einsatz. Rachl: „Die Matte ist eine gute Methode, um sich zu Hause selbst zu helfen.“
Tut es weh, auf der Akupressurmatte zu liegen?
Die meisten Menschen empfinden die Berührung mit den Nadeln zumindest am Anfang als schmerzhaft, weil diese ganz gezielte Reize setzen. Das ist aber auch so gewollt. Ob jemand den Reiz als Schmerz oder vielleicht sogar als angenehm empfindet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Rachl stört sich daran, dass Schmerzen und starke Reize im westlichen Kulturkreis als rein negativ betrachtet werden und möglichst verdrängt werden sollen. „Wir haben uns zu einer gepuderten Gesellschaft entwickelt. Wenn etwas schmerzt, wird es für die meisten Menschen sofort sehr schwierig“, sagt er. Viele hätten zudem Angst, etwas falsch zu machen. Sein Rat lautet deshalb: „Probieren Sie es einfach aus. Viel können Sie nicht falsch machen. Im schlimmsten Fall fühlt es sich unangenehm an. Aber genau das möchten die meisten Leute am liebsten vermeiden.“
Angezogen oder mit nackter Haut?
„Ob Sie sich in Shirt und Hose oder mit nackter Haut auf die Matte legen, entscheiden Sie allein nach persönlicher Vorliebe“, sagt Rachl ganz klar. Für den Anfang kann es angenehmer sein, noch eine Schicht Stoff oder ein Handtuch zum Dämpfen zwischen Haut und Stacheln zu haben. Aber dann ist der Effekt auch nicht so stark.
Wie lange sollte man auf der Matte liegen?
„Auch das können Sie individuell entscheiden. Ihr Körper diktiert das Ganze, Sie selbst wissen es am besten, da kann Ihnen niemand hineinreden. Die meisten bleiben liegen, bis der Schmerz nachlässt. Manche schlafen auch ein“, erklärt Rachl. Sein Rat lautet deshalb, ein bisschen mit dem Schmerz zu spielen, es aber nicht zu übertreiben. Je länger Sie auf der Matte liegen, desto mehr gewöhnt sich der Körper an den Reiz.
Braucht man eine Ganzkörpermatte oder reicht eine kurze?
Welche Matte Sie verwenden, hängt vor allem von den Beschwerden ab, die Sie haben. Bei Kopfschmerzen oder Tinnitus ist das Kissen sinnvoll, Rückenbeschwerden oder Bauchschmerzen behandelt man am besten liegend auf einer längeren Matte. Auf einer Ganzkörpermatte haben auch die Beine Platz.
Muss es denn das teure Original sein?
Rachl empfiehlt hier den gesunden Mittelweg, also nicht das billigste, aber auch nicht das teuerste Produkt zu kaufen. Für ihn ist vor allem wichtig, dass die Stacheln nicht aus schadstoffhaltigem Kunststoff hergestellt sind.
Haben die Matten auch einen Nachteil?
„Die Stimulation durch die Spitzen ist recht unspezifisch, weil hunderte Punkte gleichzeitig gereizt werden – und das bei allen Menschen gleich“, gibt Rachl zu bedenken. Um Schmerzen und Verspannungen langfristig zu lösen, müsse viel genauer hingeschaut werden. In seiner Praxis setzt er deshalb darauf, für jeden Patienten eine individuelle Behandlung zu finden, in die nicht nur die schmerzende Stelle, sondern der gesamte Körper miteinbezogen wird.
Wer sollte die Stachelmatte lieber meiden?
Menschen mit schweren Hauterkrankungen oder offenen Stellen auf der Haut. Auch traumatisierte Menschen, die Schläge auf den Rücken bekommen haben, könnten durch die Stachelreize an dieses Erlebnis erinnert werden. Kinder sollten sich – wenn überhaupt – nur ganz vorsichtig auf die Stacheln legen.