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„Völlig unverantwortlich“Experten warnen vor KI-generierten Pilz-Führern auf Amazon und Co.

Lesezeit 3 Minuten
Weiße Pilze wachsen auf einer Wiese.

Ohne entsprechende Erfahrung oder Begleiter Pilze im Wald zu sammeln und zu essen kann gefährliche Folgen haben. (Symbolbild)

Drei Kinder schweben aufgrund einer Vergiftung durch Pilze in Lebensgefahr. Sie brauchen per Nottransplantation eine neue Leber.

Herbstzeit ist Pilzzeit. Darüber freuen sich viele, denn das heißt, auf den Tisch kommen wieder herrliche Pilzgerichte wie Pfifferling-Pasta oder Pilz-Risotto. Viele Menschen gehen dafür auch gerne in den Wald, um selbst Pilze zu sammeln. Das birgt jedoch mitunter große Gefahren, wie aktuelle Fälle zeigen. Drei Kinder und ein Erwachsener liegen derzeit wegen akuten Leberversagens auf der Intensivstation der Uniklinik in Essen – weil sie giftige Pilze gegessen hatten. Alle brauchen per Nottransplantation eine neue Leber.

Eine Sprecherin der Uniklinik Essen machte am Donnerstag, 17. Oktober, keine Angaben zum Zustand der Patienten, sie schweben aber wohl weiter in Lebensgefahr. Die Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahren wurden in der Nacht zu Dienstag in die Klinik gebracht, sie haben wohl vom Knollenblätterpilz gegessen.

Amazon: Gefahr durch KI-generierte Pilzführer

Der Knollenblätterpilz gilt als einer der giftigsten Pilze überhaupt und wird schnell mit herkömmlichen Speisepilzen wie beispielsweise dem Champignon verwechselt, warnen Experten. Auch Hobbysammler sollten demnach nur mit erfahrenen Pilzexperten auf die Suche gehen. Auch auf Erkennungsapps oder Bücher sollte man sich nicht so einfach verlassen.

Eine große Gefahr stellen auch Pilzführer in Buchform dar, die nicht von Experten autorisiert wurden und als self-publishing Bücher auf Amazon gekauft werden können.

Ob die Kinder und der Erwachsene auf solche Pilzführer zurückgegriffen haben, ist nicht bekannt. Der britische „Guardian“ zeigt jetzt aber, welche Gefahr von KI-generierten Büchern ausgehen kann, die vorgeblich von Menschen verfasst wurden. Und die offenbar immer häufiger auf Plattformen wie Amazon verkauft werden.

Bücher von der KI geschrieben: Experten warnen vor unseriösen Quellen

Vier Beispiele solcher Bücher wurden für den „Guardian“ von einer US-amerikanischen Firma namens „Origninality.ai“ untersucht. Die Firma beschäftigt sich mit Faktenchecks, aber auch spezifisch mit dem Aufdecken von KI-Inhalten. Jedes der vier ausgesuchten Beispiele habe 100% auf dem KI-Erkennungswert der Firma erreicht, darunter auch das getestete Buch „Wild Mushroom Cookbook: unlock the delicious secrets of nature’s most flavorful fungi“. Damit sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass diese Bücher von einer KI wie beispielsweise ChatGPT geschrieben worden seien.

Der „Guardian“ legte die ausgesuchten angeblichen Pilzführer dem Sammelexperten und Mykologen Leon Frey vor, der massive Fehler entdeckte. So enthielten die Bücher die Kategorien „Riechen und Schmecken“ als Identifikationsmerkmal für Pilze. „Das scheint die Leute zu ermutigen, die Pilze zu probieren und dies als brauchbare Identifikationsmethode zu nutzen. Das sollte absolut niemals der Fall sein“, so der Experte.

Ein weiteres Buch habe den Igel-Stachelbart-Pilz zum Sammeln und Essen empfohlen, der zwar essbar sei, in Großbritannien jedoch eine geschützte Art ist und nicht gepflückt werden sollte, so Frey.

Getestete unseriöse Pilzführer inzwischen nicht mehr auf Amazon zu finden

Der Pilz-Spezialist Myron Smith an der Carleton Universität in Kanada erklärte gegenüber dem „Guardian“, die Bücher seien „völlig unverantwortlich“. Die Experten empfehlen, sich nur auf Bücher von seriösen Quellen zu verlassen, und selbst dann sind „einige der Unterschiede zwischen essbaren und nicht essbare Pilzen so subtil, dass nur jemand mit geübtem Auge und einem gewissen Maß an Erfahrung in der Lage ist, sie zu unterscheiden.“

Die vom „Guardian“ schon im September 2023 untersuchten Titel sind inzwischen (Oktober 2024) nicht mehr auf Amazon zu finden. Als die britische Zeitung die Verkaufsplattform konfrontierte, antwortete ein Sprecher, die Bücher würden untersucht werden: „Wir nehmen diese Dinge sehr ernst und wollen ein sicheres Shoppingerlebnis und Leseerlebnis sicherstellen.“

Im deutschsprachigen Raum scheinen KI-generierte Pilzführer auf Amazon ein weniger großes Problem zu sein. Wer nach Pilzführern und Pilzkochbüchern sucht, findet auf den ersten zehn Ergebnisseiten fast ausschließlich Bücher, die aus vertrauenswürdigen Quellen und Verlagen stammen, so beispielsweise aus dem bekannten Naturführer-Verlag Kosmos, oder die Bücher sind mit dem Prüfsiegel der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) versehen.

Weitere Informationen und Beratung zum Pilzesammeln und Vermeiden von Vergiftungen gibt es auf der Webseite der DGfM.