Fluchen Sie!Wer schimpft, kann Schmerzen länger ertragen
Köln – Es ist fast nicht zu vermeiden: Wenn man sich mit dem Hammer auf den Finger haut oder mit der Hand auf eine heiße Herdplatte fasst – wenn es richtig wehtut, dann kommt spontan und unkontrollierbar ein Fluch über die Lippen. Warum das so ist, ist schwer zu sagen. Es passiert einfach, unterbewusst. Nun kamen britische Forscher auf die Idee, die Wirkung des Fluchens auf den Schmerz zu untersuchen. Tut es gut, den Schmerz mit einem vulgären Fluch zu belegen? Die vorweggenommene Antwort: Sehr!
Man scheute keinen Aufwand: 92 Probanden und Probandinnen, durchschnittlich 28 Jahre alt, machten mit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten eine Hand in eiskaltes Wasser (3-5 Grad) halten. Sie sollten sagen, ab wann es schmerzhaft wurde, und sie sollten die Hand herausziehen, wenn der Schmerz nicht mehr zu ertragen war. Parallel sollten sie alle drei Sekunden fluchen: Entweder mit dem englischen Standardwort „fuck“. Oder mit drei anderen Worten – echten oder erfundenen.
Das Ergebnis war erstaunlich eindeutig: Wer fluchte („fuck“) konnte Schmerzschwelle und Schmerztoleranz um jeweils ein Drittel steigern – die Probanden bemerkten den Schmerz entsprechend später und zogen die Hand später heraus. Vermutlich wirken die Flüche umso mehr, je deftiger und emotionaler der Ausdruck ist.
Schmerzwahrnehmung ist kompliziert
Natürlich sind Flüche nicht die Lösung der Schmerzproblematik. Aber das Experiment zeigt überdeutlich, dass Schmerzwahrnehmung sehr viel komplizierter ist, als die reine Übertragung von Schmerzreizen von der Haut (oder von wo auch immer) ins Gehirn. Die Verarbeitung im Kopf ist komplex. Wir wissen längst, dass verschiedenste Faktoren eine Rolle spielen: Die wahrgenommene Schmerzstärke hängt von der Tageszeit ab und von der Stimmung, von der Persönlichkeit und von Ängsten. Von unzählbar vielen Umständen. Schmerzen können kurz und vernichtend sein oder auch chronisch. Vor allem chronische Schmerzen haben meist nicht nur eine Ursache, sondern viele.
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Bloß Tabletten: Schmerzbehandlung ist zu schlicht
Schmerzen sind komplex. Deren Behandlung ist hingegen häufig schlicht. Unangemessen schlicht. Oft werden von Arzt oder Apotheker Schmerzmittel verschrieben oder abgegeben, ohne vorher überhaupt nach Auslöser oder Ursache des Schmerzes gefragt zu haben.Oft werden solche Medikamente jahrelang ohne Erfolg eingenommen. Nicht selten ist das Schmerzmittel dann aber schon längst Ursache der chronischen Schmerzen geworden.
Die Konsequenz ist ganz einfach: Wer starke oder langanhaltende Schmerzen hat, sollte sich nicht selbst therapieren, sondern seinen Arzt fragen. Wenn dessen Behandlung nicht erfolgreich ist, hat der Patient ein Recht auf eine zweite Meinung – die übrigens auch die eines kompetenten Apothekers sein kann. Oder die eines spezialisierten Schmerztherapeuten, der die Vielfalt von Schmerzursachen kennt. Denn es gibt auch Patienten, die bei chronischen Schmerzen von einer psychologischen oder psychotherapeutischen Behandlung profitieren. Immerhin: Ein beherzter Fluch kann bei akutem Schmerz ein erster Schritt sein.