Teurer ZahnersatzWann Implantate sinnvoll sind und wann nicht
- Mit den drei Universitätskliniken Köln, Bonn, Düsseldorf und akademischen Lehrkrankenhäusern ist die Region ein Spitzenstandort der medizinischen Forschung.
- Wer hier wohnt, an Krebs erkrankt, an Hör- oder Gelenkschäden leidet, sich vor Demenz fürchtet oder allergisch auf bestimmte Arzneimittel reagiert, kann unmittelbar vom Know-how der Spezialisten profitieren.
- Wie sehr, das zeigt die Serie des Kölner Stadt-Anzeiger mit Experten-Interviews, vor allem aber durch die Erfahrungsberichte erfolgreich behandelter Menschen. In dieser Folge geht es um die Zähne.
Köln – Herr Dr. Boldt, Zahnverlust trifft alte und junge Menschen gleichermaßen. Wann machen Implantate Sinn?
Dr. Johannes Boldt: Heutzutage gibt es in der Anwendung eine große Bandbreite. Von der einzelnen Zahnlücke bis zu Situationen, wo kaum oder gar keine Zähne mehr vorhanden sind, um Zahnersatz anderweitig stabil verankern zu können. Im Backenzahnbereich könnte man eine einzelne Lücke vielleicht lassen, aber Zähne sind es gewohnt, dass sie einen Gegenspieler haben, und mit der Zeit können sie anfangen zu wandern oder zu kippen. Früher hätte man für den Ersatz eines einzelnen Zahns die beiden Nachbarzähne abschleifen müssen, um eine Brücke daran zu befestigen. Dabei werden circa 60 bis 70 Prozent nahezu gesunder Zahnhartsubstanz geopfert, weil die Krone links und rechts verankert werden muss. Da schafft ein Implantat die Möglichkeit, seine natürlichen Zähne zu schonen.
Es ist aber auch eine besonders kostspielige Lösung.
Ja, einen speziellen Implantat-Zuschuss erhält man nur, wenn diese künstlichen Zahnwurzeln aufgrund von Vorerkrankungen, bei Tumorpatienten oder bei von Geburt an nicht angelegten Zähnen nötig sind. Ansonsten bekommt man von der Kasse Summe X zum Füllen einer Lücke und es ist jedem Patienten freigestellt, ob man diesen Zuschuss und die Mehrkosten in eine Brücke oder ein Implantat investiert.
Für wen sind Implantate aus medizinischen Gründen ungeeignet?
Rauchen und ein schlecht eingestellter Diabetes führen erwiesenermaßen zu schlechterer Wundheilung. Genauso wie Parodontitis (Zahnfleischentzündung) und schlechte Mundhygiene erhöhen sie das Risiko für Komplikationen. Nicht immer möglich sind Implantate heutzutage bei Einnahme von Bisphosphonaten. Diese Medikamente werden gegen Osteoporose oder bei Brustkrebs verordnet und ihre gewollten Einlagerungen in den Knochen begünstigen bei Eingriffen im Kiefer Knochenentzündungen.
Wie lange halten die festen Dritten?
Theoretisch können sie ein Leben lang halten – abhängig davon, wie gut sie stehen und der Patient mitarbeitet. Mangelnde Mundhygiene wirkt sich bei Implantaten noch stärker aus, weil der Körper auf Keime schlechter reagieren kann als am eigenen Zahn. Am natürlichen Zahn gibt es Immunzellen und Blutgefäße, er kann in gewissem Maße mit einer Parodontitis umgehen. Bei einem Fremdkörper ist die Keimabwehr für das Immunsystem deutlich schwieriger.
Viele Zahnärzte versprechen: neue feste Dritte an einem Tag.
Das klingt verlockend, ist aber nur bei einem ganz geringen Teil der Patienten realistisch. Selbst bei genügend Restknochensubstanz dauert das Einheilen von Implantaten im Oberkiefer drei bis vier, im Unterkiefer zwei bis drei Monate. Mit Knochenaufbau bis zu sechs Monate. Einen einzelnen kaputten Zahn ziehen, am selben Tag ein Implantat in die Lücke setzen und direkt mit Zahnersatz versehen, funktioniert zwar etwa bei einzelnen Frontzähnen.
Man darf mit diesem Zahn aber noch viele Wochen danach nicht richtig zubeißen. Bei einer alten, ausgeheilten Zahnlücke ist die Implantation kein Problem und gängige Praxis. Und unser eigentliches Ziel in der Prothetik ist stets, dass ein Implantat lebenslänglich hält.
Was sehen Sie als den größten medizinisch-technischen Fortschritt?
Die 3-D-Computeranalyse und -Operationsplanung ist ein Meilenstein. Wir sehen vor der OP in 3-D, wie hoch, wie breit der Knochen ist, wo der Nerv im Unterkiefer und die Nasennebenhöhlen im Oberkiefer verlaufen und welcher Sicherheitsabstand zu diesen empfindlichen anatomischen Strukturen eingehalten werden muss. So bleibt als größtes Risiko nur noch, dass man ein Implantat zu früh belastet, dass die Wunde wieder aufreißt, es blutet und Keime eindringen.
Was ist bei Implantaten das haltbarste, verträglichste Material?
Seit über 30 Jahren wird Titan in die Mundhöhle gesetzt und akzeptiert. Eine Titan-Allergie gibt es erwiesenermaßen nicht, aber bei einigen wenigen Patienten kann eine Unverträglichkeit dazu führen, dass das Implantat verspätet oder gar nicht einheilt. Seit etwa 10 Jahren sind Keramik-Implantate im Kommen. Sie sind im Einkauf etwa 10 Prozent teurer und, anders als für das Titan, gibt es zu deren Einsatz im Mund bislang kaum Langzeitdaten.
Zahlen und Fakten
Ein Prozent der erwachsenen Deutschen hat ein kariesfreies Gebiss ohne Zahnfüllungen. Zahnfleischentzündung ist der häufigste Grund für Zahnausfall jenseits der 35.
Krankenkassen zahlen einen Festzuschuss zum Füllen einer Zahnlücke, unabhängig davon, wie der Zahn ersetzt wird.
In über 1,3 Millionen Fällen pro Jahr entscheiden sich Patienten hierzulande für Schrauben, künstliche Zahnwurzeln, die Brücken oder Kronen tragen, sog. Implantate.
Zu dieser kostspieligsten Lösung gibt es unzählige Fragen. Die Universitätszahnklinik Düsseldorf erforscht optimale Techniken, zum Nutzen aller Patienten und Anbieter.
In der Prothetik-Abteilung der Uni Düsseldorf testen wir solche Implantate. Wir schauen, ob es insbesondere bezüglich Ästhetik und Bakterienanheftung nicht sogar besser abschneidet als das „normale“ Titan-Implantat. Keramik hat die höchste Bio-Kompatibilität, dadurch siedeln sich weniger Bakterien an. Der Hauptvorteil liegt aus meiner Sicht auch in der Ästhetik: Wenn sich über die Jahre das Zahnfleisch zurückzieht, schimmert Metall dunkel durch. Die künstliche Zahnwurzel aus Keramik bleibt weiß.
Wie erkenne ich einen guten Implantologen?
Rein rechtlich darf jeder Zahnarzt Implantate setzen, der es sich zutraut. Gut ist, nachzuhaken, wie oft er diese Art Eingriff macht und es lohnt immer, sich im Freundes- und Bekanntenkreis nach positiven Erfahrungen umzuhören. Ein Anhaltspunkt ist auch die Zertifizierung durch bestimmte Fachgesellschaften, z.B. die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI).
Was ist ein seriöser Kostenrahmen?
Wir sprechen bei Implantaten von Materialien, die ein Leben lang im Körper bleiben sollen, und diese müssen deshalb hochwertig sein. Das allein verursacht hohe Kosten. Es gibt zwar Tausende von Anbietern, aber nur renommierte Firmen können gewährleisten, dass es jederzeit Ersatz-Bauteile gibt. Mit circa 2500 Euro pro Implantat einschließlich Krone sollte man deshalb als Eigenanteil rechnen. Aber: Nach wie vor ist nichts so gut wie der eigene Zahn. Deshalb lohnt sich auch nach wie vor z.B. eine Wurzelkanalbehandlung. Gut gemacht, führt das zu sehr hohen Erfolgsquoten.
Wie halte ich meine Zähne, die natürlichen wie die festen Dritten, gesund?
Die Mundhygiene ist der entscheidende Faktor. Eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung beim Zahnarzt hat den zusätzlichen Nutzen, dass man umfassend beraten wird. Dass man investiert hat, gibt einen Motivationsschub, auch die häusliche Mundhygiene ernst zu nehmen. Denn gerade sie kann im Bereich der Zähne sehr viel Geld sparen.
Patient berichtet: „Ich hatte noch nie so ein tolles Lächeln“
Er hat Power, er schreit vor Glück. Das verdankt Stefan Polle (51), mehrfacher Weltmeister im Drachenboot, Mitglied der deutschen Nationalmannschaft – seinem Zahnarzt. „Ich bin ein Beißer“, lacht der agile Patient. „Ich beiße immer sehr fest zu, schon als Kind, da hatte ich aber große Angst vorm Zahnarzt, weil ich keine guten Zähne hatte.“
Auf dem Land, vor 40 Jahren, hieß das für ihn Schmerz, Panik, Tränen. Polle verweigerte jahrelang jegliche Behandlung. Folge: viel Karies, früher Zahnverlust. Lücken im Gebiss, Kronen, Wurzelbehandlungen, Prothesen.
„1997, in der Unizahnklinik Düsseldorf, habe ich die Angst vor dem Zahnarzt verloren“, erzählt der gelernte Kaufmann. Er stellte sich zur Verfügung für Studentenkurse, wo angehende Zahnärzte praktisch üben. Zuletzt hatte Polle nur noch zwei eigene Zähne im Oberkiefer, unten fünf kaputte Schneidezähne.
Dankbar ist er dem Oberarzt, der sich mit der – kostspieligen – Idee durchsetzt, ihn mit Implantaten zu versorgen. „Die Zähne haben 20.000 Euro gekostet, aber sie sind es wert!“ betont Polle. Durch eine Zusatzversicherung zahlt er nur 20 Prozent zu.
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Am Anfang der Mammut-Behandlung, die sich über ein Jahr hinzog, stand das große Aufräumen. „Sie haben hauchdünne Stifte in die Restzähne gesetzt und zwei Zähne gezogen“, erinnert sich Polle.“ Sein poröser Kieferknochen musste neu aufgebaut werden, er war zu brüchig durch Zahnlosigkeit und schlecht sitzende Prothesen. Nach sechs Monaten werden drei Implantate in der verheilten Substanz versenkt.
Wieder ein halbes Jahr warten. Dann wird der Zahnersatz eingesetzt. Für den Düsseldorfer war das ein glücklicher Moment. „Ich guckte in den Spiegel, was ist das? Ich konnte es nicht fassen! Ich bin nach Hause gefahren und habe erstmal in einen Apfel gebissen. Ich spürte zum ersten Mal, wie die Zähne mahlen können, vorher wackelte und schaukelte immer alles“, jubelt er. „Ich hatte noch nie so ein Lächeln wie jetzt.“ Und er witzelt: „An mir konnten die Studenten viel lernen. “