Die Lebenszufriedenheit ist in Deutschland unterschiedlich verteilt. Das zeigt der neue „BiB.Monitor Wohlbefinden“. Oft wird Zufriedenheit mit Glück gleichgestellt – doch es gibt einen Unterschied zwischen den beiden Wörtern.
Glück oder Zufriedenheit?Wonach wir im Leben wirklich streben sollten
Sind Sie glücklich? Eine Frage, die sich von den meisten Menschen nicht zwischen Tür und Angel beantworten lässt. Und doch bezeichnen sich einer Umfrage zufolge rund 60 Prozent der Deutschen als sehr oder eher glücklich. Aber sind diese Menschen auch zufrieden?
Mit genau dieser Frage beschäftigt sich die Forschung – aber nicht so, wie man vielleicht denkt. „Die Glücksforschung untersucht im Großen und Ganzen, was Lebensqualität ausmacht“, erklärt Karlheinz Ruckriegel, Glücksforscher und Volkswirt an der Technischen Hochschule Nürnberg.
Es hört sich kompliziert an, macht aber durchaus Sinn: In der Glücksforschung wird gemessen, wie das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Alltagsdurchschnitt ist – was wiederum die Lebenszufriedenheit der Menschen darstellt.
Jüngst hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung die Lebenszufriedenheit der Deutschen untersucht. Das Ergebnis: Die Lebenszufriedenheit der 18- bis 49-Jährigen ist laut der Studie in Süddeutschland mit durchschnittlich 7,0 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10 etwas stärker ausgeprägt als im Norden, Westen und Osten der Republik mit jeweils 6,9 Punkten. Die Anteile der „wenig Zufriedenen“ fallen mit je 33 Prozent im Norden und Osten Deutschlands am höchsten aus, während ihr Anteil im Süden mit 29 Prozent am niedrigsten ist.
Wichtig dabei zu wissen: Glück und (Lebens-)Zufriedenheit sind nicht dasselbe. Und selbst das Wort „Glück“ hat nicht für jeden die gleiche Bedeutung. Das kann für Verwirrung sorgen. „Das Wort Glück ist im Deutschen irritierend, weil grundverschiedene Sachen damit gemeint sein können“, sagt Ruckriegel.
Welche Arten von Glück gibt es?
„Man kann Glück in drei verschiedene Arten unterscheiden“, erklärt Tobias Esch, Allgemeinmediziner, Gesundheitsforscher und Neurowissenschaftler. Die erste Art von Glück komme demnach von außen und zeige sich durch etwas, was man haben wolle – „also zum Beispiel durch Lust, Vorfreude oder Ekstase“. Diese Sorte von Glück sei vor allem im ersten Lebensdrittel zu sehen.
Ein klassisches Beispiel hierfür ist etwa ein Teenager, der sich darauf freut, ein Smartphone zu bekommen. „Wenn die Vorfreude sich dann erfüllt und man das Gewünschte bekommt, fühlt sich das Glück besonders stark an, denn es werden entsprechend wirkende Belohnungsbotenstoffe im Gehirn ausgeschüttet“, so Esch. Kennzeichnend für diese Sorte von Glück: Es ist zwar stark – aber es hält nicht lange an.
„Die zweite Sorte von Glück nennt sich auch das Erleichterungsglück“, erklärt der Mediziner weiter. Davon rede man, wenn eine schwierige Situation oder etwas, was man nicht haben wolle, eine Pause einlegt. Das können demnach etwa Stress am Arbeitsplatz oder finanzielle Sorgen sein, die für eine gewisse Zeit aufhören – was sich dann eben erleichternd anfühlt. „Dieses Glück findet sich vor allem in der mittleren Lebensphase“, sagt Esch.
„Die dritte Sorte von Glück nennt sich Zufriedenheit oder Glückseligkeit – dabei fühlen wir einen inneren Frieden“, erklärt Esch. Diese Zufriedenheit empfinden wir demnach, wenn wir weder etwas von außen haben wollen, noch von etwas Unangenehmem wegwollen. „Wir fühlen uns, als wären wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, erklärt der Mediziner.
Dieses Glück sei eher etwas Inneres und habe die Tendenz, zu verweilen. „Dieses Glück sehen wir meist eher in der zweiten Lebenshälfte“, so Esch. Aber: Es ist nicht so, dass alle anderen Menschen keine Zufriedenheit empfinden. So zeigt eine Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Menschen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren insgesamt zufriedener geworden sind.
Was ist der Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit?
„Sowohl Glück als auch Zufriedenheit sind Gefühle, die im Belohnungssystem des Gehirns erzeugt werden – wenn auch an unterschiedlichen Orten und durch unterschiedliche Neurotransmitter“, erklärt Esch.
Unterscheiden lassen sich die Gefühle aber eindeutig auf eine andere Art. „Während das Glück im umgangssprachlichen Sinne eher etwas Äußeres ist, momentan, vergänglich und besonders stark, ist Zufriedenheit eher etwas Inneres, das einem Ankommen gleicht“, so der Mediziner. Das jugendliche ekstatische Glück gehe interessanterweise häufig eher mit einem Ich einher, während das Gefühl der Zufriedenheit eher ein Wir-Gefühl sei, so Esch.
Was macht also Zufriedenheit aus?
Die Zufriedenheit scheint also das zu sein, wonach wir auf Dauer wirklich streben sollten – wenn wir möchten, dass das Gefühl von innerem Frieden bleibt. Aber wie zeigt sich diese Zufriedenheit?
„Das Kennzeichen der Zufriedenheit ist das In-sich-zu-Hause-sein-können und die Verbundenheit“, sagt Esch. Die Verbundenheit zeige sich demnach einerseits darin, ob man sich dort zu Hause fühle, wo man sei und darin, ob man an etwas Größeres glaube oder etwa einen tieferen Sinn im Leben erkenne.
Verbundenheit zeige sich dem Mediziner zufolge aber auch an den Menschen, mit denen man sich umgebe. „Das können Kinder, Eltern, Lehrer, Vorbilder, Partnerinnen oder Partner oder Freunde sein“, sagt Esch. Laut „Word Happiness Report 2024″ können soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit, Großzügigkeit und die Abwesenheit von Korruption ebenfalls für Zufriedenheit sorgen.
Wann sind wir am zufriedensten?
Auch wenn es sich nicht immer verallgemeinern lässt, es gab in den vergangenen Jahren eine Tendenz dazu, wann wir besonders zufrieden sind: „Was die Lebenszufriedenheit angeht, gab es bislang häufig einen u-förmigen Verlauf“, erklärt Ruckriegel.
Das bedeutet: Mit 20 Jahren oder Anfang 30 gebe es demnach immer relativ hohe Zufriedenheitswerte, dann gehe die Zufriedenheit in den kommenden Jahren langsam zurück, bevor sie wieder steige. Dies belegt auch eine Studie und nennt sogar ein Alter, in dem die Menschen am zufriedensten sind. Die Ergebnisse der Forschenden zeigten, dass die Menschen im Alter von 70 Jahren die höchste Zufriedenheit hatten.
Die Tendenz des u-förmigen Verlaufes habe sich Ruckriegel zufolge aber verändert. „Klima, Inflation und die weltweiten Konflikte haben dafür gesorgt, dass die Lebenszufriedenheit der Jüngeren zurückgegangen ist“, erklärt er. Der Grund dafür liege schlicht darin, dass die Jüngeren Angst um die Zukunft haben. „Das muss sich unbedingt wieder ändern“, so Ruckriegel.
Wie wichtig ist Zufriedenheit wirklich?
Das Streben nach Glück ist laut amerikanischer Unabhängigkeitserklärung sogar ein Menschenrecht. Aber wie wichtig ist es, Zufriedenheit zu erlangen? Esch zufolge so wichtig, dass er sie als vierte Dimension der Gesundheit bezeichnet.
Krankheiten werden üblicherweise in drei Dimensionen unterteilt: körperlich, psychisch und sozial. „Manchmal gibt es Patienten, die den ersten drei Dimensionen zufolge gesund sind – und trotzdem subjektiv krank und unglücklich sind“, erklärt Esch. Dies ließe sich demnach in der Vergangenheit bei Menschen mit Burn-out beobachten.
„Interessanterweise zeigte sich bei bis zu 90 Prozent der Burn-out-Patientinnen und -Patienten, dass ihnen Verbundenheit fehlte und sie keinen Sinn sahen oder sich nicht in ihrem Leben zu Hause fühlten“, erklärt der Mediziner. Das Fehlen von Zufriedenheit kann demnach also sogar krank machen. „Meiner Meinung nach sollte diese vierte Dimension in unserem Gesundheitswesen eine viel größere Rolle spielen“, fordert Esch.
Wie können wir zufriedener werden?
Zufriedenheit lässt sich nicht nur erreichen – sondern auch optimieren. Dabei lohne es sich Esch zufolge, in die Verbundenheit zu investieren und diese zu stärken. Die Menschen sollen sich demnach fragen, welchen Sinn oder welche Bedeutung das Leben für sie habe, ob sie sich dort, wo sie sind, wohlfühlen und ob sie ein soziales Netz haben.
„Wenn auffällt, dass man sich nicht zu Hause fühlt oder nicht weiß, wofür es sich lohnt zu leben oder morgens aufzustehen, sollte man unbedingt daran arbeiten und diese Dinge fördern“, so Esch. Dann könne sich auch eine Zufriedenheit einstellen.
Ruckriegel zufolge sei häufig auch das Problem, dass positive Gefühle im Alltag zu wenig beachtet werden, negative Gefühle hingegen zu viel. „Dabei helfen kann ein Dankbarkeitstagebuch, in dem man zwei- oder dreimal die Woche notiert, was positiv war“, empfiehlt der Glücksforscher. „So bekommt man eine realistischere Einschätzung davon, was wirklich positiv im Leben ist.“ Und das ist oft mehr, als man vielleicht denken mag.