Bislang galten vor allem Säuglinge als Risikogruppe. Warum sich im Herbst auch Seniorinnen und Senioren gegen RS-Viren impfen lassen sollten.
Kölner Ärzte„Eine Impfung gegen RS-Viren schützt Senioren vor einem schweren Verlauf“
Die Nase läuft, der Kopf dröhnt, in der Brust reizt ein Husten und vielleicht steigt auch die Körpertemperatur ein wenig an – wenn einen gesunden Erwachsenen das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus) ereilt, dann sagt er vielleicht die Arbeit ab und auch die abendliche Joggingrunde. Wirklich Gefährliches bahnt sich da aber nicht an. Anders sieht es bei Neugeborenen und alten Menschen aus. Aus der Erkältung kann sich in diesen Fällen eine Lungenentzündung entwickeln, dazu gesellen kann sich auch eine schlechte Sauerstoffsättigung. Im schlimmsten, seltenen Fall endet die Infektion tödlich. Mit Antibiotika behandelbar ist die Erkrankung nicht, da es sich um ein Virus handelt.
Nach der Empfehlung für die Säuglinge im Juni rät die Stiko deshalb nun auch Menschen ab dem Alter von 75 Jahren zu einer Impfung gegen den Erreger. Wer schwer vorerkrankt ist, sollte sich nach Meinung der Experten schon ab dem 60. Geburtstag im Herbst eine Spritze in der Hausarztpraxis abholen.
Deutlich erhöhtes Risiko im höheren Alter
Um ein neues Virus handelt es sich beim Auslöser dieser Atemwegsinfektion nicht, allerdings war wegen fehlender Studien lange Zeit nicht klar, wie häufig und wie schwerwiegend die Erkrankung ist, sagt Beate Müller, die an der Uniklinik Köln das Institut für Allgemeinmedizin leitet und auch als Expertin für die Stiko tätig ist.
Auswertungen von Zahlen zu Krankenhausaufenthalten und Todesfällen nach Infektion mit RSV zeigten nun, dass das Risiko ab dem 75. Lebensjahr ansteige und sich ab 80 deutlich erhöht. Die Daten des Robert Koch Instituts belegen, dass im Alter zwischen 75 und 79 Jahren im Schnitt 13,5 Menschen von 100.000 Infizierten im Krankenhaus behandelt werden mussten, bei den Über-80-Jährigen traf es schon 25,3 von 100.000.
Die Wahrscheinlichkeit nach einer Klinikeinweisung in Folge einer RSV-Infektion zu versterben, ist den Studien zu Folge bei den Über-80-Jährigen doppelt so hoch wie bei den Unter-75-Jährigen. Fast jeder Achte der Patienten in der älteren Gruppe verlässt das Krankenhaus nicht mehr lebend.
Aufenthalt auf der Intensivstation birgt Risiko der Komplikation
Insgesamt hat das RKI europaweit 19.500 Todesfälle in Europa gezählt. Wer nach vergleichbaren Zahlen zu Todesfällen nach Influenza-Infektionen sucht, tut sich schwer. Schließlich wird RSV erst seit kurzem überhaupt gemeldet, zudem stimmten Altersangaben und Untersuchungsräume nicht immer überein.
Jan Rybniker, Leiter des Schwerpunkts Klinische Infektiologie an der Uniklinik Köln, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung aber: „Die durch RSV verursachten schweren Erkrankungen mit Krankenhausaufenthalt sowie die Sterbefälle sind möglicherweise ähnlich hoch wie bei saisonaler Influenza, also der Grippe. Es gibt jedoch kaum epidemiologischen Studien, die einen ganz genauen Vergleich bei Erwachsenen erlauben.“
Und dennoch gibt es Gemeinsamkeiten – auch mit einer Corona-Infektion: „In beiden Fällen führen die Begleitumstände eines Aufenthalts auf der Intensivstation zu einem erhöhten Komplikations- und Sterberisiko. Gerade wenn der Patient künstlich beatmet werden muss, ist das keine Kleinigkeit und sehr belastend, vor allem für den Organismus von älteren Patienten“, sagt Rybniker.
Betroffen sind allerdings nicht ausschließlich Seniorinnen und Senioren, die den 75. Geburtstag schon hinter sich haben. „Auch bei Menschen ab 60 Jahren, die beispielsweise an einer Krebs- oder schweren Atemwegserkrankung leiden, kann eine Infektion einen Klinikaufenthalt erforderlich machen“, sagt Müller im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Andere Risikofaktoren, die schon für eine Impfung ab dem 60. Geburtstag sprechen sind nach Aussage von Beate Müller eine Herzerkrankung wie ein Infarkt oder eine schwere Herzinsuffizienz, eine Nierenerkrankung mit Dialyse, schwerer Diabetes mit Folgeerkrankungen oder eine COPD. Auch dieser Gruppe empfiehlt die Stiko eine Impfung.
Krebspatienten sollten Impfnotwendigkeit mit Onkologen besprechen
Nicht in der Empfehlung erwähnt werden Vorerkrankte unter 60 Jahren. Laut Rybniker gibt es hier auch keine Studien, die eine Empfehlung untermauern könnten. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie hat sich allerdings für eine RSV-Impfung für Patienten ab dem 18. Lebensjahr ausgesprochen, wenn deren Immunsystem durch eine starke Chemotherapie oder durch die Krebserkrankung selbst geschwächt ist. Rybniker sagt dazu: „Das bedeutet aber nicht, dass jeder Krebspatient ab 18 eine Impfung bekommen sollte. Auch eine Kostenübernahme ist hier nicht geklärt.“ Krebspatienten sollten die Notwendigkeit zur Impfung rasch mit ihrem behandelnden Onkologen besprechen.
Der richtige Zeitpunkt für die Spritze sei knapp vor Beginn der Saison, also im frühen Herbst. „Die Antikörperproduktion ist kurz nach der Impfung einfach am höchsten“, sagt Müller. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der dafür zuständig ist zu entscheiden, welche medizinischen Angebote auch Kassenleistung werden, hat sein Go Anfang September bereits gegeben.
Damit der Impfstoff, der für Privatpatienten etwa 200 Euro kostet, dann auch auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen gespritzt werden kann, muss die neue Richtlinie laut G-BA aber noch vom Bundesgesundheitsministeriums geprüft werden. Eine Formsache. Experten schätzen dennoch, dies könnte noch bis in den Oktober dauern.
Dann sollten Betroffene nach Meinung von Müller aber baldmöglichst einen Termin mit ihrem Hausarzt ausmachen, dies gilt insbesondere auch für die Impfungen gegen Covid-19 und Influenza. Bislang geht man davon aus, dass eine einmalige Immunisierung ausreicht, um schwere Folgen auszuschließen.
Wichtig zu wissen: „Die Impfung macht nicht komplett immun. Erkranken kann man trotzdem“, sagt Müller. „Sie schützt den Daten zu Folge aber relativ zuverlässig vor einem schweren Verlauf.“ Auch Seniorinnen und Senioren sollten dann mit ein bisschen Schnupfen und Hustenreiz davonkommen.