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Malmö, die Brücke und Wallander-KrimisSüdschweden, die Heimat von Mord und Totschlag

Lesezeit 8 Minuten

Die Öresundbrücke verbindet Dänemark und Schweden.

Malmö – Eine Frauenleiche, auf Höhe der Taille zerteilt. Eigentlich sind es zwei Tote, der Oberkörper stammt von einer Politikerin aus Malmö, der Unterleib von einer Prostituierten aus Kopenhagen. Dieser gruselige Fund, platziert mitten auf der Öresundbrücke, genau auf der Grenze zwischen Dänemark und Schweden, machte die Serie "Die Brücke" 2011 zum Gesprächsthema. Die Serie war auch in Deutschland ein großer Erfolg und die Fans warten sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Zurzeit läuft in Schweden und Dänemark jeden Sonntag die dritte Staffel, im Frühjahr 2016 wird es auch bei uns so weit sein.

Skåne, deutsch Schonen, ist die südlichste Provinz Schwedens. Bis ins 17. Jahrhundert gehörte die Region zu Dänemark. Auch heute sind die Verbindungen zu dem skandinavischen Nachbarn noch eng. Das zeigt sich auch an dem Dialekt, der in der Gegend gesprochen wird. Skånska weist viele Parallelen zum Dänischen auf und weicht teilweise stark vom Schwedischen ab.

Wichtige Städte sind Malmö (Provinzhauptstadt), Helsingborg, Kristianstad, Lund, Trelleborg und Ystad. In der Region leben rund 1,2 Millionen Menschen. Durch die im Jahr 2000 eröffnete Öresundbrücke ist Skåne zudem eng mit der dänischen Hauptstadt Kopenhagen verbunden.

"Die Brücke" ist eine Krimiserie, die vom schwedischen und dänischen Fernsehen koproduziert wurde. Auch das ZDF, das die Serie in Deutschland zeigt, war an der Entstehung beteiligt. Die erste Staffel lief in den beiden Ländern im Jahr 2011 und war ein großer Erfolg, sie wurde in 120 Länder verkauft. 2013 lief die zweite Staffel, zurzeit ist in Schweden und Dänemark die dritte zu sehen. Im Frühjahr 2016 wird sie auch in Deutschland ausgestrahlt. Es hat bereits zwei Remakes gegeben. "The Tunnel" nimmt Bezug auf den Eurotunnel und behandelt einen englisch-französischen Fall. "The Bridge" mit Diane Kruger in der Hauptrolle spielt in der amerikanisch-mexikanischen Grenzregion.

Kurt Wallander ist die berühmteste Figur des am Montag verstorbenen Schriftstellers Henning Mankell. Elf Bücher widmete der Schwede seinem introvertierten, oft grantigen Ermittler. 1991 erschien der erste Fall, "Mörder ohne Gesicht", 2009 schloss er die Reihe mit "Der Feind im Schatten" ab. Über Kurt Wallander, "Die Brücke" und andere Filmprojekte können Sie sich hier informieren: www.film.skane.org; www.wallander.ystad.se

Der Krimi beleuchtet jedoch nicht nur in düsteren Bildern und Farben die Schattenseiten unserer Gesellschaft, sondern hat neben dem Ermittlerpaar Saga Norén und Martin Rohde eine weitere Hauptdarstellerin berühmt gemacht, nach der die Reihe sogar benannt ist: Die Öresundbrücke. Im Jahr 2000 eröffnet, verbindet sie Kopenhagen mit Malmö und hat eine Region zusammengeführt, in der rund 3,7 Millionen Einwohner leben. Wo man früher mühsam mit der Fähre fahren musste, sind es heute nur 35 Minuten mit dem Zug von einer Stadt in die andere. Seit ihrer Eröffnung haben sie schon rund 70 Millionen Fahrzeuge passiert. Der Betreiber, das Oresundsbro Konsortiet, lobt sie als die sicherste Brücke der Welt. Es hat seit Eröffnung noch keinen tödlichen Unfall gegeben - außer in der Serie, auf die alle stolz sind, die hier arbeiten.

Schnell wachsende Region

Besonders Malmö hat die Brücke sehr verändert, erzählt Stadtführerin Eva Roos Davidsson. Wie viele Orte am Meer war auch Schwedens drittgrößte Stadt lange Zeit vom Schiffsbau geprägt. Doch in den 80er Jahren kam die große Krise, die Produktionskosten im teuren Schweden waren schlicht zu hoch. Werften mussten geschlossen werden, 25 000 Menschen wurden innerhalb von drei Jahren arbeitslos. Die Stadt musste sich neu erfinden. Und es gelang ihr, wie Eva stolz erzählt. Malmö wurde zur "Stadt des Wissens". Die Hochschule Malmö wurde 1998 gegründet. Mit mehr als 24 000 eingeschriebenen Studenten und etwa 1600 Mitarbeitern ist sie die neuntgrößte Hochschule in Schweden. Zudem haben sich viele IT- und Biotechnologie-Firmen in der Stadt angesiedelt. Malmö ist eine weltoffene Stadt, ein Drittel der Einwohner sind Migranten, hier werden mehr als 100 Sprachen gesprochen.

Heute ist die Region unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine der am schnellsten wachsenden weltweit, erzählt Eva. Das verdanke sie auch der Öresundbrücke: "Von ihr ist Malmö auf die Landkarte gesetzt worden." Und das meint Eva gleich im doppelten Sinne. Die Brücke selbst hat die Stadt nachhaltig verändert, aber auch die Serie, die ungefähr zur Hälfte in der südschwedischen Stadt und zur Hälfte in Kopenhagen spielt. Gedreht wurden jedoch die meisten Szenen - fast 85 Prozent - in Malmö.

Malerische Kulisse

Wer durch das hübsche Städtchen schlendert, kann es sich als Kulisse für viele Filme vorstellen, aber für einen Krimi, in dem man die Leichen irgendwann kaum noch zählen kann? Zwischen Fachwerk- und Backsteinhäusern in der Altstadt ist das nur schwer denkbar. Und deshalb kommt diese Ecke, eigentlich ein Touristenmagnet, in "Die Brücke" auch nicht vor. Das war eine bewusste Entscheidung, sagt Hans Rosenfeldt, Autor von "Die Brücke": "Wir wollten nicht, dass man die Drehorte sofort zuordnen kann. Und auch die Länder sollten nicht so leicht zu unterscheiden sein. Das ist das »Brücke«-Universum, da muss man nichts erkennen."

Eigentlich also schlechte Voraussetzungen, um die Serie auch touristisch zu vermarkten. Doch Eva Roos Davidsson hat die Herausforderung angenommen und eine "Die Brücke"-Tour konzipiert. Im Reisebus laufen Szenen aus der Serie, dann folgt der Abgleich mit der Realität. Das ist spannend, denn manches sieht genauso aus wie im Fernsehen - etwa die Wohnung der schwedischen Ermittlerin Saga Norén im Viertel Västra Hamnen - anderes unterscheidet sich deutlich. So ist das schwedische Polizeipräsidium eigentlich ein Krankenhaus. Doch die Fassade gefiel den Machern der Serie so gut, dass sie ihre Überredungskünste einsetzten, um die Leitung der Klinik zu überzeugen, zumindest von außen für einige Drehtage zur Polizeizentrale zu werden. Eins fällt auf, wenn man die Drehorte abfährt: Es dominieren moderne Fassaden und kühle Farben, von schwedischer Bullerbü-Romantik fehlt jede Spur.

In Schweden gibt es eine lange Tradition sozialkritischer Krimis, schon in den 70er Jahren prägte das Autorenduo Sjöwall/Wahlöö das Genre. Ob der gerade verstorbene Henning Mankell oder Stieg Larsson, Autor der Millennium-Trilogie - geht es in Skandinavien um Mord und Totschlag, ist meist auch eine Botschaft damit verknüpft, eine Kritik an den Strukturen der Gesellschaft.

Heimat von Mord und Totschlag

Dieser Tradition sind die "Brücke"-Macher treu geblieben, sie wissen, was sie ihren Vorgängern zu verdanken haben. "Serien wie »Kommissarin Lund« oder Krimis wie die von Stieg Larsson waren sehr erfolgreich. Seitdem sind alle Augen auf Skandinavien gerichtet. Wir kamen einfach zur rechten Zeit", sagt Hans Rosenfeldt über den Erfolg seiner Serie. "Skandinavische Serien sind modern, sie haben immer etwas mit dem Leben der Menschen zu tun. Klar könnten wir auch was mit Vampiren machen, aber warum sollten wir?"

"Die Brücke" hat den Ruf Südschwedens als Heimat von Mord und Totschlag in Literatur und Film gefestigt, den Anfang machte jedoch ein anderer Ermittler. Kurt Wallander, jetzt durch den Tod seines Erfinders Henning Mankell wieder sehr präsent.Kaum jemand hat das Bild Schwedens - abgesehen von Astrid Lindgren - so geprägt wie der Kommissar aus Ystad. Rund 60 Kilometer liegt die Stadt von Malmö entfernt, sie ist eine der wichtigsten Säulen der südschwedischen Filmindustrie. "Ystad - Lovely town for a murder" steht auf Artikeln der Touristeninformation. Und diese Aussage ist nicht übertrieben: Die idyllische Stadt hat - gemessen an der Einwohnerzahl - die höchste Mordrate der Welt. Zumindest wenn es um fiktive Morde geht. 110 Tote pro 100.000 Einwohner hat das Küstenstädtchen zu verkraften. Und freut sich auch noch drüber.

Wallanders Wohnort in Ystad

Alles begann in den 90er Jahren, als plötzlich immer mehr Besucher von außerhalb nach der Adresse Mariagatan Nummer 10 fragten, erinnert sich Vivianne Jeppsson von der Touristeninformation. Man war verblüfft. Schließlich ist an dieser Straße nichts außergewöhnlich. Doch dann begriffen sie, woher das Interesse kam. Der introvertierte Kurt Wallander wohnt in der Mariagatan 10, es waren seine Fans, die nach Skåne kamen. "Wir haben das am Anfang unterschätzt. Aber ich kann verstehen, dass die Leute alle Orte anschauen wollen." Mittlerweile ist man auf Wallander-Fans natürlich bestens vorbereitet. Es gibt Karten mit Orten aus den Krimis und natürlich gibt es auch Führungen. Der Kommissar hat auch ein knappes Vierteljahrhundert nach Erscheinen des ersten Buches nichts von seiner Faszination verloren, und das, obwohl es nicht mal Fanartikel zu kaufen gibt. Wallander auf Kaffeetassen, dagegen hat sich Henning Mankell immer gewehrt.

Filmcrews sind an der Tagesordnung

Doch nicht nur Touristen kommen nach Ystad. Auch Filmemacher zieht es in die Stadt. Alleine die Wallander-Krimis sind mehr als 50 Mal verfilmt worden - zwei Schweden (Rolf Lassgård und Krister Henriksson) und der englische Schauspieler und Regisseur Kenneth Branagh haben ihn verkörpert. Die Politik hat diesen Anschub genutzt, inzwischen gibt es in Ystad die größten Studios in Skandinavien, auch viele Innenaufnahmen der "Brücke" wurden hier gedreht.

Zwischen 2004 und 2014 wurden in der Stadt und der Umgebung mehr als 90 Filme produziert, darunter auch zahlreiche internationale. Jede investierte Krone bringt der Region ungefähr das Vierfache zurück. Wie viele Touristen die Stadt wegen Mankells Kommissar und anderen Filmen besuchen, lässt sich nicht sagen, aber 60 Prozent der Anfragen im Tourismusbüro hängen damit zusammen. Und während die Branche 2003 noch 48 Millionen Euro in der Region umsetzte, waren es 2012 schon mehr als 86 Millionen.

Ystad ist der Sprung vom Fischerdörfchen zur Filmstadt gelungen. Doch auf den bisherigen Erfolgen ruht man sich hier nicht aus. Mittlerweile ist man sogar im fernen Indien auf die Region aufmerksam geworden. Drei Bollywood-Produktionen entstanden bisher in der Gegend. Und wer den Spagat zwischen düsteren Krimis und der bonbonbunten Welt der Musik- und Tanzfilme schafft, der muss auch vor der Zukunft keine Angst haben.