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Urlaub mit AbstandWie fühlt es sich an, Test-Tourist auf Mallorca zu sein?

Lesezeit 5 Minuten

Vorbereitung auf die Urlauber: Männer mit Mundschutz stellen Sonnenschirme am Strand Alcudia auf.

  1. Eigentlich sind die spanischen Grenzen für internationale Reisende noch bis zum 21. Juni geschlossen.
  2. Doch auf Mallorca dürfen jetzt einige Hundert Touristen Testurlaub machen. Sie sollen herausfinden, wie Urlaub in Zeiten einer Pandemie wirklich funktionieren kann.
  3. Wie fühlt sich so ein Urlaub an? Eine Reportage.

Palma – Andrea und Dietmar Bumbullis haben ganz offensichtlich gefunden, wonach sie gesucht hatten: gutes Wetter, einen einsamen Strand und Ruhe.

Das Ehepaar aus Olfen im Münsterland sitzt auf der Terrasse eines Lokals, nur ein paar Schritte vom Meer entfernt und lässt es sich gut gehen. „Es hat ein bisschen was von Urlaub in den 70er Jahren“, sagt Dietmar Bumbullis, während er in die Sonne blinzelt. Gefunden haben die beiden diese Entspannung ausgerechnet an der Playa de Palma. Dem Ballermann.

Wäre alles wie immer, neben den Bumbullis würden jetzt tausende andere Deutsche ihren Sommerurlaub hier verbringen. Am Strand wäre kaum ein freier Fleck zu finden. Aus den Bierlokalen dröhnten die Schlager schon am Morgen. Mallorcas Partyzentrum hätte zu dieser Jahreszeit bereits Hochsaison. Und die steht erfahrungsgemäß eher unter dem Motto der Ekstase denn Entspannung.

Aber auf Mallorca ist im Moment eben nichts wie immer. Das Coronavirus hat in den vergangenen Monaten die Insel gelähmt. Auch heute herrscht auf der Promenade eine Stille, wie man sie hier sonst nur im tiefsten Winter erlebt. „Einfach wunderbar“, sagt Andrea Bumbullis.

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Er und seine Frau gehören zu den ersten 400 Urlaubern, die am Montag im Rahmen des Pilotprojektes der Balearen-Regierung, des lokalen Hotelverbandes und des Reiseveranstalters TUI in Fliegern aus Düsseldorf und Frankfurt angekommen sind. Eigentlich sind die spanischen Grenzen für internationale Reisende noch bis zum 21. Juni geschlossen. Die Bumbullis sind zwei von geplanten 10000 Versuchsurlaubern aus Deutschland in einem Testlauf vor dem verzögerten Saisonstart. Sie sollen herausfinden, wie das klappen kann: Ferien auf Abstand.

Schon am Flughafen musste jeder von ihnen ein Formular mit Fragen zu seinem Gesundheitszustand ausfüllen und sich für einen Fiebertest vor einer Wärmebildkamera aufstellen.

Angekommen im Hotel gelten auch dort strenge Hygieneregeln. Auf dem Boden kleben Pfeile, die anzeigen, wo die Gäste langzugehen haben. Wer sich nicht daran hält, wird freundlich aber bestimmt zurechtgewiesen. Alle paar Meter sind Spender mit Desinfektionsmittel aufgestellt worden, die Mitarbeiter der Rezeption verschanzen sich hinter Plexiglasscheiben. In den Zimmern gibt es keine Zeitschriften mehr, dafür wird ständig und überall geputzt.

„Die ersten Tage war es schon etwas ungewohnt“, sagt Andrea Bumbullis. Am Eingang zum Speisesaal des Hotels etwa müssten sie sich nicht nur Handschuhe überziehen, sondern diese danach auch noch mit Desinfektionsmittel einreiben. „Aber letztendlich ist das alles überhaupt kein Problem. Man gewöhnt sich da schnell dran.“ Auch andere Urlauber finden die Hygieneregeln kaum lästig. Wirklich Angst vor einer Corona-Infektion scheint hier sowieso niemand zu haben. Heike Hahn aus Düsseldorf etwa macht sich keinerlei Sorgen.

Die Bumbullis reisten am Montag aus Düsseldorf an.

„Ich bin da ganz entspannt“, sagt sie. Das Risiko sei auf Mallorca sicher nicht größer als anderswo. Eigentlich hatte sie eine Reise nach Formentera gebucht, die aber wurde abgesagt. Im Reisebüro bot man ihr dann Mallorca als Alternative an. Auch Olga Soethe aus Paderborn ist vollkommen unbesorgt. „Ich wäre auch schon viel früher gereist, wenn es möglich gewesen wäre.“ Georg und Diana Käsbach aus Lindlar wiederum sind einfach nur froh, jetzt endlich wieder auf die Insel zu dürfen: „Wir waren sehr traurig, dass wir solange nicht kommen konnten.“

Dass es jetzt, nach drei Monaten Alarmzustand in Spanien, endlich wieder aufwärts geht, hofft Michael Bohrmann. Der gebürtige Düsseldorfer betreibt an der Playa de Palma seit 16 Jahren das „Deutsche Eck“. Hier gibt es Königsberger Klopse, Mettbrötchen und Schnitzel. Als einer der ersten Wirte in der Gegend hat er sein Lokal vor ein paar Wochen wieder geöffnet. Einige der Tische sind mit rotweißem Flatterband umwickelt – wegen der Abstandsregeln soll dort niemand sitzen. Verboten sind zudem Gruppen mit mehr als 15 Personen. Alle Kellner tragen bei der Arbeit Atemschutzmasken.

„Ich hoffe, dass es hier ab 1. Juli wieder halbwegs normal läuft“, sagt Bohrmann. Wann an der Playa de Palma und in den anderen Urlaubsorten der Insel aber wirklich wieder der übliche Rummel herrschen wird, kann derzeit niemand mit Gewissheit sagen. Die Zentralregierung in Madrid erlässt praktisch täglich neue Verordnungen und Vorschriften. „Ein ziemliches Durcheinander“, sagt Bohrmann. „Und stell’ dir vor, wir haben auf Mallorca nächsten Monat wieder 1000 Corona-Fälle. Dann ist hier wieder alles dicht.“

Viele der Wirte an der Playa de Palma fürchten anscheinend genau dieses Szenario – und warten deshalb lieber noch ein wenig mit der Öffnung. Das „Et Dömsche“ gleich nebenan zum Beispiel ist noch verrammelt. Vor dem Eingang häuft sich der Sand, den der Wind in den vergangenen Monaten hierher geweht hat. Auch in der Fußballkneipe „4711“ und den großen Partylokalen, in denen normalerweise tausende Urlauber dicht gedrängt von morgens bis abends feiern, hat die Saison noch nicht begonnen. In der verwaisten „Schinkenstraße“, direkt vor dem „Bierkönig“, kicken drei Kinder einen orangefarbenen Ball hin und her. Für die kommenden Wochen bleibt das wohl ein Platz, an dem sie ungestört spielen können: Die Regionalregierung hat entschieden, dass Discos und Clubs nach wie vor geschlossen bleiben.

Modell Mallorca

An diesem Sonntag öffnet sich Spanien wieder in Gänze für den Massentourismus aus den Ländern des Schengenraumes. Die auf Mallorca getesteten Sicherheitsmaßnahmen sollen dann im ganzen Land zum Einsatz kommen. Mit mehr als 27.000 Toten gehört Spanien zu den in Europa am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern. Auf den Balearischen Inseln starben 209 Menschen an der von dem Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. (dpa)

Auch die meisten Hotels und Einkaufsläden haben noch zu. Am Strand ist so wenig los, dass sich die wenigen Badegäste garantiert nicht zu nahe kommen. Bisher musste die Polizei noch nicht eingreifen und den Zugang kontrollieren. Wenn wieder mehr Touristen auf die Insel kommen, könnte das nötig werden.

Den Bumbullis macht die beschauliche Stimmung nichts aus – im Gegenteil. Sie sind nicht zum Partymachen hier. „Wir hätten unter normalen Umständen nie einen Urlaub am Ballermann gebucht“, sagen sie. Sonst reisen sie eher in ruhigere Orte auf der Insel. Dieses Mal aber waren sie neugierig, eine Partyhochburg ohne Party kennenzulernen. Es scheint ihnen zu gefallen.