Bei ihren Protesten greifen die Bauern zu verschiedenen Aktionen. Jurist Christian Solmecke erklärt, wann sie sich dabei strafbar machen.
Fragen & Antworten zum Bauern-ProtestDürfen Traktoren auf die Autobahn? Und Autofahrer Blockaden umfahren?
Seit dem frühen Montagmorgen, 8. Januar, finden in ganz Deutschland Proteste von Bauern statt. Traktorenkorsos verstopfen Straßen, Autobahnausfahrten werden blockiert und Misthaufen auf Fahrbahnen abgeladen. Die Aktionen richten sich gegen die Streichung zweier Agrarsubventionen. Viele Bauern sehen sich durch den Wegfall dieser staatlichen Zahlungen in ihrer Existenz bedroht.
Doch nicht nur bei ihnen sind die Gemüter erhitzt, sondern auch bei denen, die die Protestaktionen zu spüren bekommen: Menschen, die wegen blockierten Straßen nicht zur Arbeit kommen. Eltern, die die Kinder nicht zur Kita bringen können. Lieferanten, die ihr Ziel nicht erreichen.
Wie aber sind die Aktionen der Bauern aus juristischer Perspektive einzuschätzen? Machen sich die Teilnehmer der Proteste strafbar? Welche Strafen drohen ihnen dann? Und dürfen sich diejenigen, die von den Verkehrsbehinderungen betroffen sind, dagegen wehren? Diese Fragen haben wir dem Kölner Juristen Christian Solmecke von der Kanzlei WBS gestellt.
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Welche Strafen drohen bei unangemeldeten Demonstrationen?
Grundsätzlich gelte in Deutschland das Recht auf Versammlungsfreiheit – auch ohne Anmeldung oder Erlaubnis. Allerdings schreibe das Versammlungsgesetz für öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel eine Anmeldepflicht vor. Die Versammlung müsse 48 Stunden vor ihrer öffentlichen Bekanntgabe der zuständigen Behörde gemeldet werden. „Wer als Leiter oder Veranstalter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstaltet, ohne diese anzumelden, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe“, so Solmecke.
Dürfen Protestierende Traktoren- oder Autokorsos bilden?
Grundsätzlich seien Autokorsos nicht erlaubt. Denn nach der Straßenverkehrsordnung ist nicht notwendiges Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaften genauso verboten ist wie unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigung bei der Benutzung von Fahrzeugen. Auf dieser Gesetzesgrundlage seien Polizisten dazu berechtigt, Autokorsos zu verbieten oder aufzulösen und ein Bußgeld zu verhängen.
Dürfen Bauern mit ihren Traktoren auf Autobahnen fahren?
„Autobahnen dürfen nur von Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt“, erklärt Solmecke. Traktoren seien demnach im Normalfall auf deutschen Autobahnen nicht erlaubt. Wer sie dennoch benutzt, dem drohe ein Bußgeld bis zu 290 Euro. Eine Ausnahme stellten angemeldete Demonstrationen dar. Hier sei es je nach Auflagen erlaubt, dass Traktoren auch auf Autobahnen unterwegs sind.
Was kommt auf Bauern zu, die Verkehrswege blockieren?
Wie auch schon bei den Straßenblockaden der „Letzten Generation“ kommt laut Solmecke hier eine Strafbarkeit wegen Nötigung in Betracht. Das hänge allerdings stark davon ab, wie die Behörden im jeweiligen Einzelfall die Blockade und ihre Umstände einschätzen. Sie könne dann als rechtswidrig oder als verwerflich gewertet werden: „Den Blockierern droht im Falle einer Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.“
Dürfen Bürger bei der Umfahrung von Blockaden die Straße verlassen?
Grundsätzlich nein, sagt Solmecke: „Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen. Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn.“ Das bedeute, dass Autofahrer, die Begrenzung der Straße nicht verlassen dürfen. Wer mit dem Auto eine Blockade umfahre, müsse sich mindestens auf ein Bußgeld gefasst machen. In der Regel handele es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit: „Die Höhe des Bußgelds hängt davon ab, ob der Verkehrsteilnehmer den Weg dadurch nur behindert oder sogar eine Gefahr dargestellt hat.“
Dürfen Bürger selbst dafür sorgen, dass Blockaden beendet werden?
Bei den Aktionen der Letzten Generation kam es zu zahlreichen solcher Übergriffe oder Übergriffversuchen. Diese seien grundsätzlich nicht erlaubt. In den meisten Fällen gehe es dabei um Körperverletzung, außerdem um Nötigung und Beleidigung. Sogar der Entzug der Fahrerlaubnis sei möglich. Daher gilt: Immer auf die Polizei warten.
Welche Strafen drohen Bauern, die keine Rettungsgasse bilden?
Fahrern, die keine Rettungsgasse bilden, drohten laut Solmecke grundsätzlich ein Bußgeld von 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Käme es zusätzlich zu einer Behinderung des Straßenverkehrs oder einer Gefährdung, erhöhe sich das Bußgeld.
Was ist mit Bauern, die Polizeiabsperrungen durchbrechen?
Wenn Bauern zum Beispiel versuchen, mit ihren Traktoren, Absperrungen der Polizei zu überwinden, müssen sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür juristisch verantworten. Für welche Straftaten genau hänge stark von den Umständen des Einzelfalls ab, sagt Solmecke. „Demonstrierende können sich zum Beispiel wegen Landfriedensbruch, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz oder auch wegen Körperverletzung strafbar machen“, so der Jurist.
Welche Strafen drohen für das Abladen von Misthaufen?
Wer aus Protest auf öffentlichen Plätzen landwirtschaftliche Abfälle entsorgt, der muss die Reinigungskosten tragen, erklärt Solmecke: „Eine solche Reinigung kann schnell Tausende Euro betragen.“
Das gelte aber nur dann, wenn der Täter auch tatsächlich ermittelt werden kann. Das Oberlandesgericht Naumburg urteilte 2022, dass die Versammlungsleiterin einer Klima-Demonstration solche Reinigungskosten in Höhe von 9000 Euro nicht zu tragen habe. Sie könne nicht für die Handlung eines nicht feststellbaren Täters in Anspruch genommen werden.
Wer sich Straßen für das Abladen seiner Misthaufen aussucht, muss laut Solmecke mit härteren Konsequenzen rechnen. Denn dann käme eine Strafverfahren wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Betracht: „Dies kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.“
Wie wird das Bespritzen von Gebäuden mit Kuhmilch geahndet?
Vor allem bei den Protesten von Milchbauern kam es in den letzten Jahren teilweise zu Aktionen, bei denen öffentliche Gebäude mit Kuhmilch bespritzt wurden. Was erstmal vielleicht skurril klingt, kann laut Solmecke durchaus eine Sachbeschädigung darstellen. Diese könne mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.
„Eine Sachbeschädigung liegt vor, wenn das Erscheinungsbild des Gebäudes nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend geändert wird", erläutert der Jurist. Ob diese beim Bespritzen mit Kuhmilch gegeben sei, sei „schwer abzuschätzen und einzelfallabhängig“.