- Lesen lenkt ab, Lesen macht Spaß, gemeinsames Lesen schweißt die Familie zusammen. Doch lesen wir besser digital oder analog?
- In unserer Serie Nachhaltigkeit-Check beleuchten wir Produkte mit ähnlicher Funktion und klären, welches davon besser für uns und unseren Planeten ist.
- In dieser Folge beantworten wir die Frage, welche Variante des Buchlesens eigentlich die ökologisch wertvollere ist: das klassische Buch aus Papier oder ein eBook?
Köln – Die Trennung ist mir schwer gefallen. Ich habe meine Bücher geliebt, die vollen Regale, den Stapel kürzlich gelesener Exemplare neben dem Bett, die kurzweilige Lektüre auf der Toilette, ja selbst die zähen Fehlkäufe tief vergraben in uralten Umzugkartons. Und doch bin ich vor einigen Jahren umgestiegen. Große Auswahl bei kleinem Gewicht und wenig Platzverbrauch – das war für mich ausschlaggebend. Nur Kinderbücher lesen wir noch analog. Großformatig und bunt, da ist das digitale Angebot bislang suboptimal. Und gemeinsames durchs Buch blättern ist an Gemütlichkeit schwer zu überbieten.
Bei meiner Entscheidung stand die Praktikabilität im Vordergrund. Aber wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Ich muss meinen Kindern erklären, warum wir unser altes Diesel-Auto weggegeben haben, auf Nutella und andere Produkte mit Palmöl möglichst verzichten und was es mit den „Fridays for Future“ auf sich hat. Und ich frage mich, welche Variante des Buchlesens ist eigentlich die ökologisch wertvollere?
Das eBook
Einmal kaufen, lange lesen. Das klingt sehr nachhaltig. Allerdings verbraucht ein eBook in der Herstellung eine Menge Ressourcen. So werden etwa wertvolle und seltene Metalle wie Kupfer, Silber, Gold und Palladium benötigt. Der Abbau dieser Rohstoffe hat oft negative ökologische Auswirkungen, etwa die Freisetzung von Schwermetallen im Boden.
„Um nur 0,024 Gramm Gold zu erhalten, entstehen 100 Kilo Sondermüll und Abraum“, heißt es in einer Information der Verbraucherzentrale NRW. Und weiter: „Über 20 Millionen Menschen arbeiten weltweit direkt im Bergbau, davon viele als kleine Schürfer ohne jeglichen Schutz. 1 bis 1,5 Millionen von ihnen sind Kinder.“
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Viele eBook-Reader werden zudem in Asien produziert. Auch hier sind die Arbeitsbedingungen oft fragwürdig und die Geräte müssen weite Versandwege zurück legen, bevor sie bei uns über die Ladentheke gehen. Der betriebsbedingte Stromverbrauch eines eBook-Readers ist in dessen Ökobilanz noch der kleinste Posten, vor allem bei Geräten mit Bildschirmen ohne Hintergrundbeleuchtung, den so genannten E-Ink-Displays.
Problematisch wird es wieder bei der Entsorgung von eBook-Readern. Zu viele Geräte landen im Hausmüll – obwohl sie in den Elektroschrott, auf den Wertstoffhof oder ins Elektrokaufhaus (das zur Rücknahme alter Geräte bis 25 Zentimeter Kantenlänge verpflichtet ist) gehören. Denn dann besteht immerhin die Chance, dass sie in Teilen recycelt werden.
Allerdings betont Rolf Buschmann, Referent für technischen Umweltschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Da steckt so viel Zeugs drin, das ist noch nicht alles zurückholbar.“ Lange Haltbarkeit und lange Nutzung sind deshalb seine dringendsten Forderungen an Hersteller und Nutzer von eBook-Readern.
Das Buch
Auch die Herstellung von Papier ist kein Zuckerschlecken für die Natur. Das Umweltinstitut München nimmt an, dass für eine Million Kopien eines Buches mit durchschnittlich 250 Seiten über 12.000 Bäume gefällt werden müssen. Außerdem werden sehr große Mengen an Wasser und Energie verbraucht, hinzu kommen Druck und Vertrieb.
Altpapier gehört bis heute nicht zum Lieblingsmaterial vieler Verleger, ein Großteil unserer Bücher wird noch immer auf Papier aus Frischfasern gedruckt. Eine alte Gewohnheit, die längst abgelegt werden könnte. Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW sagt: „Recyclingpapier könnte man problemlos auch für den Buchdruck verwenden, die Technik ist heute so weit, dass sehr langlebiges Papier mit einem hohen Weißegrad hergestellt werden kann.“
Manche Verlage werben damit, dass das Papier für ihre Bücher „chlorfrei gebleicht“ sei, erzählt Heldt. Was durchaus gut sei – aber kein Hinweis auf Recyclingpapier und auch keine Garantie dafür, dass keine Frischfasern von Holz aus illegalem Raubbau verwendet wurden.
Gleiches gilt für Bücher aus „50 Prozent Altpapier“, denn da bleibe die Frage: Woher kommen die Frischfasern der anderen 50 Prozent? Verbraucher hätten natürlich die Möglichkeit, bei den Verlagen nachzufragen. „So kann Druck aufgebaut und vielleicht ein Umdenken erreicht werden“, sagt Heldt.
Buch- und eBook-Produktion verbrauchen also Ressourcen – aber was verbraucht weniger? Eine grobe Orientierung bietet eine viel zitierte Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts aus dem Jahr 2011. Demnach ist der eBook-Reader die nachhaltigere Variante, wenn sein Besitzer mindestens drei Jahre lang zehn Bücher pro Jahr, also insgesamt 30 Exemplare liest. „Wenn ich viel lese und alle Bücher neu haben will, ist das eBook die ökologischere Option“, sagt Philip Heldt. „Sobald ich aber gebrauchte Bücher nutze, stimmt diese Bilanz nicht mehr.“
Fazit
Wie so oft gibt es auch bei der Frage eBook oder Buch kein klares Besser oder Schlechter. Wer viele neue Bücher nutzt und diese dann über Jahre ins Bücherregal stellt, liest mit dem eBook nachhaltiger. Wer sein Gerät nach einem Jahr gegen ein neueres Modell tauscht, kann aus ökologischer Sicht auch neue Bücher lesen. Verbraucher können also guten Gewissens nach Vorliebe und Praktikabilität entscheiden – und dann bei der Nutzung verantwortungsvoll handeln:
Wer lieber digital liest, sollte seinen Reader möglichst lange in Gebrauch haben und irgendwann fachgerecht entsorgen. Wer lieber analog blättert und Papier in den Händen spüren möchte, handelt am nachhaltigsten, wenn er Bücher leiht oder gebraucht kauft und die eigenen Exemplare tauscht, verkauft, verschenkt oder verbastelt.
Das heißt für uns: Wir werden unsere Kinderbücher-Sammlung verkleinern und häufiger einen Ausflug in die Bibliothek machen – wenn das wieder erlaubt ist.