Wegen CoronaSoll ich jetzt doch lieber eine Patientenverfügung machen?
Köln – So häufig, wie wir derzeit mit Bildern von Beatmungsgeräten konfrontiert sind, scheinen manche Szenarien plötzlich nicht mehr so unwirklich. Angenommen, man wird auf der Intensivstation behandelt und kann selbst keine Entscheidungen mehr treffen: Sollen die Ärzte all ihre Möglichkeiten ausschöpfen – oder wo zieht man die Grenze? Viele Menschen haben sich 2020 mit diesen Fragen beschäftigt und eine Patientenverfügung gemacht. Aber was gibt es in diesen Zeiten zu beachten? Andere sind unsicher, ob sie etwas ändern sollten. Was zum Beispiel, wenn sie Beatmung bislang ausgeschlossen haben? Wir haben die wichtigsten Fragen gesammelt, hier lesen Sie, wozu Verbraucherschützer und Juristen raten.
Sollte ich wegen Corona lieber eine Patientenverfügung machen?
„Eine Patientenverfügung ist für jeden Menschen und in jedem Alter sinnvoll“, stellt Katja Habermann klar. Sie ist Fachanwältin im Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten NDEEX. Eine Erkrankung mit Covid-19 sei aber kein klassischer Anwendungsfall für eine Patientenverfügung. Auch dann nicht, wenn der Patient in ein künstliches Koma verlegt werden müsse, bestätigt die Zeitschrift „Finanztest“ in ihrer Dezember-Ausgabe. Die Langzeitnarkose ist Voraussetzung für eine maschinelle Beatmung, die bei schweren Verläufen eingesetzt wird. In aller Regel stimme der Patient der Beatmung selbst zu. Die Behandlung sei zudem weiterhin darauf ausgerichtet, dass der Patient wieder erwacht und entscheidungsfähig ist.
Wichtig würde die Patientenverfügung (PV) werden, wenn die Beatmung keinen Erfolg hat und der Patient wohl nicht mehr aufwacht, erklärt „Finanztest“. Die Ärzte müssten für seine Weiterbehandlung ein neues Therapieziel festlegen. „Gibt es für den Patienten aller Wahrscheinlichkeit nach keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins, können Ärzte dann auf Grundlage der Patientenverfügung über einen Therapieverzicht entscheiden“, erläutert die Medizinrechtlerin Petra Vetter in „Finanztest“. Legt die PV fest, dass in so einer Krankheitssituation auf bestimmte lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet werden soll, könnten Ärzte mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters diesem Wunsch folgen.
In meiner Patientenverfügung habe ich Beatmung ausgeschlossen. Sollte ich das ändern, falls ich beatmet werden muss?
Bei der Behandlung von Covid-19 ist der Patient im Normalfall ansprechbar und kann selbst entscheiden, welchen Behandlungen er zustimmt oder nicht. Entscheidend ist zudem das Therapieziel. Die Ärzte streben mit der Beatmung zunächst einmal an, dass die Behandlung Erfolg hat und der Patient wieder aufwacht. Die PV spielt hier daher keine Rolle.
Muss ich wegen Corona zusätzliche Angaben in der Patientenverfügung machen oder etwas ändern?
Eine Veränderung oder Ergänzung ist nicht notwendig, sagt Habermann. „Um jede mögliche Unsicherheit zu vermeiden, kann aber eine Ergänzung zu einer bestehenden Patientenverfügung verfasst werden“, erklärt die Fachanwältin für Erbrecht. In dem Beispiel oben sollte daraus klar hervorgehen, dass man sich mit der Krankheit beschäftigt hat und im Fall eines schweren Verlaufs intensivmedizinisch betreut werden möchte.
Außerdem solle deutlich werden, dass der Wunsch nach einem Verzicht auf intensivmedizinische Betreuung "ausdrücklich nicht für durch das Coronavirus Sars-Cov-2 ausgelöste Erkrankungen gilt“, erklärt Habermann. „Und dass alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen ausdrücklich gewünscht sind.“ Dazu gehörten zum Beispiel auch künstliche Beatmung, „sofern erforderlich in Kombination mit einer Sedierung und künstlicher Ernährung“. Für alle weiteren Fälle sollte die PV klar erkennbar weiterhin Bestand haben.
Stimmt es, dass Ärzte sich oft nicht an die Patientenverfügung halten?
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) rät von zu allgemeinen Formulierungen ab. Stattdessen solle man möglichst konkret benennen, welche Behandlungen man in welchen Situationen wünscht beziehungsweise ausschließt. Alle lebensverlängernden Maßnahmen pauschal auszuschließen, ist keine praktikable Lösung. „Ein solcher Textbaustein sollte ausschließlich im Zusammenhang mit weiteren konkretisierenden Erläuterungen der Behandlungssituationen und medizinischen Maßnahmen verwendet werden“, rät das BMJV.
Ist die PV zu allgemein oder ungenau formuliert, müssen Ärzte sich nicht an sie halten und entscheiden stattdessen in Absprache mit dem gesetzlichen Vertreter „auf der Grundlage des mutmaßlichen Patientenwillens“, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium. Erreichen sie keine Einigung, entscheidet schließlich das Betreuungsgericht. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde 2009 beschlossen.
Gute und kostenlose Vorlagen und Textbausteine für Vollmachten und Patientenverfügungen gibt es zum Beispiel von Sozialverbänden, Krankenkassen oder Behörden wie dem BMJV selbst. Sie gehen die Behandlungen einzeln durch. Was genau gemeint ist und in welchen Fällen sie Sinn machen, kann ein Arzt erklären; er kann zudem beurteilen, ob das Dokument ausführlich genug ist. Außerdem helfen Fachanwälte für Erbrecht und Notare bei der entsprechenden Ausformulierung, so Habermann. Das gilt auch für andere wichtige Dokumente: „Finanztest“ rät neben der PV zu Vorsorgevollmacht, Bankvollmacht und einer Betreuungsverfügung.
Wie kann ein Bevollmächtigter Entscheidungen treffen, wenn er nicht vor Ort im Krankenhaus sein darf?
Wichtige Entscheidungen, für die Ärzte die Einwilligung des Bevollmächtigten benötigen, würden sie in diesem Fall telefonisch klären. „Der Bevollmächtigte wird sich mit dem medizinischen Personal fernmündlich abstimmen“, bestätigt Juristin Habermann.
Kann ich noch Änderungen an der Patientenverfügung vornehmen?
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt, die PV regelmäßig zu prüfen und wenn nötig zu aktualisieren. Am besten unterschreiben Betroffene dann erneut und notieren das Datum. Auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz rät, seine Angaben aktuell zu halten: „Generell gilt, dass man die eigene Patientenverfügung in regelmäßigen Abständen daraufhin überprüfen sollte, ob man die darin vorgenommenen Erklärungen so beibehalten möchte.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Allgemeine Tipps:
Wichtige Dokumente wie die Vorsorgevollmacht und die PV sollten im Ernstfall schnell auffindbar sein. Dazu können sie vorsorglich im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hinterlegt werden. Vor einer schweren OP zum Beispiel kann eine Kopie in der Krankenakte hinterlegt oder ein Vermerk gemacht werden. Ärzte oder Angehörige sollten wissen, dass es eine PV gibt und eventuell weitere Dokumente, rät die Verbraucherzentrale NRW.
Wenn ein Fall eintritt, der nicht in der PV vorgesehen ist, könne eine Vorsorgevollmacht helfen. Damit kann die beauftragte Person Entscheidungen treffen und zum Beispiel einer Behandlung zustimmen. Mit einer Betreuungsverfügung könne man festlegen, wer als Betreuer benannt werden soll, erklären die Verbraucherschützer. Ist das nicht geklärt, entscheide das Betreuungsgericht. Damit der Bevollmächtigte weiß, was im Ernstfall zu tun ist, sollte man in Ruhe mit ihm über die eigenen Wünsche sprechen und das Thema nicht wegschieben. (mit dpa/tmn)