Der Bestattungswald wirkt auf manche Menschen weniger bedrückend als ein Friedhof. Was hinter dem Konzept steckt.
Förster erklärt Friedwald bei KölnDie Bestattung an einem eigenen Baum wird immer beliebter – So läuft sie ab
Vor der Vorstellung, eines Tages auf einem Friedhof zu liegen, graut es vielen. Natürlich macht der Tod Angst, aber auch die aneinander gereihten Gräber mit zu häufig vertrockneten Blumen und trostlos grauen bis kitschig pompösen Grabsteinen sagen immer weniger Menschen zu. Bestattungswälder sind seit 2000 in Deutschland eine mögliche Alternative, die letzte Ruhe zu finden. Damit ist sie noch relativ jung. Auch in der Region um Köln gibt es die ausgewiesenen Waldstücke. Ein Friedwald-Förster erklärt, wie die Bestattung in ihnen abläuft.
Wie sehen Bestattungswälder aus?
An einem der ersten kalten Oktobertage läuft Elmar Görlitz durch den Chorbusch, ein Waldstück am Stadtrand von Köln. Gleich hinter dem Parkplatz befindet er sich schon auf Dormagener Stadtgebiet. Er ist Förster dieses Friedwalds, dem nächstgelegenen für Kölnerinnen und Kölner. Hier ist es ruhig, schließlich ist die nächste Straße fern. Aber ein bisschen was los ist schon: Spaziergänger, Radfahrerinnen, Jogger begegnen sich. Sie kennen den Förster und grüßen – vor allem seine Hündin Paula, die ihm stets folgt.
Dass dieser Wald kein gewöhnlicher ist, merkt man beim Schlendern kaum. Erst wer genau hinsieht, entdeckt kleine Plaketten an ausgewählten Bäumen. Dort sind Menschen bestattet.
Den Ort trotzdem als Naherholungsgebiet zu nutzen, ist ausdrücklich Teil des Konzepts. Vielleicht ein bisschen pietätvoller – Hunde sollten angeleint sein. Manchmal werden auch Pferde über den Reitweg vom benachbarten Hof ausgeführt. „Ich gehe anders durch einen Wald als über einen Friedhof“, sagt Görlitz. Tatsächlich wirkt dieser Ruheort weniger bedrückend, viel lebendiger. Das scheinen auch die Menschen zu spüren, die sich für ihn als letzte Stätte entscheiden.
Wo gibt es Bestattungswälder und wer betreibt sie?
Den ersten Bestattungswald in Deutschland öffnete die Friedwald GmbH 2001 bei Kassel. Gut zwanzig Jahre später betreibt sie 86 Standorte, auch in Lohmar-Heide, Hückeswagen, Bad Münstereifel, im Meroder Wald bei Düren und im Wildenburger Land hinter Waldbröl. 204.000 Beisetzungen fanden bisher in den Friedwäldern statt, 1700 davon in Dormagen. Der Betreiber Ruheforst weist aktuell 80 Standorte aus, allerdings keinen weiteren in unmittelbarer Umgebung Kölns. Hinzu kommen Bestattungswälder wie der in Bergisch Gladbach, der in städtischer Hand ist. Es gibt aber auch kirchliche oder kommunale Friedhöfe, die Abschnitte ihrer Fläche für naturnahe Bestattungen abgrenzen, etwa der Waldfriedhof in Solingen.
Die Bestattungswälder haben eine Bestandszeit von 99 Jahren. Ob nach Ablauf dieser Garantie der Betrieb an den Standorten fortgeführt wird, ist noch unklar. Saskia Riemer arbeitet für den Vertrieb und Außendienst von Friedwald und sagt: „Dieser Fall ist noch nicht eingetreten, weil es noch keinen Friedwald so lange gibt.“
Die Trägerschaft eines Waldes liegt häufig bei der Stadt. Das Operative wie die Abstimmung mit Bestattungsunternehmen und die Verwaltung der Baumgrabstätten führt Friedwald durch. Das Personal, also die Förster, sind beim Landesbetrieb, hier Wald und Forst NRW, angestellt.
Auch Elmar Görlitz. Seit Ende Juli 2020, solange es den Friedwald Dormagen gibt, ist das sein Revier. „Man hat viel mit Menschen zu tun“, sagt er über seinen Job, den man sich typischerweise gegenteilig vorstellt, und fügt noch an, „Menschen in Extrem-Situationen“. Er und seine Kollegen pflegen nicht nur den Baumbestand und wählen besonders vitale Bäume mit voraussichtlicher Langlebigkeit für Bestattungen aus. Sie begleiten auch die Beisetzungen. Görlitz ist kein Bestatter. Wählt Worte aber mit Bedacht und strahlt eine Ruhe aus, die ihm als Förster eines Bestattungswaldes zusätzliche Kompetenz verleiht.
Wie läuft eine Beisetzung im Wald ab?
Wer im Wurzelwerk eines Baumes bestattet werden möchte, muss sich einäschern lassen. Die Asche kommt in eine biologisch abbaubare Kapsel, darüber kann eine Schmuckurne gewählt werden, die sich ebenfalls mit der Zeit zersetzt. Um einen Baum herum bietet Friedwald bis zu 20 Grabplätze. Zu Beginn einer Woche bereitet Förster Görlitz die anstehenden Bestattungen vor.
Der Förster hebt ein Loch aus und deckt es zunächst mit einer Baumscheibe ab. Kurz vor der Beisetzung schmückt er das Grab mit einem Kranz aus Pflanzen, je nachdem, was der Wald zu der Jahreszeit bietet: Buntes Laub oder Tannenzweige. Aktuell im Herbst bindet er einen dezenten Schmuck aus Farnen. Mit den Angehörigen trägt der Förster die Urne am Tag der Beerdigung in den Wald zur ausgewählten Stelle. Schmuck, Grabsteine, Lichter oder Blumen sind nicht erwünscht, sie würden die Natürlichkeit des Waldes stören, die die Bestatteten ja selbst gewählt hatten. „Den Grabschmuck übernimmt bei uns die Natur“, sagt Görlitz.
Gibt es auch Trauerfeiern im Wald?
Eine Trauerfeier kann trotzdem in der Nähe des ausgewählten Baumes stattfinden. „Sehr häufig herrscht eine wesentlich gelöstere Atmosphäre als auf Friedhöfen“, sagt Görlitz. Er hat schon Beisetzungen erlebt, bei denen ein Pittermännchen am Grab angestochen wurde. Die außergewöhnlichste sei eine Feier im Wikinger-Stil gewesen, erzählt er. Auch Beerdigungen mit mehr Hunden als Angehörigen habe er erlebt, etwa wenn der oder die Tote selbst Tiere hielt. Und ein innig geliebtes Pferd sei ebenfalls schon zum Baum geführt worden.
Für die Planung der Feier ist das Bestattungshaus zuständig. Oft fällt sie in einem Bestattungswald gar nicht viel anders aus als auf Friedhöfen. An einem sogenannten Andachtsplatz, der ausgeschildert ist, halten Trauerredner, Angehörige oder auch Pfarrer Reden. Musik werde häufig gespielt, live oder über Akku betriebene Boxen und auch christliche Feiern halten die umliegenden Gemeinden auf Wunsch hier ab.
Wie viel kostet die Bestattung im Friedwald?
Wo genau die Grabstelle im Wald sein soll, kann schon zu Lebzeiten gewählt werden. Pro Hektar Fläche weist Friedwald im Durchschnitt 80 Bestattungsbäume aus. In Begehungen sucht Elmar Görlitz mit Interessierten einen passenden Platz aus, der je nach Beschaffenheit 890 Euro bis 1390 Euro kostet. Paare, Verwandte oder Freunde können sich auch benachbarte Grabstellen aussuchen. Ganz exklusiv hat man seinen Baum aber nicht, auch andere werden dort bestattet.
Ist einem selbst oder den Angehörigen der genaue Platz im Wald nicht so wichtig, kann ein „Basisplatz“ gebucht werden, der 590 Euro kostet und den die Förster zuweisen. In allen Fällen kommen Beisetzungskosten von 450 Euro hinzu, worin die biologisch abbaubare Urne enthalten ist. Die Ruhestätte wird in Dormagen für 20 Jahre nach der Beisetzung erworben. Die Mindestruhezeit kann andernorts variieren, sie hängt von der Satzung der jeweiligen Kommune ab.
Kann ich mir einen eigenen Baum aussuchen?
Eckige Plaketten mit Gravur weisen an den Bestattungsbäumen die Namen derer aus, die dort bestattet sind. Mit vollem Namen oder Abkürzung, ganz wie man möchte. Manchmal befinden sich auch mehr Grabstellen um einen Baum herum als abzulesen ist, denn auch das anonyme Grab ist eine Option.
Statt eines Platzes kann auch ein ganzer Baum reserviert werden, bis zum Ende der Betriebsdauer des Waldes. Also am Stadtrand von Köln von heute an noch 96 Jahre. Ein ganzer Baum kostet 2890 bis 7490 Euro in zehn Abstufungen. Schon auf eigene Faust können Spazierende sehen, welche Bäume dafür zu haben sind.
Saskia Riemers erklärt die Plaketten an den Bäumen: Jeder, der als Bestattungsbaum ausgewiesen wurde, trägt den Code „DOR“ für Dormagen und eine Zahl. Ist er noch als eigener Baum zu haben, zeigt ein hellblaues Band das an. Ein gelbes Band bedeutet, dass es sich um einen Gemeinschaftsbaum handelt, an dem noch einzelne Plätze frei sind. Eine weitere runde kleine Scheibe, hinter der Baumnummer angebracht, ist farbig markiert und steht für die Preisklasse. Broschüren am Parkplatz Chorbusch erläutern die Farben. Grob gilt: je dicker der Stamm, desto teurer der Baum. Auch die Art ist relevant.
Im Chorbusch wachsen zum Beispiel Linden, Ahorn, Esche, Buchen und Ulmen. Als Bestattungsbaum wählt Elmar Görlitz bewusst auch krumme Exemplare aus: „Die Menschen suchen nach etwas Individuellem“, sagt er. Der gerade Baum sei nicht zwingend der Schönste.