Die ersten Bescheide kommen jetzt bei Eigentümern an. Doch es bestehen erhebliche Zweifel an der Grundsteuerreform. Wie sollte man damit umgehen?
Immobilien-BesitzerGrundsteuer-Bescheide kommen – wann sollte man Einspruch einlegen?
So langsam trudeln sie ein, die ersten Bescheide zur neuen Grundsteuer. Doch mit dem Ärger rund um die Steuerreform ist es damit wohl noch lange nicht vorbei. Zu kompliziert, zu schwammig, zu intransparent: Immobilienverbände und Steuerberater kritisieren die Steuerreform schon seit Monaten, den Finanzämtern droht derweil eine Einspruchswelle, weil viele Eigentümer und Experten nicht nur die Angaben der Behörden anzweifeln, sondern auch die Verfassungsmäßigkeit der gesamten Reform. Zuletzt forderte die FDP den NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) dazu auf, Musterklagen zuzulassen. Und ermutigte Eigentümer dazu, Einspruch einzulegen. Wir erklären, auf was Sie beim Bescheid des Finanzamts achten sollten und ob sich ein Einspruch lohnt.
Was steht in den Briefen vom Finanzamt?
Wer seine Grundsteuererklärung fristgerecht abgegeben hat, den dürften in diesen Wochen gleich zwei Briefe vom Finanzamt erwarten. Erstens der Grundsteuerwertbescheid und zweitens der Grundsteuermessbescheid. Hier errechnet das Finanzamt im ersten Schritt den Wert der Immobilie auf der Grundlage ihrer Angaben in der Steuererklärung. Im Grundsteuermessbescheid rechnet das Amt darauf aufbauend aus, wie viel Steuern dafür anfallen.
Doch es gibt noch einen dritten Schritt. Das Finanzamt schickt als letztes seine Berechnungen an die jeweilige Gemeinde. Dort wird dann der sogenannte Hebesatz bestimmt, der von Ort zu Ort unterschiedlich hoch ausfällt und noch einmal obendrauf kommt. Zum Schluss erhalten Sie in einem dritten Brief die endgültige Steuersumme, die Sie zahlen müssen. Das wird aber noch eine Weile dauern. Mit dem letzten Brief, dem Grundsteuerbescheid, ist erst 2025 zu rechnen.
„Das Problem ist, dass man 2025 nicht mehr gegen den Bescheid Einspruch erheben kann“, sagt Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus und Grund. Wer Zweifel an den Berechnungen des Finanzamts hat, müsse schnell reagieren, Eigentümern bleiben vier Wochen nach Erhalt des ersten Briefs, um Einspruch zu erheben.
Worauf sollte man bei den Bescheiden des Finanzamts besonders achten?
Weil die ersten Briefe des Finanzamts die letzte Chance sind, um alle Angaben zu prüfen, bevor auf dieser Grundlage die Steuersumme berechnet wird, sollte man sie genau prüfen, findet Gero Hagemeister. Er ist Präsident des Steuerberater-Verbands Köln und Regional Managing Partner Rheinland der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. „Auf jeden Fall muss man die zutreffende Übernahme der erklärten Werte überprüfen. Insbesondere sind die Grundstücks- und Gebäudeflächen, das Baujahr und der Bodenrichtwert wesentliche Wertfaktoren, die die künftige Grundsteuerbelastung maßgeblich beeinflussen“ sagt der Experte.
Sibylle Barent betont: „Gerade bei den Wohnflächen sollte man aufpassen, ob man wirklich die korrekten Größen angegeben hat.“ Terrassen, Balkone oder Dachschrägen dürfen nicht vergessen, müssten aber nicht zu hundert Prozent angegeben werden. Die Wohnflächenverordnung biete dazu eine gute Orientierung.
„Eigentümer, die angegeben haben, dass bei der Immobilie eine Kernsanierung vorgenommen wurde, sollten außerdem prüfen, ob das wirklich der Fall war.“ Wurden etwa nur ein paar Fenster ausgetauscht, sei dies nicht direkt eine Kernsanierung, die sich steuerlich schlecht auswirken würde.
Außerdem hätten Eigentümer die Chance, noch einmal zu prüfen, ob die Immobilie eine Denkmaleigenschaft habe. „Wer vergessen hat, das bei der Steuererklärung anzugeben, sollte Einspruch einlegen und nachtragen, hier winken steuerliche Vergünstigungen“, sagt Barent. Auch der Mietwert werde pauschal festgesetzt und führe teilweise zu überhöhten Bewertungen bei der Steuer.
Welche verfassungsrechtlichen Bedenken gibt es?
Den Finanzämtern droht wegen der Grundsteuererklärung gleich doppelt Ungemach. Erstens fehlt den nordrhein-westfälischen Finanzämtern noch immer ein Viertel der Grundsteuererklärungen. Und das, obwohl die Frist bereits von Oktober 2022 zu Ende Januar 2023 verschoben worden war.
Zweitens haben viele von jenen Eigentümern, die die Steuererklärung abgegeben haben, Einspruch eingelegt. Eine Umfrage von „Finanztip“ kommt Anfang Februar bereits auf 350.000 Einsprüche, insgesamt, so das Portal, sei mit 1,5 Millionen Einsprüchen zu rechnen – eine regelrechte Klagewelle droht.
Und das hat nicht nur mit der Wohnflächenverordnung oder dem Denkmalschutz zu tun. Viele Experten melden Zweifel an, inwieweit die Steuerreform verfassungsgemäß sei. Aus mehreren Gründen: „Der Bodenrichtwert wird pauschal je nach Lage festgesetzt, wertmindernde Faktoren für konkrete Grundstücke werden nicht berücksichtigt“ sagt Sibylle Barent. Zudem könnten Eigentümer nicht selbstständig nachprüfen, ob der vom Finanzamt festgesetzte Bodenrichtwert stimmt. „Auch kann aufgrund fehlender Hebesätze für 2025 niemand die künftige Höhe der Grundsteuer heute schon berechnen“, ergänzt Hagemeister.
Der Eigentümerverband Haus und Grund hat eine Klage gegen die Steuerreform angekündigt, in Baden-Württemberg gibt es bereits eine Musterklage, weitere, in Bundesländern mit dem sogenannten Bundesmodell, sollen folgen. Doch bis zu einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht werden wohl noch Jahre vergehen.
Sollte ich vorsorglich Einspruch gegen die Grundsteuererklärung einlegen?
„Es ist eine gewisse Blockade-Situation entstanden“, sagt Barent. Auf der einen Seite stünden verunsicherte Eigentümer, auf der anderen Seite überforderte Finanzämter. Gemeinsam mit anderen Verbänden wie dem Bund der Steuerzahler und der Steuergewerkschaft fordert Haus und Grund, dass die Bescheide nur vorläufig erlassen werden. Sollten die Gerichte die Reform kippen oder Änderungen daran fordern, wären Eigentümer so abgesichert – und müssten nicht auf eigene Faust Einspruch einlegen. „Bedauerlicherweise weigert sich die Finanzverwaltung beharrlich, die Steuerfälle offenzuhalten. Daher muss man – wenn man sich den Zweifeln anschließt – im Einzelfall eigenständig einen Einspruch einlegen“ sagt Hagemeister.
Doch es gibt auch andere Stimmen. Gegenüber der „Welt“ sagte etwa Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer (BStK): „Ich verspreche mir davon gar nichts, außer Papierkrieg.“ Das Problem: Wer als Eigentümer nach dem Einspruch auf sein Recht beharrt, muss im Zweifel vor Gericht ziehen – und trägt damit auch ein finanzielles Risiko. „Für viele ist dieses Risiko zu hoch“, sagt Sybille Barent. Auch sie hofft, dass sich an der Situation noch etwas ändert und die Finanzverwaltungen die Bescheide nur vorläufig erlassen werden und bald Musterklagen zugelassen werden. Bis dahin sei der individuelle Einspruch die einzige Möglichkeit bei Zweifeln an der Reform.