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Sterne-Gastronom Moissonnier„Käse schließt den Magen – das ist Blödsinn!“

Lesezeit 3 Minuten
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Was den Käse zum Dessert betrifft, kursieren einige Gerüchte.

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. In dieser Folge räumt Restaurant-Chef und Sterne-Gastronom Vincent Moissonnier mit einem Käse-Klischee auf.

Köln – Als Faustregel, wann man den Käse servieren solle, gilt in Deutschland der scheinbar unverwüstliche Satz: Käse schließt den Magen. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, war ich schockiert. Wie können die Deutschen nur auf so einen Blödsinn kommen? Ich habe dann recherchiert und bin auf antike römische Autoren gestoßen. Sie waren davon überzeugt, dass Käse vor dem Dessert die Magensäure im Zaum hält, so dass man am Ende des Essens weder Sodbrennen noch ein unangenehmes Völlegefühl hat. Diese Annahme hatte lange Zeit Gültigkeit und wurde wissenschaftlich erst im 20. Jahrhundert korrigiert.

Auf das Käse-Know-How der Franzosen setzen

In der französischen Küche dagegen, immerhin Bestandteil des Unesco-Weltkulturerbes, ist die Abfolge Vorspeise – Hauptgang – Käse (salzig) – und/oder Dessert (süß) bewährt und unumstößlich.

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Vincent Moissonnier

Und die Franzosen sollten es doch wirklich am besten wissen. Die essen nämlich viel Käse, sehr viel Käse – mittags wie abends, im Grunde zu jeder Mahlzeit. Auf 26 Kilo Käse pro Kopf der Bevölkerung bringen sie es im Jahr, eine unfassbare Menge. Schon deshalb sollten Sie sich dieser Expertise unserer Nachbarn bedenkenlos anvertrauen: Der Käse kommt immer vor dem Dessert.

Süßes ganz zum Schluss, basta!

Ich zitiere noch einmal den französischen Gastronomie-Heiligen Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755 bis 1826). Zu seinen Ehren wurde eine ganze Reihe von Speisen nach ihm benannt, insbesondere aber eine französische Käsesorte. Einer von Brillat-Savarins unsterblichen Aphorismen lautet: „Ein Dessert ohne Käse ist wie eine einäugige Schönheit“. Wie wahr! Beides gehört zusammen. Aber eben in der richtigen Reihenfolge.

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Wenn überhaupt, dann schließt die Süßspeise den Magen – und auf jeden Fall beschließt sie das gelungene Menü. Zum Kaffee oder Espresso bekommen Sie oft und nicht von ungefähr noch eine Praline oder ein Cookie gereicht.

Für das Arrangement einer schönen Käseplatte bietet sich eine Art Thema an: eine Käseauswahl aus dem Elsass zum Beispiel oder verschiedene Schafs- und Ziegenkäsesorten. Für eine gemischte Platte sollten Sie auf ein Angebot mit geschmacklicher Steigerung achten: von den milchig-cremigen zu den etwas würzigeren Sorten, dann Rotschmier- und/oder Blauschimmelkäse und Ziegenkäse zum Schluss. Im Fachhandel ist man Ihnen bei der Auswahl gern behilflich. Dort könnten Sie sich vielleicht sogar zu jedem Käse ein paar Notizen machen, so dass Sie Ihren Gästen Tipps für die Reihenfolge geben können. Die ist nämlich wichtig.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Die richtige Deko für die Käseplatte

Dekorieren lässt sich die Käseplatte – je nach Jahreszeit – mit Trauben, Feigen, Walnüssen oder auch mit Chutney und dünn geschnittenem Gemüse. Wichtig ist womöglich noch die Frage nach dem begleitenden Brot. Ein besonderer Tipp aus unserer Praxis im Restaurant: dunkles Brot mit Schokolade. Zu einem Ziegenkäse ist das grandios. Überhaupt würde ich dunkles Vollkornbrot als Begleiter dem häufig anzutreffenden Weißbrot vorziehen, das meines Erachtens nur satt macht und die Fettsäure nicht gut bindet. Vollkornbrot dagegen unterstützt den Käsegeschmack, ohne ihn zu verfälschen. Aber wenn Sie einen Puristen fragen, wird der Ihnen sagen: Der Käse schmeckt am besten für sich allein.

Aufgezeichnet von Joachim Frank