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Stilkolumne„Mahlzeit!“ – Höfliche Grußformel oder einfach nur nervig?

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Viele reagieren genervt auf den Gruß „Mahlzeit“.

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. Diesmal beschäftigt sich Anatol Stefanowitsch mit der Grußformel „Mahlzeit“, die den Kollegen gerne zugerufen wird. Interessanterweise ist die Floskel heftig umstritten – Viele finden sie einfach nur nervig.

KölnMich stört die Floskel „Mahlzeit“, mit der mich Kollegen gefühlt zwischen 9 und 15 Uhr im Büro grüßen. Liegt das nur an mir, oder ist das eine abgeschmackte Redewendung?

Die Grußformel „Mahlzeit“ ist mir nach über einem Jahr im Homeoffice zwar etwas fremd geworden, sie ist mir aber vorher nie negativ aufgefallen. Bei meiner Recherche habe ich allerdings schnell festgestellt, dass Sie mit Ihrer Abneigung nicht ganz allein dastehen.

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Anatol Stefanowitsch ist Sprachwissenschaftler

Manche Ratgeber für die Kommunikation am Arbeitsplatz raten sogar ausdrücklich von ihrer Verwendung ab. Begründet wird das allerdings nicht, und auf den ersten Blick ist schwer nachzuvollziehen, was ausgerechnet diese Grußformel so kontrovers macht. Wie andere Grußformeln („Hallo“, „Servus“, „Ich grüße Sie“) erfüllt sie ja eine wichtige Funktion: Sie zeigt unserem Gegenüber, dass wir es zur Kenntnis genommen haben.

Es könnte aber etwas mit ihrer Doppeldeutigkeit zu tun haben: „Mahlzeit“ ist ja nicht nur Grußformel, sondern auch Wunschformel – wie „Viel Erfolg!“, „Schönes Wochenende!“ oder das pandemietypische „Bleiben Sie gesund!“.

Formel ist einer Lücke im System der Grußformeln geschuldet

Ihr Ursprung liegt im mittelhochdeutschen Tischspruch „got gesegene die mâlzît“. Daraus wurde zunächst das auch heute bei manchen noch übliche „Gesegnete Mahlzeit“ und – eine sprachliche Verkürzung weiter – die Wunschformel „Mahlzeit“, die ungefähr so viel bedeuten kann wie „Guten Appetit“, wobei wir „Mahlzeit“ eher im Vorbeigehen verwenden, z.B. wenn wir auf dem Weg durch die Kantine am Tisch einer Kollegin vorbeigehen.

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Dass „Mahlzeit“ um die Mittagszeit herum auch als reine Grußformel verwendet wird – also dann, wenn weit und breit kein Essen und vielleicht nicht einmal eine Essenspause in Sicht ist – scheint zunächst merkwürdig. Es ist aber einer Lücke im System der Grußformeln des Deutschen geschuldet: Während wir morgens und am frühen Vormittag (bis etwa 11 Uhr) das förmliche „Guten Morgen“ oder das informelle „Morgen“ haben und abends (etwa ab 17 Uhr) das förmliche „Guten Abend“ oder „n’Abend“, gibt es für die Zeit dazwischen nur das ganztägig verwendbare und förmliche „Guten Tag“.

Die Sprachgemeinschaft hätte diese Lücke natürlich durch ein „Guten Nachmittag!“ füllen können, wie es im Englischen mit „good afternoon“ der Fall ist. Stattdessen hat sie aber eben die tageszeittypische kulinarische Wunschformel verallgemeinert. Es ist fast überraschend, dass nicht auch andere Sprachgemeinschaften auf diese Idee gekommen sind. Das wiederum könnte daran liegen, dass das Mittagessen in anderen Kulturen eine weniger zentrale Rolle einnimmt als in Deutschland.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Interessanterweise ist „Mahlzeit“ als Wunschformel, aber vor allem als Grußformel weitgehend auf den Arbeitsplatz beschränkt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir um die Mittagszeit eben typischerweise bei der Arbeit sind und uns dort den ganzen Tag über Kolleginnen und Kollegen begegnen. Wir brauchen dort also ein ausgefeilteres System von Grußformeln als im Privaten.

Vielleicht hat gerade diese Einschränkung des Verwendungsbereichs etwas mit Ihrer Abneigung zu tun: Die Tätigkeit des Essens fällt zwar nicht gerade in die Intimsphäre, aber doch in den eher privaten Bereich. Womöglich passt deshalb die Erwähnung dieser Tätigkeit, vor allem in ihrer anlasslosen Form, für Sie und andere nicht zur professionellen Atmosphäre am Arbeitsplatz.