Stilkolumne„Die Rechnung auseinander zu rechnen, ist eine typisch deutsche Unsitte“
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Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
In dieser Folge regt sich Restaurant-Chef Vincent Moissonnier über den typisch teutonischen Spleen auf, nach dem Restaurantbesuch mit Freunden alles genau aufzurechnen.
Beim gemeinsamen Restaurantbesuch kommt am Ende häufig die Frage auf: getrennte Rechnung oder Sammelbeleg? Was raten Sie?
Zunächst möchte ich Ihre Erfahrung bestätigen: Ja, die Frage nach der getrennten Rechnung höre auch ich häufig. Aber nur in Deutschland. In meiner französischen Heimat, in Italien oder in Griechenland würde nie jemand darüber reden, die Rechnung zu splitten. Das würden die anderen am Tisch als Angriff empfinden. Die Endsumme wird stattdessen einfach durch die Zahl der anwesenden Personen oder Paare geteilt. Das war’s.
Es ist ein teutonischer Spleen, alles auseinander rechnen zu wollen
Es ist eine deutsche Unsitte, ein typisch teutonischer Spleen, alles ganz korrekt auseinanderrechnen zu wollen. „Kaffee? Hatten nur die anderen! Die zweite Flasche Wasser? Habe ich nicht angerührt!“
Was soll das? Man geht mit Freunden oder Bekannten essen, macht sich einen schönen Abend und hat Angst, übervorteilt zu werden? Und am Ende kommt dann an einem Vierertisch eine Differenz von 3,50 Euro zu eigenen Gunsten heraus. Das ist einfach lächerlich. Mit Gastlichkeit hat das nichts mehr zu tun.
Am besten schon vorher das Bezahlen klären
Gar nicht so selten bekomme ich mit, dass Gäste sich zu einem gemeinsamen Essen verabreden, aber offensichtlich nicht übers Bezahlen gesprochen haben. Auf einmal liegen dann beim einen oder anderen die Hände wie betoniert auf dem Tisch, damit nur ja nicht der Griff zum Portemonnaie gehen muss. Nach dem Motto: Wer sich als erster bewegt, hat verloren! Manche sind darin richtiggehend trainiert. Aber natürlich gehört sich das nicht. Gut ist es immer, das Bezahlen vorher zu klären oder sich ein Herz zu fassen und zu sagen: „Sollen wir halbe, halbe machen?!“ Oder: „Heute zahlen wir, nächstes Mal seid ihr dran!“
Nun kann es bei der Auswahl der Speisen oder der Getränke ein deutliches Gefälle geben: Einer am Tisch isst nur Vorspeise und Salat, die anderen vier Gänge. Drei trinken teuren Wein, der Fahrer bestellt nur Wasser. Klar, das kann man ausgleichen. Aber bitte auch hier nicht auf Euro und Cent, sondern indem man zum Beispiel sagt: „Also, die Getränke übernehmen wir.“
Auch für uns Gastronomen sind gesplittete Rechnungen die Pest. Es braucht Zeit und Nerven und eine endlose Rechnerei. Manche Kollegen schreiben deshalb schon direkt auf die Speisekarte: „Rechnung nur tischweise.“ Könnten wir dieses Problem nicht lösen, indem wir von vorneherein getrennt buchen? Die Idee klingt gut, ist aber nicht praxistauglich: Paare müssten zum Beispiel konsequent nebeneinander sitzen, sonst entsteht Chaos.
Wenn Sie sich auf eine Überweisung verständigt haben, eine herzliche Bitte im Namen aller meiner Kollegen: Zahlen Sie zügig! In der Gastronomie brauchen wir die Umsätze täglich, um unsere Lieferanten zu bezahlen. Bei Zahlung im Restaurant eine ebenso herzliche Bitte, vielleicht nicht im Namen aller meiner Kollegen: Verlangen Sie unbedingt eine ordentliche Rechnung. Das hören nicht alle gern. Aber jeder Wirt ist verpflichtet, seinen Gästen einen Originalbeleg auszuhändigen. Und ich finde, ehrlich erwirtschaftetes und ausgegebenes Geld sollte nicht in schwarzen Kassen landen.Das ist im Übrigen auch eine Frage der Fairness und der Gerechtigkeit in unserer Branche.
Aufgezeichnet von Joachim Frank.
„Wie geht’s?“
In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)