Fakten und VorurteileTrend-Sneaker ohne Leder – stinken Füße in veganen Schuhen eher?
- Es gibt sie noch: Erstaunte Nachfragen, warum man vegane Schuhe tragen sollte, schließlich kann man sie nicht essen. Vegane Schuhe sind aber gut für unsere Umwelt.
- Tatsächlich geben nur wenige Zertifikate Aufschluss darüber, ob ein Schuh gänzlich vegan ist oder nicht.
- Zwei Expertinnen in Sachen nachhaltige Mode erklären, woran man vegane - und nachhaltige Schuhe erkennen kann.
Köln – Spätestens als eine Kollegin neulich davon erzählte, dass ihre Eltern fassungslos nachfragten, was es mit veganen Schuhen auf sich habe, schließlich könne man die nicht essen, war klar: Es ist Zeit, die Mythen und Vorurteile, die sich um das Thema ranken, genauer zu beleuchten. Lina Zuppke und Christina Wille, Expertinnen in Sachen Nachhaltigkeit vom Berliner Mode-Unternehmen „Loveco“ haben mitgeholfen.
Was haben Schuhe mit veganer Lebensweise zu tun?
Ein veganer Lebensstil beschränkt sich nicht nur auf die Ernährung sondern auf ein Konsumverhalten, das komplett ohne tierische Produkte auskommt – ob beim Kleider-, Kosmetik-, Schuh-,oder Lebensmittelkauf.
Dabei geht es um den Tierschutz – also um die Tiere, die etwa wegen ihres Fleisches und ihrer Haut getötet, in unwürdigen Konditionen gehalten oder zu Versuchszwecken malträtiert werden. Obendrein werden bei der Verarbeitung tierischer Produkte, vor allem beim Leder, jede Menge Schadstoffe freigesetzt, die die Umwelt belasten.
Was ist an der Lederproduktion verwerflich?
Traditionell ist Leder ein Nebenprodukt von Schlachtungen. Doch oft werden Tiere extra dafür getötet – teils wird ihnen das Leder am lebendigen Leib vom Leib gezogen, auch das Enthaaren ist mit Tierleid verbunden. Ein Großteil des industriell verarbeiteten Leders wird außerdem bei der Gerbung und der anschließenden Beschichtung mit aggressiven Chemikalien behandelt, die sowohl die Umwelt belasten als auch die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter. Nicht selten leiten die Gerbereien ihre Abfallstoffe auf umliegende Felder oder ins Abwasser ab, so gelangen die Stoffe in Flüsse und Meere. Die Lederproduktion zeigt, wie eng die drei Aspekte tierleid-frei, ökologisch und sozial nachhaltig auch in der Modeproduktion zusammenhängen.
Loveco - Nachhaltige Mode
Christina Wille (im Bild) ist Gründerin und Geschäftsführerin des Berliner Mode-Handels „Loveco“, Lina Zuppke betreut das Marketing.
Der vom Ethik-Guide empfohlene Shop für nachhaltige Mode führt ausschließlich Waren aus biologischen oder recycelten Materialien wie Bio-Baumwolle, Leinen oder Hanf - allesamt „Gots“-, „Fairtrade"- und „Fair Wear Foundation“-zertifiziert, kurz: vegan, ökologisch nachhaltig und fair.
Ist jeder Schuh, der nicht aus Leder gefertigt wird, vegan?
Nein, bei der Schuhproduktion werden auch andere tierische Bestandteile wie Wolle, Velours und Seide verwendet. Selbst Klebstoffe können Tierisches beinhalten – wie etwa das Milchprotein Latein oder verarbeitete Schlachtabfälle, Fleisch, Knochen, Sehnen oder Tierhaut. Viele dieser Inhaltsstoffe müssen gar nicht direkt im Schuh gekennzeichnet werden, zum Beispiel, wenn ein Sportschuh mit kleinen Lederapplikationen versehen ist.
Sind tierleid-freie Schuhe ökologisch nachhaltig?
Es gibt noch keine Analysen, die die Materialien in ihrer Produktion, ihrer Abnutzung und ihrer Recyclebarkeit komplett vergleichen. Deshalb setzen viele nachhaltige Labels, wie auch Loveco als Einzelhändler, auf Schuhe aus recycelten, langlebigen und robusten Materialien wie PET-Flaschen – oder aus einem pflanzlichen Lederersatz, wie Apfelschalen und Gehäusen, die als Reste aus der Lebensmittelindustrie anfallen. Auch Baumwolle, Leinen, Hanf oder Ananas-Schalen, aus kontrolliert biologischem Anbau ist eine gute Alternative. Die Sohlen sind dann meist aus Naturkautschuk, Kork oder recycelten Reifen.
Alternative Materialien zum Leder
Pinatex
Ein Material, das wie Leder wirkt, aus den Fasern der Ananasblätter besteht und damit eine natürliche Lederalternative darstellt. Pinatex benötigt keine zusätzlichen Ressourcen wie Wasser, Düngemittel oder Pestizide. Die Fasern werden nach der Ananas-Ernte mit speziellen Maschinen von der übrigen Biomasse der Blätter abgetrennt, anschließend gewalkt.
Kork
Der natürliche Rohstoff ist nachwachsend, kann in Europa angebaut werden und die Korkeiche bindet nach dem Abschälen der Rinde, die zu Korkleder weiterverarbeitet wird, im Vergleich zu anderen Bäumen wesentlich mehr CO2. In sehr dünnen Schichten geerntet und mit Wasserdampf behandelt, ergibt Kork ein sehr robustes und weiches Material. Wenn die Bäume nur alle acht Jahre geerntet werden, ist Kork ein umweltschonender Rohstoff. Korkeichenwälder zählen zu den artenreichsten der Welt.
Naturkautschuk
Naturkautschuk wird aus Pflanzenmilch, auch Latex genannt, hergestellt, synthetischer Kautschuk dagegen auf Rohölbasis, was wesentlich mehr Energie bei Herstellung und Transport verbraucht. Der nachwachsende Rohstoff ist biologisch abbaubar und nachhaltig, solange er in Mischkulturen angebaut wird. Ein Kautschukbaum kann bis zu 40 Jahre lang Latex liefern. Das Material ist sehr elastisch und wasserabweisend.
Biobaumwolle
Baumwolle ist die am häufigsten verbreitete Naturfaser der Textilindustrie und ist aus ökologischer Sicht sinnvoll, da sie aus zu 100 Prozent abbaubarer Zellulose besteht. Da die Pflanze aber sehr langsam wächst, werden die Felder häufig sofort nach der Ernte wieder bestellt, um einen hohen Ertrag zu erreichen - wodurch sich aber die genutzten Böden nicht erholen können. Die Folge sind Monokulturen, die stark gedüngt werden müssen - häufig unter Einsatz von Pestiziden. Beim biologischen Anbau dagegen wird die Fruchtfolge berücksichtigt, die Baumwolle wird von Hand gepflückt und es kommen keine Pestizide zum Einsatz. Der Nachteil: ein extrem hoher Wasserverbrauch. Für die Produktion von einem Kilo Baumwolle sind 11 000 Liter Wasser von Nöten.
Was macht also einen veganen Schuh aus?
Ein wirklich veganer Schuh kommt ohne Leder oder tierischen Kleber aus und ist dabei immer noch robust, langlebig und gut zu pflegen. Denn nur so ein Schuh ist auch nachhaltig.
Woran erkenne ich, ob ein Schuh vegan ist?
Es gibt zwar Schuhe, die von der Organisation Peta als vegan gekennzeichnet sind. Allerdings berücksichtigt dieses „Label” keine Umweltaspekte oder soziale Richtlinien in der Produktion. Wenn es um Naturfasern wie Baumwolle geht, ist das „Gots“-Siegel ein wichtiges Zertifikat, dem strenge ökologische Richtlinien zugrunde liegen.
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Für einen fairen Rohstoffanbau ist Fairtrade für Bio-Baumwolle ein guter Hinweis, für die faire Verarbeitung die Mitgliedschaft in der „Fair Wear Foundation“ und im Bereich Recycling garantiert der „Global Recycling Standard“, dass das verwendete Material wirklich recycelt ist. Es ist tatsächlich nicht leicht für die Konsumenten auf Nummer sicher zu gehen. Genau deshalb sprechen Händler wie Loveco oft mit den Menschen hinter den Marken darüber und fragen nach, wie ein Material genau hergestellt wurde und wie viel Lohn in der Fabrik gezahlt wird. Dieser persönliche Austausch überzeugt genauso wie Siegel und Zertifikate.
Vegane Schuhe sind entweder sportlich oder unhip
Natürlich nicht! Ob stylische Peeptoes, feine Anzugschuhe oder robuste Stiefel – auch vegan ist inzwischen nahezu jeden Schuh zu bekommen.
Vegane Modelle für den Sommer
Sneaker Kole
Der Schuh der deutschen Firma "Ethletic" besteht aus Fairtrade-zertifiziert-organischer, fair gehandelter Canvas-Baumwolle von Kleinbauern. Die Sohle ist aus natürlichem, FSC-zertifiziertem Kautschuk von nachhaltig bewirtschafteten Plantagen in Sri Lanka. Die Sneaker werden in Pakistan produziert.
Sandale Sun Nature
Die Riemen der Sandale von "Zouri" bestehen aus natürlichem Leinen. Die Innensohlen sind aus Naturkautschuk und Kork, die Außensohlen aus recyceltem Plastik aus dem Ozean vor der portugiesischen Küste.
Sneaker Roland
Roland ist ein Sneaker vom spanischen Label Flamingos' Life. Der Schuh ist aus Getreideresten und recyceltem Polyester gefertigt und hat ein naturweißes Innenfutter aus Bio-Baumwolle. Die Sohle besteht aus Naturkautschuk. Das Label produziert unter fairen Bedingungen in Spanien.
Sandale Sea
Die Riemen bestehen aus Bio-Baumwolle, die Innensohlen aus Naturkautschuk und Kork. Die Außensohlen sind aus recyceltem Plastik aus dem Ozean, das an der portugiesischen Küste gesammelt wurde und Naturkautschuk.
Sandale Oxia von NAE
Oxia wurde aus ökologischer, atmungsaktiver und antiallergischen Mikrofaser gefertigt. Die Sohle des Schuhs ist aus Gummi. Wie alle Modelle von Nae wurde auch Itaca unter fairen Bedingungen in Portugal gefertigt.
Die Macherinnen von „Loveco“ beispielsweise „sind jede Saison aufs Neue begeistert, welch tollen Modelle unsere Marken entwickeln“. So etwa die der Hamburger „Nine to Five“, die sehr elegant und modisch seien; bei den Männern habe unter anderem „ekn Footwear“ beeindruckende vegane Modelle und das spanische Label „Be Flamboyant“ habe dieses Jahr mit seinen Sneakern für Bestseller bei „Loveco“ gesorgt.
Wie pflege ich vegane Schuhe?
Generell gilt: Mit der Hand und nicht in der Waschmaschine reinigen. Da sich in der Maschine schnell mal der vegane Kleber löst – und Flecken verursachen kann. Grober, trockener Schmutz lässt sich einfach wegbürsten. Flecken sollten punktuell mit etwas Wasser, milder Seife und eventuell einer Zahnbürste ausgewaschen werden. Schuhe aus recyceltem Polyester oder Mikrofaser können auch einfach mit einem feuchten Tuch abgewischt werden.
In veganen Schuhen müffeln die Füße schneller
Viele Materialien sind tatsächlich weniger atmungsaktiv, was aber aus den vielen genannten Gründen nicht vom Kauf veganer Schuh-Modelle abhalten sollte. Oft hilft, am Abend die Sohle herauszunehmen und Zeitungspapier oder eine Zitronenschale über Nacht hineinzulegen. Auch gut: Einen alten Socken mit Papierschnipseln und drei Esslöffeln Natron befüllen, oben zuknoten und mit Lavendelöl beträufeln, rein in die Schuhe, nach ein paar Stunden wieder herausnehmen.