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Wertanlage GoldWarum der Preis seit Jahren steigt und was synthetisches Gold damit zu tun hat

Lesezeit 8 Minuten
Eine römische Goldmünze aus dem Jahr 153 n.Chr. /.com/Aleksandar Vukicevic

Eine römische Goldmünze aus dem Jahr 153 n.Chr.

Der Goldpreis kennt seit gut 20 Jahren nur eine Richtung: aufwärts. Jüngst ist der Preis für die Feinunze auf mehr als 3000 Dollar geklettert. Welche Rolle spielt dabei synthetisch hergestelltes Gold?

In seiner giftgrünen Regenlatzhose steht der 70-jährige Jim Wynder an einem hölzernen Schwemmwanne, schwenkt eine große Plastikpfanne und brabbelt dabei ununterbrochen vor sich hin. „Eklig, wenn dir das Wasser in die Unterhose bis in die Gummistiefel rinnt“, sagt er, während er die Pfanne kreisen lässt, so dass darin immer weniger vom Wasser-Sand-Gemisch zurückbleibt.

So wie er aussieht, könnte er in einer Verfilmung von Jack Londons Roman „Lockruf des Goldes“ den John Tarwater spielen, einen alten Goldsucher, der sich zum Klondike aufmacht, um auf seine alten Tage noch ein Vermögen „aus den Grasbüscheln zu schütteln“, wie es im Buch heißt.

Tatsächlich stammt Wynder, ursprünglich aus Toledo im US-Bundesstaat Ohio. Wegen eines Jobs zu Zeiten des Öl-Booms verschlug es ihn nach Alaska. Jetzt zieht der Pensionär jeden Sommer als „Panner“ ins „Chicken Gold Camp“, hofft auf den finanziellen Big Bang im Herbst seines Lebens.

Wenn ab Mai der „Top-of-the-World-Highway“ wieder eisfrei ist, der Anchorage in Alaska mit der kanadischen Provinz Yukon und der legendären Goldgräberstadt Dawson verbindet, dann fallen sie auf: die gelben Fähnchen an den Flussläufen, mit denen Abschnitte markiert werden, an denen Menschen nach Gold suchen. Kaum jemand macht es wegen des Geldes, der Spaßfaktor zählt. Doch bei Rekordpreisen von derzeit über 3000 Dollar je Unze, also 31 Gramm, lohnt es sich das sogar. Goldgräbersiedlungen säumen die Straße, sie haben lustige Namen wie Tok, Chicken, Jack Wade oder Little Gold. Überbleibsel einer Zeit, als Gold hier einen Rausch auslöste.

ARCHIV - 30.05.2012, Bayern, München: Goldbarren in unterschiedlicher Größe liegen bei einem Goldhändler in einem Tresor. (zu dpa: «Unsicherheit allerorten: Der Goldpreis klettert») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Gold hat ein beachtliches Stück Weg zurückgelegt: Binnen 20 Jahren 750 Prozent Wertsteigerung.

Gold, das chemische Element mit dem Symbol Au, der Ordnungszahl 79, angeordnet im Periodensystem der Elemente zwischen Platin und Quecksilber, ist ein echter „Anlage-Hit“. Und das überrascht schon in Zeiten von Kryptowährungen und ETFs, die digital in Rekordzeit von jedermann gekauft und wieder abgestoßen werden können. Während Gold, die älteste Wertanlage der Menschheit, sich auf dem Geldmarkt eher im Tempo einer Riesenschildkröte bewegt.

Binnen 20 Jahren eine Wertsteigerung von 750 Prozent

Doch dieses Reptil hat ein beachtliches Stück Weg zurückgelegt: Binnen 20 Jahren 750 Prozent Wertsteigerung. Die Feinunze verteuerte sich allein binnen eines Jahres von 1980 US-Dollar (Mitte März 2024) auf heute 3021 US-Dollar. Woraus Markus Bußler, Experte, für Edelmetalle beim Anlegermagazin „Der Aktionär“, die beinahe schon philosophische Frage ableitet, „ist der Wert des Goldes dermaßen gestiegen oder hat Papiergeld im Umkehrschluss im gleichen Umfang an Wert verloren? Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte“, sagt Bußler im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Erklärungen für die „Gold-Rallye“ gibt es viele. „Zum einen führt die Politik des US-Präsidenten Donald Trump dazu, dass heute mehr Menschen befürchten, die angekündigten Zölle treiben die Inflation in die Höhe - Gold ist nun mal der klassische Inflationsschutz“, so Bußler. Als einen weiteren Grund verweist der Experte auf Berichte, „laut denen steigende Goldlieferungen vom Goldmarkt in London zum Goldmarkt in New York vermeldet wurden, weil befürchtet wurde, Trumps Zölle könnten eines Tages auch Edelmetalle betreffen und diese verteuern.“ Das führte bereits zu einer Verknappung in London, zu langen Lieferzeiten und sogar zu unterschiedlichen Goldpreisen auf beiden Märkten. Als weitere Faktoren spielten eine Rolle, dass die Notenbanken der Schwellenländer, vor allem China und Indien, ihre Goldreserven wieder aufstockten - nach einer längeren Pause.

Deren Anteil im Portfolio ist traditionell wesentlich geringer als jener westlicher Zentralbanken, liegt bei zehn (Indien) beziehungsweise fünf Prozent (China). Zum Vergleich: Die Bundesbank in Deutschland hält mehr als 70 Prozent ihrer Reserven in Gold. „In dem Monat, in dem Trump wiedergewählt wurde, hat China begonnen, pro Monat 5 Tonnen Gold dazuzukaufen – als Fingerzeig daheim, dass man sich weiter von den Dollarreserven in Richtung Gold diversifizieren würde“, so Bußler.

Sein stärkste Eigenschaft: Vertrauen

Eine der prägendsten Eigenschaften, die das Gold in den Augen der Menschen so wertvoll macht, ist Vertrauen – gewachsen in Jahrtausenden. „Gold ist die älteste Form des Geldes. Nach dem Tauschhandel nutzten die Menschen irgendwann das Gold zum Handeln. Es ist selten, aber auch nicht so selten, dass es gar nicht auffindbar ist“, erklärt der Autor des Buches „Gold - Player, Märkte, Chancen“, erschienen 2020 im Börsenbuchverlag. „Für eine Unze Gold bekam man im Alten Rom eine gute Toga, die damals typische Stoffbekleidung. Heute gibt es dafür immer noch einen guten Anzug“, so Bußler, „Gold hat im Prinzip der Inflation widerstanden und seine Kaufkraft immer erhalten“.

Während Regierungen die Währungsmengen beliebig ausweiten können, also Geld drucken, ohne dass es dafür einen Gegenwert gibt, ist die Vergrößerung der globalen Goldmenge kaum möglich: „Um rund 3500 Tonnen oder etwa 1,2 Prozent steigt die jährliche Menge an Gold weltweit durch Förderung – und es gibt nicht wenige Beobachter, die glauben, dass der Peak bereits überstiegen ist, dass die Goldmenge kaum noch zu steigern ist, was den Preis langfristig zusätzlich nach oben treiben würde“, so Bußler.

ARCHIV - 20.03.2023, Baden-Württemberg, Pforzheim: Bei der Agosi AG in Pforzheim werden frisch gegossene Goldbarren gezeigt, die einen Feingoldgehalt von 99,99 Prozent haben (obere Reihe 1 Kilogramm je Stück, mittlere Reihe 500 Gramm je Stück, untere Reihe 250 Gramm je Stück). Wachsende Sorgen vor einer Rezession in den USA treiben den Goldpreis kurz vor der Ostertagen in Richtung Rekordhoch. Im Verlauf der Woche fehlte nicht mehr viel zur Marke von 2075 Dollar je Feinunze aus dem Sommer 2020. (zu dpa: «Konjunktursorgen treiben Goldpreis Richtung Rekordhoch») Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Experten schätzen, dass lediglich noch Reserven von etwa 50.000 Tonnen Gold unter der Erde liegen, eine endliche Menge.

Experten schätzen, dass lediglich noch Reserven von etwa 50.000 Tonnen Gold unter der Erde liegen, eine endliche Menge. Neben dem Abbau von Goldvorkommen durch Bergbau vor allem in Staaten wie Kanada, Südafrika, USA, Australien, Russland, Chile, China, Indonesien, Mexiko und Papua-Neuguinea hat das Recycling an Bedeutung gewonnen – aus alten Elektrogeräten, vor allem in Handys und Laptops oder in Form von Bruchgold aus beschädigtem Schmuck. Ein Smartphone enthält nach einer Untersuchung des Öko-Instituts ungefähr 306 Milligramm Silber und 30 Milligramm Gold.

Es gibt noch eine dritte, theoretische Art der Goldgewinnung, die seit Jahrtausenden die Fantasie der Menschen anregt und im Mittelalter Alchemisten umtrieb: das „Goldmachen“, die synthetische Goldgewinnung.

Synthetisches Gold - eine Gefahr?

Damals schafften sie es nicht, Gold chemisch herzustellen, erfanden aber nebenbei so nützliche Dinge wie Schwarzpulver oder Porzellan. Doch in den 50er Jahren gelang tatsächlich Atomwissenschaftlern die synthetische Herstellung von Gold: Sie bearbeiteten unter einem enormen Energieaufwand das Metall Wismut in einem Teilchenbeschleuniger. Auch die Bestrahlung von Platin oder Quecksilber in einem Atomreaktor kann zum gewünschten Ergebnis führen.

Sind damit die Tage des „Goldstandards“, der letzten Bastion finanzieller Stabilität, gezählt? „Falls eines Tages Unmengen von Energie sehr kostengünstig zur Verfügung stehen - aber das ist nicht abzusehen. Die Verfahren zur Goldgewinnung sind enorm aufwendig und wenig ergiebig. Selbst bei heutigen Goldpreisen sind wir weit davon entfernt, dass solche Verfahren profitabel wären“, so der Gold-Experte Bußler.

Gold bleibt also rar. Eingeschmolzen würde die auf der Welt vorhandene Goldmenge einen Würfel von 21,71 Metern Seitenlänge ergeben. Der größte Teil davon lagert übrigens in Fort Knox, einem Stützpunkt der U.S. Army im US-Bundesstaat Kentucky. Dort verwahrt die Federal Reserve Bank of New York nicht nur die US-Goldreserven, sondern auch die Goldeinlagen von rund 60 anderen Ländern. Nach offiziellen Angaben lagern dort rund 147,34 Millionen Feinunzen Gold, was einem Buchwert von etwa 6,22 Milliarden US-Dollar entspricht.

Grafik-Diagramm Nr. 108680, 90 x 75 mm, "Der Goldpreis der letzten 12 Monate in US-Dollar"; Grafik: A. Zafirlis; Redaktion: J. John

Der Wert kennt nur eine Richtung: Der Goldpreis ist in den letzten Jahren gestiegen. Diese Grafik zeigt die Preisentwicklung der vergangenen zwölf Monate in US-Dollar.

Wichtig dabei: Gerechnet wird traditionell mit 42,22 Dollar pro Feinunze. Gemessen am aktuellen, extrem hohen Goldpreis entspräche der Schatz in Fort Knox einem Wert von etwa 446 Milliarden US-Dollar. Die Zahlen werden monatlich von der US-Regierung veröffentlicht.

Trotzdem reißen die Gerüchte über einen möglichen Schwund der Reserven nicht ab. Elon Musk, der das neu geschaffene Department of Government Efficiency (DOGE) leitet, hatte auf seinem Onlinedienst X mehrfach die Existenz der in Fort Knox gelagerten Goldreserven infrage gestellt. „Wer kann bestätigen, dass das Gold nicht aus Fort Knox gestohlen wurde?“, schrieb Musk und heizte damit Spekulationen an. Trumps eigenes Regierungsteam schickte sofort ein Dementi: Laut Finanzminister Scott Bessent werde das Gold jährlich überprüft und sei vollständig vorhanden.

Ist Fort Knox längst leer?

Seit den 1960er-Jahren kursieren immer wieder Behauptungen, das Lager sei leer oder das Gold sei verpfändet worden. Ein populäres Narrativ besagt, dass die US-Regierung das Gold während der Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte verkauft oder als Sicherheiten für Kredite genutzt habe. Einige Verschwörungstheoretiker behaupten sogar, dass das Gold während der Amtszeit von Präsident Richard Nixon, als die USA den Goldstandard aufgaben, nach Europa transferiert wurde.

Wahr ist, dass die letzte umfassende Bestandsaufnahme des Goldes in Fort Knox 1953 stattfand, als eine Gruppe von Journalisten und Senatoren eine offizielle Inspektion durchführte. Die Ergebnisse wurden damals als zufriedenstellend dargestellt, jedoch gab es keine detaillierte, unabhängige Prüfung. Weitere Überprüfungen erfolgten in den 1970er- und 1980er-Jahren, allerdings stets unter der Kontrolle des Finanzministeriums, was Kritiker bemängelten.

Der neuen Administration mit ihrem Hang zu Verschwörungen bleibt also genug Zeit, endlich Licht in die Gerüchte um Fort Knox zu bringen, so wie es von Trump schon mehrfach angekündigt wurde.

Viel älter als all die Gerüchte über Gold und sogar älter als unser Planet selbst ist das strahlende Edelmetall selbst. Gold entstand vor Abermillionen Jahren im Weltraum – durch eine sogenannte Supernova, der Explosion eines massereichen Sterns, eines wesentlich größeren als unsere Sonne, am Ende seiner Lebenszeit. Alles Gold stammt also aus den Weiten des Weltalls.

Einer, der der schönsten Hinterlassenschaft dieses kosmischen Bigbangs ganz dicht auf der Spur ist, ist Jim Wynder im „Chicken Gold Camp“ in Alaska. „Einen Nugget, eineinhalb Unzen schwer, hat hier ein Gast schon mal gefunden“, erzählt er – bei den heutigen Rekordpreisen für Gold wäre der gut 4800 Dollar wert, 4430 Euro.

Doch auch Wynder ist zufrieden. Nach minutenlangem Schwenkens bleiben tatsächlich mehrere metallisch glänzende Krümel am Rand der Pfanne übrig. „Die haben mindestens einen Wert von zehn“, sagt Jim, und fügt nach einer Pause grinsend „Cent“ hinzu – „ein Dime, mehr ist das nicht. Aber wir haben ja auch nicht wirklich viel dafür getan.“