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Dauernd krankWie Familien gut durch die Infektzeit kommen

Lesezeit 7 Minuten
Eine Mutter legt einem Kind die Hand auf die Stirn.

Bei Fieber helfen die Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen. ASS hingegen ist für Kinder unter 12 Jahren tabu.

Kleine Kinder schleppen im Herbst und Winter viele Viren und Bakterien nach Hause. Wie oft krank ist normal? Und was hilft dem Kind auf die Beine?

Viele Eltern kennen es: Kaum wird es kühler im Herbst, stehen laufende Nase, glasige Augen, heiße Stirn und viel Quengelei wieder an der Tagesordnung. Und zwar regelmäßig. Denn im Herbst und Winter wandert eine Vielzahl an Krankheitserregern durch Kitas und Familien.

Der Eindruck, dass der Nachwuchs bis ins Frühjahr hinein fast durchgehend krank ist, ist mehr als bloß eine gefühlte Wahrheit. „Für Kinder unter dem Schulalter sind pro Saison locker mal acht Infekte normal“, sagt Prof. Marcus Krüger, Chefarzt der Kinderintensivstation der München Klinik Schwabing und Harlaching. „Und wenn dann jeweils zehn Tage die Nase läuft, ist klar, dass Eltern das Gefühl haben: Das Kind kommt da gar nicht mehr raus.“

Warum werden Kinder im Herbst und Winter wirklich ständig krank?

In den Herbst- und Wintermonaten spielt sich ein Großteil des Lebens drinnen ab, daher kommen wir in dieser Zeit schneller mit Krankheitserregern in Kontakt. Etwa, weil sie - ausgeatmet von einer infizierten Person - in ganz feinen Tröpfchen durch die Luft schweben. Der Grund übrigens, warum regelmäßiges Durchlüften so wichtig ist.

Bei den ganz Kleinen gibt es allerdings eine Besonderheit: Ihr Immunsystem wird zum allerersten Mal mit diesen Erregern - vor allem sind es Viren - konfrontiert, wie Kinderarzt Ulrich Fegeler erklärt. Genauer gesagt: mit ihren Oberflächenstrukturen, die in der Medizin Antigene heißen. Treffen sie das erste Mal auf die Schleimhäute, kann sich das kindliche Immunsystem noch nicht gezielt zur Wehr setzen. Daher fallen diese ersten Infekte besonders heftig aus.

Auch wenn es Eltern wehtut, ihr Würmchen so kränkeln zu sehen - es ist für etwas gut: „Jedes Antigen, mit dem sich der Körper auseinandergesetzt hat, hinterlässt seine Spuren im Sinne eines Bauplans für einen entsprechenden Antikörper“, so Ulrich Fegeler. Heißt: Beim zweiten, dritten, vierten Kontakt mit dem Erreger verlaufen Infekte in aller Regel milder. Die Gedächtniszellen des Immunsystems können dann sehr schnell die Produktion von Antikörpern anstoßen, die den Erreger gezielt bekämpfen.

Für alle Eltern hat der Kinderarzt noch eine gute Nachricht: Einen Großteil der Erreger hake man etwa bis zum Schulkindalter ab. „Vorausgesetzt, dass sich das Immunsystem im entsprechenden Umfeld damit auseinandersetzen konnte.“ Geht das Kind in die Kita, ist das auf jeden Fall gegeben. Dort geben sich die Kinder Fegeler zufolge all das weiter, was vor Ort an Erregern vorherrscht.

Eine Mutter mit zwei Kindern spaziert in der Natur.

Das Immunsystem sollte gut funktionieren.Viel draußen sein, ausgewogen ernähren unterstützt es.

Gibt es einen Schutz vor Ansteckung?

Hier müssen die Kinderärzte enttäuschen. „Es gibt keine Alternative und keinen richtigen Schutz“, sagt Marcus Krüger. Eltern können aber dafür sorgen, dass das Immunsystem des Kindes - und auch ihr eigenes - möglichst gut arbeiten kann. Grundlagen dafür sind etwa viel Bewegung an der frischen Luft und eine ausgewogene Ernährung.

Und was ist mit Vitamin C, dem ein Schutz vor Erkältungen nachgesagt wird? „Das ist ein wichtiger Gehilfe in der Auseinandersetzung mit Krankheitserregern“, sagt Ulrich Fegeler. Teure Tropfen oder spezielle Produkte müssen aber nicht sein: In einer ausgewogenen Ernährung steckt genug Vitamin C. Viel von dem Vitamin ist in Kohl, Paprika, Kartoffeln, Zitrusfrüchten und Tomaten enthalten.

Sinnvoll außerdem: den Impfschutz prüfen und verpasste Auffrischungen nachholen. Unter die eher harmlosen Schnupfenviren mischen sich nämlich auch Erreger, die es richtig in sich haben, besonders für Menschen mit Vorerkrankungen. Das können Grippeviren sein, Masernviren oder Bakterien, die Keuchhusten auslösen können. „Wenn am Ende die ganze Familie flachliegt, dann sind das nicht Erkältungsinfekte, sondern oft Erreger, gegen die man impfen kann“, sagt Krüger.

Ein Kind sitzt beim Arzt.

Eine Grippeschutzimpfung wird gesunden Kindern nicht empfohlen. Es kann aber Gründe geben, warum der Piks trotzdem sinnvoll ist.

Sollte das Kind die Grippeschutzimpfung bekommen?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Piks nur Kindern mit Vorerkrankungen, gesunden Kindern jedoch nicht. „Aber von ihr wird auch nicht abgeraten“, sagt Kinderarzt Ulrich Fegeler.

Kinder werden mit dem Influenza-Erreger zwar leichter fertig als Erwachsene. Die Impfung kann aber etwa dann sinnvoll sein, wenn im Haushalt Personen leben, für die eine Grippe richtig gefährlich werden kann. Zum Beispiel, wenn der Papa gerade durch eine Chemotherapie geht, die sein Immunsystem schwächt. Ist das Kind gegen Grippe geimpft, sinkt das Risiko, dass es das Virus in die Familie trägt.

Das Kind hat es erwischt. Was können Eltern tun?

Es gibt kein Wundermittel. Hat sich das Kind einen Atemwegsinfekt eingefangen, können Eltern ihn nicht abkürzen. Sein Verlauf sei vorgegeben, sagt Ulrich Fegeler: „Es gibt kein Medikament, das gegen so einen Virusinfekt selbst wirkt.“

Ein Trostpflaster: Eltern können ihrem Kind die kranken Tage etwas erleichtern und darauf achten, dass es ihm möglichst gut geht. Dazu gehört in erster Linie und gerade bei Fieber: viel trinken, um den Verlust an Flüssigkeit durch das Schwitzen auszugleichen. Am besten sind Wasser oder warme Kräutertees.

Wenn das Kind gar nichts essen will, sind Eltern zwar oft besorgt. Kinderarzt Fegeler rät dann aber eher zu Gelassenheit als zum Reinzwängen. „Es ist normal, dass Kinder keinen Hunger haben, wenn sie krank sind. Der Körper gibt ein Signal, dass wir weglassen sollen, was für ihn jetzt eine Zusatzbelastung ist. Ernährung ist eine Belastung, sie muss verdaut werden.“ Meldet der Nachwuchs doch Appetit an, dann ist leicht verdauliche Kost gefragt, „so etwas wie Nudeln oder Suppen“, schlägt Fegeler vor. Hauptsache, nicht zu fettig, denn das liegt schwer im Magen.

Fühlt sich das Kind kalt an und zittert, sollten Eltern es warm einpacken. Sie sollten aber wissen: Auf dieses sogenannte Fieberzittern folgt in aller Regel eine Umschaltung: „Der Körper wird heiß und rot, will Wärme nach außen abgeben“, beschreibt Fegeler. Das sollte man ihm dann auch ermöglichen - und die dicke Decke wieder wegnehmen.

Der richtige Umgang mit Fieber

Generell gilt: Geht es um den richtigen Umgang mit Fieber, zählt mehr der Eindruck des Kindes als der Wert auf dem Fieberthermometer. „Wenn das Kind im Bett sitzt, eine schöne Geschichte auf den Ohren hat und fröhlich ist, dann darf es auch 38,9 Grad fiebern“, sagt Marcus Krüger.

Quengelt das Kind aber, wirkt matschig und klagt über Schmerzen, dann sind fiebersenkende Maßnahmen gefragt: Das können etwa Wadenwickel oder Fieberzäpfchen sein. Als fiebersenkende Wirkstoffe kommen Paracetamol und Ibuprofen infrage. ASS, also Acetylsalicylsäure (und damit etwa Aspirin), ist für Kinder unter 12 Jahren allerdings tabu.

Ein Kind liegt unter der Decke. Die Mutter legt ihre Hand auf die Stirn des Kindes.

Bei Fieber helfen die Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen. ASS hingegen ist für Kinder unter 12 Jahren tabu.

Was sind Anzeichen dafür, dass ein Infekt ernst ist?

Bei der Antwort auf diese Frage spielt das Alter eine Rolle. Je jünger das Kind, desto eher sollte ein Arzt oder eine Ärztin draufschauen. „Hat ein Neugeborenes, also in den ersten sechs Lebenswochen, Fieber, muss es sofort bei einem Arzt oder einer Ärztin vorgestellt werden“, sagt Marcus Krüger. Denn das ist bei ihnen sehr untypisch.

Fieber löst Besorgnis aus. Gerade junge Eltern kommen oft mit dem Nachwuchs in die Praxis, wenn dessen Temperatur steigt, berichtet Ulrich Fegeler. „Aber das ist auch gut so“, sagt er. Schließlich braucht es eine Weile - und ein paar Infekte -, bis Eltern ein Gefühl dafür entwickeln, wie sie das Kranksein des Kindes einordnen können.

Ein Warnzeichen ist auch, wenn das Kind, obwohl es vor zwei, drei Stunden Fiebersenker bekommen hat, keine Besserung zeigt. „Ist es immer noch schläfrig, vielleicht nicht voll ansprechbar, dann muss es in die Klinik oder zu Kinderarzt oder Kinderärztin“, sagt Marcus Krüger. Selbiges gilt für Fieberkrämpfe. „Wenn also die Kinder plötzlich anfangen zu zucken, die Augen verdrehen, ein paar Sekunden richtig bewusstlos sind“, sagt Ulrich Fegeler.

Eine Faustregel: Wenn sich der Nachwuchs so verhält, dass Eltern den Eindruck haben „Das ist nicht mein Kind, wie ich es kenne“, ist das meist Anlass genug, in der Arztpraxis vorbeizuschauen.

Husten oft ein Grund für den Arztbesuch

Auch bei sehr starkem oder merkwürdigem Husten gilt: abklären lassen. Zum Beispiel, wenn er an das heisere, keuchende Bellen eines Seehundes erinnert. Dahinter kann sich Ulrich Fegeler zufolge Pseudokrupp verbergen. „Dabei verkleinert sich der Kehlkopfinnenraum, was in aller Regel harmlos verläuft, aber ein Grund ist, in die Praxis zu kommen.“

Und wenn es sich um Husten handelt, der sehr hartnäckig bleibt, über Wochen hinweg? Das ist ein häufiger Vorstellungsgrund in der Kinderarztpraxis, berichtet Ulrich Fegeler. „In der Regel können wir die Eltern beruhigen. Der Husten ist ein wichtiger Reflex, um die Bronchien sauber zu halten.“ Und er kann als Begleitprodukt auch über einen Infekt hinaus noch eine Weile bleiben. Da so ein Husten allerdings auch auf ein Asthma hinweisen kann, ist eine Abklärung sinnvoll. (dpa)