Cybermobbing an Schulen„Gewalt ist subtiler geworden, die Folgen teils dramatisch“
- Cybermobbing ist ein großes Problem über alle Schulstufen hinweg. Kindern ist oft nicht bewusst, welche dramatischen Folgen es haben kann.
- Bildungsexperten und die Polizei erklären, welche Phänomene es im Netz gibt und wie Eltern ihren Kinder helfen können.
- Ein Polizist erklärt, wie schnell Kinder mit Cybermobbing oder Sexting eine Straftat begehen.
Köln – Nur ein Klick und die Lästerei über die ehemals beste Freundin wird an die ganze Stufe geschickt, das Gesicht einer Mitschülerin wird auf ein Nacktbild montiert und an alle Schüler geschickt. Nachrichten auf dem Smartphone enden nicht mit dem Pausengong.
Verspottungen, Fotocollagen, Beschimpfungen, sexistische Bilder – all dies tritt bei Cybermobbing auf, erklärt Ilka Hoffmann. Sie ist im Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Unsere repräsentativen Forsa-Umfragen zeigen, dass es Cybermobbing in allen Schulstufen gibt, aber einen größeren Stellenwert bekommt, je älter die Schüler sind.“
Das besondere Problem an Cybermobbing sei, dass Betroffene oft erst durch Dritte davon erfahren. Dazu komme, dass die „Ausbreitungsgeschwindigkeit- und Möglichkeit über verschiedene Kanäle nur schwer steuerbar ist“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).
Cybermobbing ist für Lehrkräfte schlecht sichtbar
Problematisch sei auch, dass Lehrer vom Mobbing selbst häufig nichts mitbekommen: „Eine Prügelei sehe ich, auch Mobbing in der Klasse bekomme ich mit, aber Cybermobbing läuft oft versteckt ab – und Lehrer bekommen höchstens die Auswirkungen bei den Kindern mit“, erklärt Hoffmann. Früher sei auf dem Schulhof mehr los gewesen, heute schauen die Schüler hingegen auf ihr Smartphone. „Die Gewalt ist subtiler geworden, das ist eine Nebenwirkung der Digitalisierung.“
Was sie ihren Mitschülern mit einer diffamierenden Nachricht oder dem Weitersenden eines Nacktbildes antun, ist Schülern nicht immer bewusst. Doch die Konsequenzen sind teils dramatisch: „Es gibt durchaus auch Fälle von Cybermobbing, in denen Jugendliche in die Depression oder Selbstmord getrieben werden“, sagt Hoffmann.
Schon Kinder werden zu Tätern bei Sexting und Cybermobbing
Kriminalhauptkommissar Hans-Jürgen Hülsbeck arbeitet im Themenbereich der Verhaltensprävention des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen und ist für den Bereich Internet zuständig. „Bei den Phänomenen Sexting und Cybermobbing haben wir viele Täter im Kinder- und Jugendalter. Die Tathandlung ist einfach und die Hemmschwelle gering“, beschreibt der Kriminalhauptkommissar die Problematik.
Freiwillig verschickte Nacktbilder können für Cybermobbing genutzt werden, diese Bereiche hängen stark zusammen. Wird ein erotisches Foto online gestellt, kann es in der Folge herabwürdigende und beleidigende Kommentare geben, erklärt Hülsbeck. „Das verursacht einen starken psychologischen Druck bei dem Opfer.“
Glossar der Netzphänomene
Sexting: Das einvernehmliche Verschicken von selbst gemachten erotischen Fotos oder Videos. Problematisch wird es, wenn ein Ex-Partner sich an der Ex-Freundin rächen möchte und das Bild online veröffentlicht, dann handelt es sich um eine Straftat, erklärt Kriminalhauptkommissar Hülsbeck. Machen unter 14-Jährige erotische Bilder von sich oder ihren Geschlechtsteilen, handelt es sich beim Anfertigen und Verschicken dieser Fotos um Kinderpornografie.
Cybermobbing: Das Mobben beziehungsweise Hänseln im Netz kann in Chats, per Mail, in Messenger oder Sozialen Medien auftreten. Die Form des Mobbing kann dabei variieren, von diffamierenden Bildern oder Videos, die verschickt werden über Gruppen, die nur für Lästereien gegründet wurde, bis hin zu Beleidigungen und Beschimpfungen.
Sextortion: Tortion kommt aus dem Englischen und bedeutet Erpressung. Täter treten über Freundschaftsanfrage in sozialen Medien oder Online-Spielen mit Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen in Kontakt. Mit schmeichelnden Nachrichten versuchen sie, das Vertrauen zu gewinnen. Das Opfer sendet dann zunächst freiwillig Nacktbilder oder erotische Aufnahmen von sich selbst. Der Täter erpresst dann das Opfer mit den Aufnahmen und verlangt Geld. Diese Täter sind professionell organisiert, sagt Hülsbeck.
Cybergrooming: Grooming kommt aus dem Englischen und bedeutet anbaggern, anmachen. Den Tätern geht es darum, ein Opfer zu finden und sich mit ihm sexuell auszutauschen, erklärt Hülsbeck. Der Täter manipuliert den Geschädigten und bringt ihn dazu, sexuelle Handlungen an sich selbst durchzuführen. Zu der Tätergruppe gehören häufig Pädophile, die Mädchen oder Jungen zu sexuellen Handlungen mit ihnen manipulieren wollen.
Weitergehende Informationen gibt es auf Informationsseiten der Polizei für Erwachsene und Kinder.
Erotische Bilder sind unter Umständen Kinderpornografie
Doch ein Kind unter 14 Jahren, das erotische Bilder von sich selbst erstellt, „hat oft kein Bewusstsein dafür, dass es problematisch sein kann oder sich gar um eine Straftat handelt.“ Dabei handelt es sich beim Anfertigen und Verschicken dieser Fotos um Kinderpornografie, erklärt Hülsbeck.
Wenn Bilder weitergeschickt würden, bestehe bei den Schülern oft kein Unrechtsbewusstsein. Es gibt aber auch Schüler, die gezielt Bilder verbreiten, um einen ehemaligen Freund zu schädigen. Ob die Kinder- und Jugendlichen sich bewusst sind, dass sie mit Bildern oder Nachrichten einen Mitschüler beleidigen oder nötigen, hänge auch stark vom Alter ab.
Erwachsene sind im Netz schlechte Vorbilder
„Dass Kinder bereits Cybermobbing betreiben, hat auch etwas mit der negativen Vorbildfunktion der Erwachsenen zu tun. Insbesondere der oft verwerfliche Sprachduktus in Sozialen Medien, die für Kinder leicht zugänglich sind, befördert dies“, sagt Udo Beckmann.
Sind Erwachsene schlechte Beispielgeber, lernen Kinder, dass es im Netz in Ordnung ist, andere Menschen zu beschimpfen und zu beleidigen, erläutert Ilka Hoffmann. Die Experten sagen, dass es wichtig ist, dass Erwachsene stärker auf bessere Umgangsformen im Netz achten.
Klima gegen Mobbing an Schulen als Schlüssel
Für Ilka Hoffmann spielt auch das Klima an der Schule eine Rolle: „Ob Cybermobbing gehäuft oder wenig auftritt, hängt davon ab, ob es an der Schule ein gelebtes Miteinander gibt. Die Schule muss dazu beitragen, Werte des Zusammenlebens und der Toleranz zu vermitteln. Um das umsetzen zu können, brauchen Schulen aber Unterstützung und Personal.“
Um Phänomene wie Cybermobbing oder Sexting an Schulen einzudämmen, sei „Medienbildung ein Schlüssel.“ Die beiden Bildungsexperten Udo Beckmann und Ilka Hoffmann betonen, wie wichtig es ist, dass Schüler wissen, dass sie sich bei Problemen an Vertrauenslehrer und Schulsozialarbeiter wenden können. Beckmann bemängelt, dass es „vielerorts an Schulen an genau diesem Personal fehlt“.
Eltern sollten auf Warnsignale achten
„Schüler sollten Mobbing nicht verschweigen, sich schämen und denken, dass es etwas mit ihnen zu tun hat. Denn Mobbing ist ein Vergehen, es ist nicht tolerierbar, wenn jemand einen anderen in den Sozialen Medien bloßstellt. Betroffene Kinder sollten sich an andere Schüler, Eltern, Lehrer wenden und sagen, dass ihnen Unrecht getan wird“, sagt Hoffmann.
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Eltern wiederum müssen bei ihren Kindern auf Warnsignale achten: Wenn Kinder nicht mehr schlafen können, nichts mehr essen wollen oder depressiv werden, könne dies für Mobbing-Probleme sprechen. Kriminalhauptkommissar Hans-Jürgen Hülsbeck rät: „Eltern müssen ihren Kindern vermitteln, dass sie mit Problemen nicht alleine sind, auch wenn sie von anderen Kindern geärgert oder gemobbt werden.“ Die Polizei sei für Betroffene eine gute Anlaufstelle, weil sie gut vernetzt ist und an Opferhilfen vermitteln kann.
Mobbing kann in den strafbaren Bereich gehen
Sind Kinder oder Jugendliche von ihren Mitschülern beleidigt oder genötigt worden, ist dies eine Straftat. „Bei Nachrichten oder Bildern, die verfasst wurden, ist es wichtig, dass Eltern diese Nachrichten mit Screenshots sichern, damit die Polizei ermitteln kann und im Falle einer Straftat der Täter auch verurteilt werden kann.“
Eltern, Schule, Polizei und auch die Politik müssten Kinder und Jugendliche immer wieder über aktuelle Entwicklungen im Netz aufklären. Der Kriminalhauptkommissar rät aus Sicherheitsgründen zur Datensparsamkeit im Internet: „Alles, was augenscheinlich umsonst ist, das bezahle ich im Netz mit meinen Daten. Gebe ich Daten freiwillig weiter, muss ich davon ausgehen, dass sie genutzt werden – im Zweifel auch von Kriminellen.“
Vor allem jüngere Kinder brauchen Hilfe
Für jüngere Kinder empfiehlt Hülsbeck, dass sie nicht mit ihrem Namen und der Anschrift online auftauchen sollten, besser sei ein Synonym. Der Name sollte aber nicht erotisch klingen. Je jünger der Nutzer ist, desto weniger kann er entscheiden und brauche Hilfe von Eltern, Lehrern oder der Polizei.