Museum LudwigWie zeigt man Kunst aus Afrika?
- Rassismus gibt es nicht nur in den USA. Sondern auch in Deutschland – und in der hehren Kunst.
- Das Kölner Museum Ludwig sucht in einer neuen Ausstellung nach Wegen, wie man afrikanische Kunst angemessen präsentiert.
- Es gibt mehr zu lesen als zu sehen. Aber das ist in diesem Fall okay.
Köln – Was hat der expressionistische Maler Emil Nolde mit Rassismus zu tun, was der russische Nationaldichter Alexander Puschkin mit dem kolonialen Erbe und was die Wall Street mit dem Sklavenhandel in Amerika? Und warum stehen Bücher von Puschkin, zu Nolde und der Wall Street jetzt mit Ernst Gombrichs „Geschichte der Kunst“, einem Band mit „Fröhlichen Geschichtchen aus Unserem Schönen Alten Deutsch-Ostafrika“ und Lehrbüchern zur Kolonialzeit in einer „Dynamische Räume“ betitelten Ausstellung im Kölner Museum Ludwig?
Mit diesen Fragen empfangen Julia Grosse und Yvette Mutumba das Kölner Publikum in ihrem an die Wand einer improvisierten Bibliothek gehängten „Willkommensgruß“. Einige Hundert Bücher zu Kunst, Rassismus, Politik und Kolonialismus stehen und liegen hier griffbereit aus, bewusst unsortiert, wie die Leiterinnen des Berliner Kunstprojekts Contemporary And betonen, damit sich der stöbernde Besucher möglicherweise fragt, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Auch die hehre Kunst ist voller rassistischer Klischees
Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass sich auch die hehre Kunst (und ihre Geschichtsschreibung) nicht selten rassistischer Klischees bedient. Und selbstredend gibt es, wie etwa Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior betonte, Rassismus auch in Deutschland. Da kann ein Crashkurs in der vielfältig nachwirkenden Geschichte des europäischen Kolonialismus sicherlich nicht schaden, obwohl Grosse und Mutumba kaum erwarten werden, dass sich tatsächlich jemand stundenlang in ihrer Bücherei vergräbt. Man kann diese aber auch einfach als Installation betrachten, die einem zeigt, wie viel es zum Thema zu sagen und zu diskutieren gibt.
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So manches könnte sich beim Stöbern (oder mit einem Seitenblick ins Internet) klären – dass Nolde einem Ideal des „Wilden“ frönte etwa und einer von Puschkins Urgroßvätern ein afrikanischer Sklave war. Aber die Frage, warum in einer Ausstellung zur afrikanischen (und afro-diasporischen) Kunst so wenig Kunst zu sehen ist, die geht dann doch ans Museum Ludwig und an Romina Dümler, die für die Gesamtausstattung der Dynamischen Räume verantwortlich ist.
Im ersten Raum der Ausstellung hängen die Kunstmagazine von Contemporary And an der Wand. Gleich gegenüber liegen die dünnen Heftchen gestapelt, der geneigte Besucher darf sie mit nach Hause nehmen. Im Anschluss folgt die Bibliothek, das „Center of unfinished business“, und erst danach laufen in einem schmalen Durchgang zwei Kurzfilme der Kunstkollektive Cuss (mit Vukani Ndebele) und Nest Collective. Beide Videos gehören zum Programm von Contemporary And und folgen im Wesentlichen der Nollywood-Mixtur aus seifigen Alltagsszenen und Exploitation-Kino, wie sie auf europäischen Kunstfilmfestivals seit längerem geschätzt wird. In „Streetkid“ von Cuss geht es etwa in beinahe klassischer Horrorfilmmanier um eine Familie, die ein Straßenkind aufnimmt und es bereut – sehenswert ist daran vor allem die Lässigkeit, mit der westliche Filmtraditionen für die eigenen Zwecke ausgebeutet werden.
Eine Liegende mit Springmesser
Der große Schlussauftritt gehört zwei Künstlerinnen: Nkiruka Oparah zeigt die Videoinstallation „Suoon“, in der die Grenzen zwischen Sonne und Mond, Tier und Mensch, Mann und Frau verwischen sollen, aber nur amorphe Wesen durch die Animationswelten altmodischer Grafikprogramme zu irren scheinen. Näher am Thema ist Frida Orupabo, die aufgerissene Münder mit Großaufnahmen zu fotografischen Zeichen von Aufruhr und Protest erhebt oder schwarze Frauen in Posen der europäischen Kunst mit Insignien der Selbstermächtigung versieht. Eine Liegende hält ein Springmesser in der Hand, eine Kauernde blickt den Besucher unumwunden an – dass beide Frauen mit Reißzwecken aus Einzelteilen zusammengesetzt wurden, macht ihnen nicht das Geringste aus.
Alles in allem gibt es in diesen Räumen mehr zu lesen als zu sehen. Was okay ist. Denn auch so wird deutlich, dass unser Bild von der Wirklichkeit Afrikas und afrikanischer Kunst erst noch im Werden ist.
„Hier und Jetzt im Museum Ludwig: Dynamische Räume“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 30. August