München – Zwischen Europa und den USA ist am zweiten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz ein handfester Streit über die Rolle des Westens in der internationalen Politik entbrannt. Während US-Außenminister Mike Pompeo am Samstag scharfe Kritik an einem Rückzug der USA aus der internationalen Gemeinschaft zurückwies, beklagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron „eine Schwächung des Westens“. Er forderte ein gemeinsameseuropäisches Vorgehen, damit Europa eine „strategische politische Macht“ werde.
US-Außenminister Pompeo weist Kritik von Bundespräsident Steinmeier zurück
„Der Tod der transatlantischen Allianz ist extrem übertrieben“, sagte Pompeo auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit Blick auf Kritik von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vom Vortag. Steinmeier hatte der US-Regierung von Präsident Donald Trump vorgeworfen, „der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage“ zu erteilen. „Diese Aussagen entsprechen nicht der Realität“, betonte Pompeo. „Der Westen gewinnt, und wir gewinnen gemeinsam.“ Pompeo verwies zur Begründung auf eine Reihe außenpolitischer Initiativen Washingtons: Die USA hätten die Nato in Osteuropa gestärkt und mit ihrem Rückzug aus dem INF-Abrüstungsvertrag mit Russland die „Glaubwürdigkeit“ internationaler Waffenkontrolle wiederhergestellt. Zusammen mit 81 weltweiten Verbündeten hätten die USA zudem die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) besiegt. „Ist dies ein Amerika, das die internationale Gemeinschaft zurückweist?“, fragte der US-Außenminister. „Die USA kämpfen für Souveränität und Freiheit“, sagte Pompeo. „Wir sollten Vertrauen in die transatlantische Allianz haben. Der freie Westen hat eine leuchtendere Zukunft als illiberale Alternativen.“
Er forderte zugleich eine Zusammenarbeit, um Bedrohungen etwa durch Russland und China entgegenzuwirken. Steinmeier hatte die 56. Auflage der Sicherheitskonferenz am Freitag mit einer eindringlichen Warnung vor einer „zunehmend destruktiven Dynamik der Weltpolitik“ eröffnet. Vom Ziel internationaler Zusammenarbeit zur Schaffung einer friedlicheren Welt entferne sich diese von Jahr zu Jahr weiter, sagte das deutsche Staatsoberhaupt. Der Trump-Regierung warf er eine Politik „auch auf Kosten der Nachbarn und Partner“ vor.
Macron: Deutschland handelt zu langsam
Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident Macron am Samstag in München. Die USA verfolgten seit einigen Jahren eine Politik, die „einen gewissen Rückzug und ein Überdenken ihrer Beziehung zu Europa“ beinhalte. Macron beklagte eine „Schwächung des Westens“ und verwies zugleich mit Blick auf Russland auf „Regionalmächte, die unsere Werte nicht teilen, die aber in unserer Nachbarschaft sind“. Er plädierte deshalb für eine „europäische Strategie, die uns erneuert und uns zu einer strategischen, politischen Macht werden lässt“.
Macron rief außerdem die Deutschen zu mehr Tempo bei der Reform Europas auf. Er sei zwar nicht „frustriert“, aber „ungeduldig“ angesichts zurückhaltender Reaktionen aus Berlin etwa auf sein Atomwaffen-Dialogangebot, sagte Macron. Zudem drängte er einmal mehr auf eine von Deutschland weitgehend abgelehnte Erhöhung der Staatsausgaben. Am Rande der Sicherheitskonferenz traf sich Macron auch mit mehreren deutschen Politikern, die auf Angela Merkel im Kanzleramt folgen könnten.
MSC 2020: Macron fordert „klare Antworten“ von Deutschland
Angesichts der drängenden Probleme in der EU mahnte Macron „klare Antworten“ Deutschlands und Frankreichs an. Er beklagte, dass Deutschland und Frankreich in ihren Beziehungen eine „Geschichte des Wartens auf Antworten“ hätten. In den kommenden Jahren werde es jedoch darauf ankommen, die „Souveränität auf europäischer Ebene“ deutlich schneller zu entwickeln. Angesichts der wachsenden Ablehnung in der Bevölkerung müsse das „europäische Abenteuer“ eine „neue Dynamik“ bekommen, sagte Macron.
Am Rande der Münchner Tagung knüpfte Macron Kontakte mit mehreren deutschen Politikern, die auf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) folgen könnten. Bereits am Freitagabend traf sich Macron zu einem Abendessen mit den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock. „Es war ein langes, intensives, zugewandtes Gespräch über die deutsch-französischen Zusammenarbeit und die unterschiedlichsten europäischen Fragen“, erklärte eine Sprecherin der Grünen. Das Gespräch habe drei Stunden gedauert, hieß es aus Parteikreisen. Es war das erste Zusammentreffen der Grünen-Chefs mit Macron, nachdem ein zuvor anvisierter Termin in Paris nicht stattgefunden hatte.
Türkei und Russland wollen über Krise in Syrien reden
Am Rande der Konferenz hat die Türkei Beratungen mit Russland über die Lage in der umkämpften syrischen Provinz Idlib angekündigt. „Unsere Delegation wird am Montag nach Moskau reisen“, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavasoglu am Samstag. Zuvor sei bereits eine russische Delegation in Ankara gewesen.
„Wir werden unsere Gespräche fortsetzen.“ Cavusoglu betonte, die Türkei sei nicht bereit, Angriffe der syrischen Regierung in Idlib zu akzeptieren. Sollten die diplomatische Bemühungen keine Früchte tragen, sei Ankara seinerseits zu dann notwendigen Maßnahmen bereit. Russland steht in dem Konflikt an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. (dpa/afp)