AboAbonnieren

Was wir von Köln aus ändern könnenSieben wichtige Botschaften des Klimaberichts

Lesezeit 1 Minute
Solaranlage

Solaranlagen auf Dächern sind ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Wir berichten künftig noch mehr über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, auf lokaler wie internationaler Ebene: Alle Themen von KStA Green des „Kölner Stadt-Anzeiger“ finden Sie unter ksta.de/green. Zudem starten wir unseren „Green“-Newsletter, den Sie kostenfrei abonnieren können (hier geht es zur Anmeldung).

Nicht mal eine Minute widmete die Tagesschau dem dritten und letzten Teil des Klimaberichts des Weltklimarats ICCP, der am Montag veröffentlicht worden ist. Was deshalb interessant ist, weil es ein Problem verdeutlicht: Wir sind als Gesellschaft mit immer mehr globalen Krisen konfrontiert, die unsere Aufmerksamkeit fordern. Völlig zurecht befassen sich Brennpunkte und Sondersendungen mit dem Ukraine-Krieg. Wir dürfen dabei aber die Metakrise Klima nicht aus dem Blick verlieren, nicht einmal ein bisschen. Worum also geht es in dem mit „Minderung des Klimawandels“ überschriebenen Bericht – was macht ihn so relevant? Wissenschaftler aus der ganzen Welt bewerten darin die Lage auf Basis des Forschungsstands und geben Handlungsempfehlungen. Ganz konkret geht es darum, welche Optionen den Ländern innerhalb weniger Jahre noch bleiben, um eine Erderwärmung mit katastrophalen Folgen zu vermeiden. Sieben wichtige Botschaften haben wir hier zusammengefasst.

Auf den Einzelnen kommt es (doch) anDas ist die wirklich gute Nachricht des neuen Klimaberichts: Niemand muss darauf warten, dass die Politik, dass Regierungen etwas unternehmen, jeder Einzelne kann aktiv dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen. Wenn jeder und jede sich und seinen Alltag prüft und an Stellschrauben dreht, hat das eine direkte Auswirkung. „Es ist erstaunlich, wie hoch der Bericht das Potenzial von Lebensstil-Änderungen einschätzt“, kommentiert Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im „Spiegel“. „Bisher hat man das oftmals nur als moralischen Appell von Umweltschützern abgetan – der Bericht beweist nun, dass jede Anstrengung wirklich spürbare Erfolge beim Kampf gegen den Klimawandel bringt.“ Ein paar Klassiker: Wir können mit dem Rad oder Bus und Bahn zur Arbeit fahren (dort, wo der ÖPNV das ermöglicht), wir können Strom sparen und klimafreundlicher heizen, wir können unseren Fleischkonsum reduzieren, versuchen, weniger Lebensmittel wegzuwerfen, und wir können regional und saisonal essen. Allein die Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung und die Müll-Vermeidung könnte, so schreibt der „Spiegel“, die weltweiten Emissionen pro Jahr um etwas mehr als zwei Gigatonnen reduzieren. Das entspricht immerhin drei Mal dem CO2-Ausstoß von ganz Deutschland. Die Mär „Ich allein kann ohnehin nichts ausrichten“ – sie ist einfach nur eine Mär.

Lokal kann global rettenNicht zuletzt der Ukraine-Krieg legt den Fokus radikal auf den Umbau hin zu erneuerbaren Energien. Diese machen uns unabhängig von autokratischen und kriegstreiberischen Staaten und gehören zu den wichtigsten Klimaschutz-Faktoren, müssen aber lokal und regional umgesetzt werden. Zum Beispiel in Köln. „Städte spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität“, sagt der Kölner Umweltdezernent William Wolfgramm. Viele der im Bericht genannten Maßnahmen könnten nur auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Ein wichtiger Baustein für die Energiewende in Köln ist der massive Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. „Wir könnten theoretisch rund 55 Prozent unseres Strombedarfes daraus decken. Bisher haben wir erst circa 1,4 Prozent erreicht. Hier ist also enormes Potenzial“, so Wolfgramm. Die gute Nachricht: Die Kosten für saubere Energien sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gefallen. Solarmodule sind beispielsweise um 85 Prozent günstiger geworden. Die schlechte Nachricht: Es braucht Fachkräfte, um Solarpanels auf Dächern anzubringen und Wärmepumpen zu installieren. Und die sind Mangelware. Ein weiteres Positivbeispiel aus Köln: die Einigung zwischen der Bürgerinitiative Klimawende Köln und der Rhein-Energie. Bis 2035 soll die Strom- und die Wärmeversorgung klimaneutral sein. Wolfgramm betont: „Die Erkenntnisse sind da, wir dürfen uns nicht mehr abhalten lassen zu handeln.“ Das gelte eben auch für jede einzelne Stadt.

Die Technik wird’s nicht (allein) lösenSynthetischer Kraftstoff für Flugzeuge ist ein Beispiel für eine Debatte, die in die falsche Richtung zu gehen droht. Die sich darum dreht, dass die Rettung der Welt ohne einschneidende Veränderungen des Lebensstils zu schaffen sein wird, weil es neue Technologien schon richten werden. Klar wäre es fantastisch, wenn es eines Tages gelingen würde, dass wir klimaneutral fliegen. Aber: Das wird noch viele Jahre dauern. Bis dahin hilft nur: deutlich weniger fliegen. Zukunftstechnologien werden hoffentlich auch dabei helfen, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Bis es soweit ist, führt kein Weg daran vorbei, unseren CO2-Ausstoß stark zu reduzieren und etwa auf die Aufforstung von Wäldern und den Schutz bestehender Wälder zu setzen, die CO2 binden. Anderes Beispiel: Bis nur noch E-Autos, E-Busse und E-Lastwagen auf den Straßen unterwegs sind, wird es lange dauern. Auch künstlich hergestelltes Fleisch steht wie viele andere technische Revolutionen noch am Anfang der Entwicklung. Wir können uns nicht mehr leisten, auf diese zu warten. Wertlos ist Technik aber keineswegs. Vor allem die, die bereits erfunden wurde, funktioniert nachweislich und muss nur noch genutzt werden. Noch einmal am Beispiel Solardächer: Ein neues Förderprogramm der Stadt Köln stellt jährlich 20 Millionen Euro zur Verfügung, um den Bau von Solaranlagen und Energieeinsparungen zu fördern. „Dieses Förderprogramm könnte aktueller nicht sein“, betont William Wolfgramm. „Wir wollen möglichst viele Kölnerinnen und Kölner dabei unterstützen, Energie einzusparen und so unser Klima zu schonen. Jede installierte Solaranlage auf Kölner Dächern zählt auf dem Weg zur Klimaneutralität.“ Das Ziel der Stadt, das bis Sommer in einem Maßnahmenkatalog konkretisiert wird, steht inzwischen fest: Klimaneutralität bis 2035. Technik wird allein nicht reichen, sie soll aber entscheidend helfen.

Klimaschutz bedeutet Freiheit, nicht VerzichtDie Empörungswelle war riesig, als die Grünen im Wahlkampf den „Veggietag“ in den Kantinen dieser Republik vorschlugen. So groß, dass es sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag gibt, der die Causa für die Ewigkeit zusammengefasst hat. Die Grünen, eine Verbotspartei. Unabhängig davon, wie man zu der Partei oder dem Vorschlag steht: Es ist uns nicht gelungen, über die Notwendigkeiten zu sprechen, die er zum Ausdruck bringt. Verbot und Verzicht dominieren den Diskurs über Klimaschutz. Fleisch, vor allem billiges, schadet nicht nur Tieren, sondern auch uns Menschen und dem Klima. Klimaschutz ist nicht die Sache einer Partei. Und Klimaschutz kann auch Freiheit, Lebensqualität, Gesundheit und Glück bedeuten. Ein Tempolimit als reine Freiheitsberaubung zu begreifen, verkennt nicht nur, dass die Maßnahme eine der einfachsten und kostengünstigsten kleinen Schrauben wäre, den CO2-Ausstoß zu verringern. Sondern auch, dass sie etliche Verkehrstote verhindert. Klimaschutz gegen Freiheit? Ganz so einfach ist es nicht.

Klimaschutz muss sozial gerecht seinWohlhabende Menschen belasten das Klima überdurchschnittlich stark. Die Autoren der Studie empfehlen darum, zunächst auch dort anzusetzen. Es gibt zahlreiche Ideen, wie sich Klimaschutz sozial gerecht umsetzen ließe. Nur mal am Beispiel Fliegen: Gerecht wäre es doch, dass die eine Flugreise im Jahr nach Mallorca im Sommerurlaub bezahlbar bleibt, Öfter- und Vielflieger aber deutlich höher besteuert werden. Morgens mit dem Flieger auf Geschäftsreise nach London und abends zurück – mehrmals im Monat? Das muss kosten. Auch beim Benzin könnte gelten: Statt den Sprit in der aktuellen Krise für alle günstiger zu machen, sollten lieber Menschen mit geringen Einkommen deutlich entlastet werden.

Es hat sich schon einiges bewegtEine weitere Erkenntnis im Bericht: Die Weltgemeinschaft hat sich auf den Weg gemacht, was Klimaschutz angeht – doch gibt es auch viele hehre Worte, denen noch Taten folgen müssen. Zu viel, was bereits in Klimaschutz-Gesetzen verankert ist, wird bislang nicht eingehalten, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist viel zu groß. „Die aktuellen Ereignisse um den schrecklichen Krieg in der Ukraine stellen uns hier vor neue Fragestellungen, mit denen es umzugehen gilt“, sagt Wolfgramm. „Wichtig ist aber, dass wir an unserem Ziel festhalten, auch wenn der Weg dorthin Alternativen verlangt.“

Radikal muss normal werdenNur mit einer raschen und drastischen Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes ist die Erderwärmung nach Einschätzung des Weltklimarats auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. „Wir sind an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern“, sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee sehr deutlich. Dringlichkeitsstufe: hoch. Faulheit, Unlust, Gewohnheit, geringe finanzielle Mittel – Ausreden gelten jetzt nicht mehr: Nicht mitzumachen beim Projekt Weltretten darf keine Option mehr sein. Jeder muss auf seine Weise helfen, den Klimawandel zu bremsen, jeder muss mit dafür sorgen, den Kindern, die jetzt geboren werden, einen Planeten zu hinterlassen, der nicht komplett im Eimer ist. Unnötige Autofahrten müssen genauso geächtet werden wie der Dauerkonsum von neuen Klamotten, Kurzstrecken- Inlandsflüge, das Wegwerfen von Lebensmitteln oder Stromverschwendung. Falls Sie sich jetzt erschrocken haben: Sorry, das war nötig – denn wer seinen Punkt klarmachen will, muss überspitzen. Radikal muss das neue Normal werden.