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Debatte über Down-Syndrom-Tests„Wollen wir nur Menschen, die keine Mühe machen?“

Lesezeit 3 Minuten
Bluttest

Bluttests auf Down-Syndrom könnten zur Kassenleistung werden. Doch was macht das mit den betroffenen Frauen?

  1. Soll der vorgeburtliche Bluttest auf das Down-Syndrom eine Kassenleistung werden? Im August will der Bundestag darüber entscheiden
  2. Elzbieta Szczebak, Geschäftsführerin vom Deutschen Down-Syndrom InfoCenter, ist gegen die Tests. Sie befürchtet einen enormen Druck auf Frauen allen Alters.
  3. Das Argument der sozialen Gerechtigkeit hält sie für ein Scheinargument

Frau Szczebak, der pränatale Bluttest zur Erkennung von Trisomie 21 vor der Geburt soll möglicherweise Kassenleistung werden. Wie stehen Sie dazu?

Eine Reihenuntersuchung können wir natürlich nicht gut heißen. Unsere Befürchtung ist: Das erzeugt enormen Druck auf Frauen allen Alters. Denn auch junge Schwangere wird man demnächst fragen: Hast du den Test gemacht? Der ist ja jetzt Kassenleistung.

Die Möglichkeit des Bluttests gibt es seit 2012. Und Fruchtwasseruntersuchungen kann man auch machen lassen. Wäre eine Bezahlung durch die Kasse nicht in gewisser Weise gerecht, weil es auch finanziell schwachen Schwangeren die Möglichkeit geben würde, Bescheid zu wissen?

Das Argument der sozialen Gerechtigkeit ist meines Erachtens nur ein Scheinargument. Es geht in erster Linie nicht ums Geld, sondern um eine ethische Haltung. Es ist bereits heute so, dass Ärzte zu Schwangeren sagen: „Das Kind müssen Sie nicht bekommen. Sie probieren es einfach wieder, schwanger zu werden.“ Natürlich haben Eltern das Recht, sich dagegen zu entscheiden, aber solche Aussagen von Seiten der Ärzte machen mich sprachlos.

Müssen Ärzte da besser geschult werden?

In jedem Fall ist es wünschenswert, das Fach Ethik für Medizinstudenten als ein Pflichtfach einzuführen. Ebenfalls sollten künftige Ärztinnen und Ärzte lernen, wie man Diagnosen vermittelt und Gespräche einfühlsam führt.

Die Pränataldiagnostik ist aber ja auch eine Errungenschaft, die Kinderleben rettet.

Natürlich. Wir sind grundsätzlich nicht gegen den medizinischen Fortschritt. Dass bestimmte angeborene Erkrankungen im Mutterleib operiert werden können, war das ursprüngliche Ziel der Pränataldiagnostik. Aber ich finde, sie hat sich in eine Richtung entwickelt, die nicht mehr schaut, wo sie helfen kann, sondern sie dient häufig nur als vermeintliche Bestätigung, dass alles gut ist. Und wenn das nicht der Fall ist, sortieren wir ungeborene Kinder aus, die einer sogenannten Norm nicht entsprechen. Ich frage mich: Welche Auswirkungen hat das auf uns als Gesellschaft?

Sie beraten Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom erwarten. Was brauchen die am meisten?

Ganz viel Information. Wir erklären und erzählen, wie es ist, ein Kind mit Down-Syndrom zu haben. Wir versuchen, Eltern zu stärken. Ich maße mir nicht an, zu sagen: Ihr müsst dieses Kind bekommen. Aber so zu tun, als bedeute ein Kind mit Behinderung zu bekommen, ein Abschied vom glücklichen Familienleben, das ist nicht in Ordnung und entspricht nicht der Erfahrung der meisten Familien. Das macht es außerdem für Menschen mit Behinderungen noch schwerer, in unserer Gesellschaft gleichberechtigt zu leben.

Die UN-Behindertenrechtskonvention trat 2008 in Kraft. Sehen Sie diese in Ihrer täglichen Arbeit verwirklicht?

Die internationalen Abkommen und juristischen Grundlagen sind sehr wichtig. Wir haben in dieser Hinsicht einiges erreicht. Aber es gibt auch einen Riesenwiderspruch zwischen der Rechtslage und der Realität. Wir glauben, dass wir tolerant sind. Aber dann selektieren wir stillschweigend doch. Es kommt noch viel Arbeit auf unsere Gesellschaft zu.

Fürchten Sie, es könnte bald auch Untersuchungen geben, ob das Kind vielleicht mal fettleibig wird oder konzentrationsgestört?

Das ist medizinisch natürlich noch nicht ganz so einfach. Bei den Trisomien muss man „nur“ das genetische Material sequenzieren, das heißt sehr vereinfacht gesagt, man zählt und hat das Ergebnis. Aber ich kann mir vorstellen, die Menschheit wird auch vieles mehr noch schaffen. Deshalb ist die Frage durchaus legitim: Wann besinnen wir uns endlich und sagen Stopp? Wollen wir nur Menschen, die kerngesund sind und sozusagen keine Mühe machen? Wie gehen wir mit den alten und kranken Menschen um? Auch sie könnten als „Kostenfaktor“ und insofern lästig für die Gesellschaft sein. Vielleicht bricht sich hier eine Hemmungslosigkeit Bahn, die wir meiner Meinung nach rechtzeitig stoppen sollten.