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Dialekt an Rhein und RuhrWoher kommen Wörter wie Plauze, plästern oder Plümo?

Lesezeit 5 Minuten
Kölner Dom dpa

Blick auf die Kölner Altstadt

NRW – Warum sagt man eigentlich plästern, wenn es vom Himmel schüttet? Woher kommt das Wort maggeln? Und wieso heißt es schäbbich? Peter Honnen, Sprachwissenschaftler beim Landschaftsverband Rheinland, hat gefragt, geforscht und viel gelesen – und gibt nun im „Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr“ aufs vergnüglichste Antworten – auf streng wissenschaftlicher Basis, wie Damian van Melis, Leiter des Greven Verlags, betont.

„Vor ein paar Jahren noch“, sagt Honnen, „habe ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, die Arbeit anzugehen.“ Aber dann habe es ihn gepackt. Was wir für rheinisch halten, stammt manchmal aus dem Niederländischen, mal aus dem Keltischen oder aus dem Niederdeutschen. Vieles auch von den Römern, die Wörter wandern seit 2000 Jahren den Rhein hinauf und hinunter.

Plästern kommt vom lateinischen plastrum, nämlich Mörtel. Und wenn Mörtel gegen die Wand plästert, klingt das wie Regen. Maggeln, etwas aushandeln oder aushecken, ist die rheinische Verballhornung von „makeln“. Schäbbich ist nicht römisch, sondern altnordisch – skapp bedeutet Räude, Krätze. Er wolle, sagt Honnen, „das Typische erforschen“.

Wortforscher dpa

Peter Honnen (Archivbild)

Dabei ist es nicht immer einfach, den Wörtern und ihrer Herkunft auf die Schliche zu kommen. Das Jiddische hat sich eingebürgert, das Rotwelsche der fahrenden Händler und Räuber; niederländische Wörter haben an Rhein und Ruhr inhaltlich andere Karrieren gemacht als in Holland. Die Umgangssprache zu erforschen, ist eine ebenso vergnügliche wie spannende Reise quer durch die Geschichte der Region.

Honnen: „Dialekte habe eigentlich ein eher schlechtes Image. Wenn Sie wollen, dass jemand lächerlich wirkt, setzen sie ihm ein Käppi auf und lassen ihn Ruhrgebietsdeutsch sprechen.“ Dass in der Umgangssprache viel mehr steckt als die Fähigkeit zu lautmalerischen Schöpfungen, für die es im Hochdeutschen gar keine Entsprechung gibt, dass sie durchzogen ist von all den Kulturen, die das Rheinland prägten – auch das will er mit dem pinkfarbenen Prachtband zeigen. Der legendäre „Neue kölnische Sprachschatz von Adam Wrede“, der dem Kölsch ein Denkmal setzt, hat einen adäquaten rheinischen Bruder bekommen.

Einige der Begriffe haben den Weg in den Band über das Mitmachwörterbuch genommen, das Honnen seit zehn Jahren online betreibt. Es vergeht keine Woche, an dem nicht jemand einen Satz oder ein Wort samt Erklärung hinzufügt, Tausende von Stichworten sind zusammengekommen, an manchen hat sich Honnen die Zähne ausgebissen. Längst nicht alle Mutmaßungen lassen sich gültig belegen, man kann die Varianten genüsslich miteinander vergleichen. Für die rätselhaften Fälle hat Honnen noch ein paar Jahre Zeit bis zum Ruhestand. Bleibt zu hoffen, dass ihn nicht der Pips erwischt – eine fiese Erkältung, die uns die Römer beschert haben: Pipare heißt Pfeifen. Und wer erkältet ist, hört sich genau so an.

Zum Schluss kommen wir zum fummeln. Wer gut fummelt, kann gut Fußballspielen, gut „dribbeln“; fummeln bedeutet natürlich auch einander betatschen. Und wer nur einen leichten Fummel trägt, verweist ebenfalls auf das englische to fumble, das niederländische fommeln und das schwedische fumla – was „sich unruhig hin und herbewegen“ bedeutet.

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All das Wissen aus dem Wörterbuch befähigt einen am Ende zum prollen. Was Autor Honnen nie täte, und was auch nicht von Proleten kommt – sondern von prahlen. Einige Beispiele:

Jückeln: Auch als „jöckeln“ bekannt. Wird genutzt, wenn jemand nur zum Zeitvertreib umherfährt. Beispielsatz: „Der kommt da ganz gemütlich angejückelt“. Honnen schreibt, dass „jückeln“ nichts mit „jucken“ zu tun habe, sondern ein eigenständiges Verb sei. Es gibt einen Beleg für einen Ursprung im mittelhochdeutschen „jöuchen“ oder „jouchen“, was „jagen“ oder „treiben“ bedeutet. Um 1500 sei es auch als „jöken“ belegt, das „weggehen“ bedeutet.

Prängel: „Kann im Rheinland alles sein, was länglich, dick und derb ist“ schreibt der Autor - meist ein Knüppel, Ast, Totschläger oder eine Stange. Verwendung finde es aber auch als „Prängel“ Fleischwurst, bei einer dicken Brotscheibe oder bei einem Penis. Schon im Mittelniederdeutschen sei die „prange“ ein Pfahl oder eine Stange, an dem oder der man etwas anbindet. Man kennt es heute noch vom Pranger.

Knöttern: Auch „knüttern“ oder „knottern“. Bedeutet: nörgeln, meckern, quengeln. Beispiel: „Wat bisse am knöttern, passt dir wat nich?“ Das Wort habe nichts mit dem Knoten oder mit dem Knurrlaut eines Hundes zu tun, schreibt Sprachforscher Honnen. Es handele sich um ein altes niederdeutsches Verb, das im Mittelniederdeutschen als „knoteren“, im Mittelniederländischen etwa als „cnoteren“ belegt sei, als „brummen“ oder „murren“. In der niederländischen Mundart sei es weit verbreitet.

Plauze: Weithin bekannt als Bezeichnung für einen dicken Bauch. Beispiel: „Du hass aber ne ganz schöne Plauze gekricht!“ Im Ruhrgebiet ist auch „abplauzen“ bekannt. Dann sitzt man auf dem Sofa und isst Chips. Honnen schreibt, dass „Plauze“ eines der seltenen slawischen Lehnwörter in der Umgangssprache sei - die im Sorbischen und Polnischen verwandten Wörter bedeuten „Lunge“ oder „Lungenflügel“.

Frickeln: An einer Reparatur versucht. Beispielsatz: „Da hat der sich wat zusammengefrickelt, dat funktioniert nie.“ Das Wörterbuch verortet den Ursprung zwischen Hunsrück und Niederrhein. Im niederdeutschen Sprachraum bedeute „wriggeln“ „hin und her rütteln“. Das rheinische „frickeln“ sei wohl damit verwandt. Die Bedeutung als „eine stümperhafte Arbeit verrichten“ bezeichnet der Sprachforscher allerdings als „exklusiv rheinische Sonderentwicklung“. (mit dpa)