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Jeder Fünfte fühlt sich einsam„Dieser Befund ist dramatisch und muss uns alarmieren“

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Einsamkeit betrifft seit Beginn der Pandemie auch vermehrt junge Menschen.

  1. Schon vor der Pandemie fühlten sich auch viele junge Menschen einsam.
  2. Arndt Klocke, stellvertretender Vorsitzender der NRW-Grünen, schlägt vor, das Thema Glück und Psychische Gesundheit schon in den Schulen zu behandeln.
  3. Er meint außerdem: „Einsamkeit ist ähnlich wie Mobilität oft auch eine Frage des Geldbeutels“

Die Enquete-Kommission zum Thema Einsamkeit und Isolation hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Was ist für Sie das zentrale Ergebnis?Klocke: Mich hat überrascht, dass Studien zu Folge bis zu zwanzig Prozent der Menschen, also jede und jeder Fünfte in NRW, über Einsamkeit klagen. Dieser Befund ist dramatisch und muss uns alarmieren. Diese Zahlen wurden schon vor Beginn der Coronakrise erhoben. Wir stellen fest, dass sich das Problem durch die Pandemie noch weiter verschärft hat.

Wie erklären Sie sich die hohe Einsamkeits-Quote?Ich hatte bislang vermutet, dass vor allem älteren Menschen von Einsamkeit betroffen sind, also zum Beispiel Senioren, die ihren Partner verloren haben und dann alleine weiterleben müssen. Aber die Spannbreite ist viel größer. Es hat sich herausgestellt, dass sich auch ein erheblicher Anteil von jungen Menschen sozial isoliert fühlt.

Arndt Klocke

Was sind die Ursachen für Einsamkeit von jungen Menschen?Von Schulabgängern und Berufsanfängern wird heute eine große Flexibilität erwartet. Wenn Sie an einen neuen Wohnort ziehen, fällt es vielen schwer, auf Anhieb Anschluss zu finden. Die Isolation wird durch das digitale Arbeiten im Homeoffice zum Teil noch verstärkt. An den Hochschulen hatten Erstsemester wegen Corona keine Chance, die Mitstudierenden kennen zu lernen. Aber auch in den höheren Semestern gibt es ein Einsamkeitsrisiko, wenn zum Beispiel Prüfungen und Abschlussarbeiten anstehen. Für Betroffene gibt es meist keine ausreichende Beratungsinfrastruktur. Das kann zum Teil leider weitreichende Folgen haben.

Was meinen Sie damit?Wenn Sie ein psychologisches Problem nicht schnell behandeln, dann wächst der Schmerz an – so wie bei einem Loch im Zahn, das nicht behandelt wird. Vielen Menschen fehlt die Achtsamkeit für die seelische Gesundheit. Sie haben an der Schule alles Mögliche fürs Leben gelernt. Aber nicht, was zu tun ist, wenn es ihnen mental nicht gut geht.

Sie meinen, der Umgang mit psychischen Problemen sollte auch in der Schule vermittelt werden?Genau. Das schlagen wir Grüne vor. Das Schulministerium muss die Lehrpläne so ändern und ergänzen, dass der Umgang mit psychologischen Krisensituationen, Psychische Gesundheit und Glück zum Beispiel im Sozialkundeunterricht der Mittelstufe behandelt wird. Sollte es zu einer grünen Regierungsbeteiligung kommen, schlage ich vor, den Umgang mit dem Thema Einsamkeit im Koalitionsvertrag zu verankern.

Und was wollen Sie tun, um den Alten zu helfen, die unter Einsamkeit leiden?Da gibt es natürlich auch kein einfaches Rezept. Wir müssen das Problem strukturell angehen. Wir wissen, dass Menschen, die in abgelegenen Bereichen mit schlechter Verkehrsanbindung wohnen, eher ein Risiko haben zu vereinsamen als Leute, die in der Stadt leben. Wobei es auch mitten in den Städten Einsamkeit gibt. Einsamkeit ist ähnlich wie Mobilität oft auch eine Frage des Geldbeutels. Je ärmer ein Mensch ist, um so höher ist sein Einsamkeitsrisiko. Das liegt auch daran, dass sich viele Ärmere schämen, ihre soziale Lage preis zu geben. Im Mobilitätsbereich muss die Politik dafür sorgen, dass die Ticketpreise für Menschen mit geringen Einkommen erschwinglich bleiben. Die Kostensteigerungen beim Sozialticket in NRW müssen dringend abgefedert werden. Dies haben wir Grüne mehrfach in den Haushaltsdebatten beantragt.

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Wenn der Bus häufiger kommt und billiger wird bleibt die Frage, wohin man fahren soll.Klar. Aber die Politik hat den Auftrag, Strukturen zu schaffen, die der Einsamkeit entgegenwirken. Da gibt es zum Beispiel in der Stadtplanung viele Ansätze. In der Kölner Clouth-Siedlung wurde ein großer Begegnungsraum mit Wiese und Spielplatz geschaffen, der bei gutem Wetter von allen Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt wird. Bei künftigen Planungen müssen Kommunikationsmöglichkeiten viel mehr mitgedacht werden. Es gibt zu wenig öffentliche Treffpunkte wie Marktplätze, Skateparks, Spielplätze oder öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken. Wir brauchen künftig ganzheitliche Konzepte bei der Stadtplanung.

Brauchen wir einen Einsamkeitsminister?Nein. Aber es wäre angezeigt einen Landesbeauftragten zu installieren, bei dem alle Aktivitäten gebündelt werden. Darüber waren wir uns in der Enquetekommission einig. So könnten Wissenschaft, soziale Arbeit, Gesundheitsversorgung, Pflegedienste und Psychotherapeuten besser vernetzt werden. In den anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, gibt es solche Beauftragten bereits. Wir müssen das Thema stärker in den Fokus der Gesellschaft rücken und enttabuisieren.