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Nach Erschütterungen in BergheimSo groß ist die Erdbebengefahr in Köln und im Rheinland

Lesezeit 6 Minuten
Die Stadt Köln ist schemenhaft am Horizont im Dunst zu erkennen, während im Vordergrund Wiesen im Ortsteil Oberschönrath grün leuchten.

Der Blick auf die Stadt Köln, die geologisch in der Kölner Bucht liegt.

Das Rheinland gehört zu den aktivsten Erdbebengebieten in Deutschland. Erst vor wenigen Wochen hat es in Bergheim ein leichtes Beben gegeben.

Alles wackelt, die Erde bebt. Gebäude erzittern und stürzen in sich zusammen. Überall in der Stadt fallen Trümmer herunter, Straßen reißen auf und geben die Abgründe unter ihnen preis. Schüler bringen sich in Klassenräumen unter ihren Tischen in Sicherheit. Das sind die Bilder, die viele von uns vor ihrem geistigen Auge sehen, wenn von Erdbeben die Rede ist.

Solche schweren Schäden treten jedoch in unseren Breiten nicht so häufig auf wie in anderen Regionen der Welt. In Japan, der Türkei oder in Italien kommt es mit größerer Regelmäßigkeit zu schweren Beben. Auch in Deutschland und im Rheinland sind allerdings schwere Beben möglich.

Entwarnung in Bergheim: Beben war durch Tagebau verursacht

Erst kürzlich wurde die Kreisstadt Bergheim von einem Erdbeben erschüttert. Mitten in der Nacht zitterten Wände und klirrten Gläser. Einige Anwohnende spürten die Erschütterungen deutlich und machten sich Sorgen.

Doch kurze Zeit später kam die Entwarnung: Das Beben wurde durch den nahegelegenen Tagebau verursacht – es hatte also keine natürliche Ursache. Und die Stadt trug keine Schäden davon. Dennoch war der Schreck erst einmal groß und ganz so einfach abtun sollte man den Gedanken eines natürlich auftretenden Erdbebens in dieser Gegend auch nicht.

Die Niederrheinische Bucht ist eins von drei großen Erdbebengebieten in Deutschland

Denn das Rheinland liegt im am stärksten von Erdbeben gefährdeten Gebiet in Deutschland – das Weite suchen müssen wir aber trotzdem nicht. Mit dem Erdbebengebiet im Rheinland und dessen potenzieller Gefahr kennt sich der Erdbebenwissenschaftler Dr. Marco Pilz vom Deutschen „Geo Forschungs-Zentrum“ (GFZ) in Potsdam aus. Dort erforscht er Verstärkungseffekte von Erdbeben anhand der Eigenschaften des Bodens.

„Das Rheinland gehört zur Niederrheinischen Bucht“, erklärt er. „Die Niederrheinische Bucht, das Gebiet südlich von Leipzig bis ins Vogtland hinein und die schwäbische Alb sind die drei größten Gebiete in Deutschland, in denen es vergleichsweise deutlich häufiger bebt“ – jedenfalls verglichen mit dem Rest des Landes.

Die folgende Karte des GFZ Potsdam zeigt Risikogebiete für Erdbeben in Deutschland:

Deutlich zu erkennen sind die dunkler eingefärbten Gebiete, die die drei großen Erdbebengebiete in Deutschland erkennbar machen. Die dunkelrot eingefärbten Bereiche beschreiben dabei eine zehnprozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Bodenbeschleunigung von zwei Metern pro Quadratsekunde in den nächsten 50 Jahren überschritten wird. Zum Vergleich: Statistisch wird bei einem Erdbeben für Köln ein Wert von 0,5 bis 0,7 m/s² berechnet, so Marco Pilz. Erdbeben mit einer solchen Stärke der Bodenbewegung treten statistisch alle 475 Jahre auf.

Während das Rheinland also innerhalb Deutschlands mit am stärksten durch Erdbeben gefährdet sei, liege es im weltweiten Vergleich eher bei einer mittleren Gefährdung. „Das schließt Erdbeben-Vorkommnisse hier natürlich nicht aus, aber sie sind seltener“, sagt Pilz.

Verheerendstes Beben: „Großes Beben von Düren“ im Jahr 1756

Ein starkes Erdbeben ereignete sich 1951 in Euskirchen und richtete großen Schaden an, so stürzte zum Beispiel das Gewölbe einer Kirche ein. Das stärkste historisch belegte Erdbeben in dieser Gegend ist das große Erdbeben von Düren am 18. Februar Jahr 1756. Gegen 8 Uhr morgens bebte die Erde so stark, dass in den Bereichen um Köln, Aachen, Jülich und Münstereifel zahlreiche Gebäude schwer beschädigt wurden. Vereinzelte weitere Schäden an Gebäuden zogen sich bis Brüssel, Gießen und Osnabrück, heißt es bei der Erdbebenstation Bensberg. Zu spüren war das Beben noch in London, Magdeburg und Straßburg.

Ein schwarz-weiß Bild des Innenraums einer Kirche. Im Gewölbe ist ein großer Teil herausgebrochen und eingestürzt.

In Euskirchen verursachte das Erdbeben 1951 große Schäden an Gebäuden. In einer Kirche stürzte das Gewölbe ein.

Die Abteilung Erdbebengeologie der Universität Köln fand anhand historischer Quellen heraus, dass damals im Raum Aachen mindestens eine Person durch herabfallende Trümmer erschlagen wurde. Viele Schornsteine an Gebäuden stürzten ein, in Hürtgen löste das Beben einen Erdrutsch aus.

Das Beben hatte eine Magnitude von 6,4 und liegt damit im mittleren bis oberen Bereich der Erdbebenstärke, die in Deutschland erreicht wird. Die Magnitude ist ein einzelner physikalischer Parameter, der das Beben beschreibt, und wird oft mit der Intensität verwechselt. Die Intensität ist jedoch nicht objektiv. Je weiter entfernt man vom Epizentrum des Bebens ist, desto geringer ist sie. Die in Europa verwendete Intensitätsskala geht von eins bis zwölf, während die Magnitudenskala nach oben offen ist. In der Regel werden Erdbeben laut Marco Pilz bei einer Magnitude ab etwa vier gefährlich und verursachen Schäden.

Auch heute noch gibt es regelmäßig Erdbeben in der Niederrheinischen Bucht, die meisten sind jedoch so schwach, dass wir sie nicht spüren. Der geologische Dienst NRW erfasst Erdbeben in der Region ab einer Magnitude von 0,3. Wirklich spürbar werden sie oft erst ab einer Magnitude von mindestens zwei oder höher. Zuletzt gab es zum Beispiel ein Erdbeben bei Euskirchen am 7. September mit einer Magnitude von 0,4 bis 0,6.

Weiche Sedimente wie in und um Köln verstärken Bodenbewegungen

Marco Pilz forscht am GFZ in Potsdam unter anderem daran, welche Auswirkungen ein ähnliches Beben in der heutigen Zeit haben könnte. Dafür wertet er sogenannte Verstärkungseffekte aus, die bei Erdbeben vorkommen. „In der Regel beeinflussen oberflächennahe Schichten der Erde die Bodenbewegung bei einem Beben sehr stark“, so Pilz. „Meine Aufgabe ist es, diese Verstärkungseffekte zu quantifizieren.“ Der Seismologe erklärt das so: „Bei einem Beben ist es ähnlich wie in einem Gewächshaus, in das Sonnenenergie hineinkommt, aber dort gefangen gehalten wird. Genauso ist es bei Erdbeben, wenn Energie in oberflächennahe Schichten gelangt und sich dort entlädt.“

Das Problem: In der Region rund um Köln sind die oberflächennahen Bodenstrukturen relativ weich und teilweise auch sehr dick. „Viele Menschen denken, die weichen Sedimente würden die Bewegung, die durch Erdbeben im Boden ausgelöst wird, eher abfedern“, erklärt Pilz. „Dem ist aber nicht so. Sie verstärken die Bodenbewegungen. Harte Gesteine sind zum Beispiel für Gebäude ein sichererer Untergrund.“

Verpflichtende Erdbebensicherung an Gebäuden gibt es in der Region erst seit 20 Jahren

Vor einigen Jahren hat er zusammen mit anderen Wissenschaftlern eine Risikoanalyse für die Stadt Köln erstellt. Dabei ging es um das Szenario eines Erdbebens am Erftsprung – einer Verwerfung in der Niederrheinischen Bucht – bei einer Magnitude von 6,5. „Wir haben damit modelliert, wie groß die Auswirkungen in der Stadt Köln mit über einer Million Einwohnern und rund 170.000 Wohngebäuden sein würden.“

Pauschale Aussagen zu Gebieten, die besonders gefährdet sind, seien dabei nicht so einfach möglich. Doch klar sei: „Der Gebäudebestand in vielen Teilen Kölns ist oft recht alt. Dort werden die Schäden größer sein als bei neueren Gebäuden.“ Das liege daran, dass in der Region erdbebensicheres Bauen erst seit etwa 20 Jahren verpflichtend ist, so Pilz. Vorher, genauer: seit dem Erdbeben von Euskirchen von 1951, das viele Schäden an Gebäuden anrichtete, habe es lediglich Empfehlungen gegeben.

„Das heißt: Nur die in den letzten 20 Jahren gebauten Gebäude befolgen demnach die Gesetze. Denn die technischen Baubestimmungen für Erdbeben sind in Deutschland erst seit 2006 verpflichtend.“ Vorher sei es lediglich empfohlen worden, den Bestimmungen zu folgen. Allerdings: „So starke Beben wie das von Düren treten in unserer Region statistisch nur etwa alle 2000 bis 3000 Jahre auf.“

Sähen sich die Menschen im Rheinland tatsächlich einmal mit einem heftigeren Erdbeben konfrontiert, sei es vor allem wichtig, Schutz unter einem stabilen Gegenstand zu suchen, sagt Pilz. „Denn die größte Gefahr geht von herunterfallenden Gegenständen wie Glas und Gebäudeteilen aus.“ Am besten suche man daher Schutz unter einem Tisch oder Bett. Draußen sollte man sich auf eine freie Fläche begeben, wo man sicher vor herunterfallenden Gegenständen ist.