70 Prozent Fichten verlorenBad Münstereifel will bei Nachpflanzungen experimentieren
Bad Münstereifel – Die ältesten Hemlocktannen-Arten sind bis zu 1400 Jahre alt, wenn man einem Online-Lexikon glaubt. Ob jemals in dieser langen Zeit mit solcher Vehemenz um den Baum aus der Familie der Kieferngewächse diskutiert wurde, wie jüngst im Betriebsausschuss Forstbetrieb in Bad Münstereifel, ist nur schwer vorstellbar.
Es ging um die Herbstpflanzung, die jetzt ausgeschrieben werden sollte, weil nach den Windwürfen und Schäden durch Borkenkäferbefall Baumschulen größtenteils ausverkauft sind. Deshalb sollen die entsprechenden Pflanzen frühzeitig beschafft werden. Weil jedoch niemand genau weiß, welche Bäume vom Klimawandel am wenigsten betroffen sind, will Förster Stefan Lott im Bereich der Nachpflanzungen ein wenig experimentieren, etwa mit Douglasie, Küstentanne, Baumhasel, Roteiche, Tulpenbaum, Esskastanie – und eben der Hemlocktanne, von der 1000 Stück gekauft werden sollen.
„Wir haben in der Fraktion über die Hemlocktanne gesprochen. Sie ist gut, aber für uns nicht geeignet. Wir haben zu wenig Niederschlag, zu viel Windwurf, zu viele Schädlinge und sie ist hoch invasiv“, sagte Ausschussvorsitzender Horst Dürholt (CDU). Außerdem stehe die Hemlocktanne nicht auf der Empfehlungsliste des Landesbetriebes Wald und Holz, wiederholte er mehrfach.
Vorkommen auch in Kall und Nettersheim
Dem stimmten Stefan Lott und Christoph Böltz, Leiter des Regionalforstamts Hocheifel-Zülpicher Börde, nur bedingt zu. Die Hemlocktanne sei im Münstereifeler Stadtwald schon vertreten und vor allen Dingen quicklebendig, so Lott. Böltz nannte weitere Vorkommen im Gebiet der Gemeinden Kall und Nettersheim.
„Sie hat eine anständige Bewuchsleistung, ein angenehmes Waldbild und hat sich nicht als anfällig erwiesen. Wir sollten sie in ganz vorsichtigem Maße ausprobieren“, sagte Böltz. Eine Nicht-Empfehlung durch den Landesbetrieb sei außerdem nicht gleichzusetzen mit einer Ablehnung.
Die Grünen unterstützten die Experimentierfreude des Forstbetriebs. Auch Thomas Bell (Linke) sagte, man müsse für die Zukunft Erkenntnisse über andere Baumarten erlangen: „Das ist letztendlich eine Lotterie.“
Zuschlagskriterien
Allerdings gab es noch einen weiteren Punkt im Beschlussvorschlag, mit dem die Politiker nicht ganz einverstanden waren. Die Zuschlagskriterien bei der Pflanzenbeschaffung – gemeint sind der Preis und die Herkunft der Pflanzen – sollen sich laut Verwaltung die Waage halten.
Das sah Bernhard Ohlert (CDU) jedoch anders: „Wir sollten bevorzugt eigenes Saatgut kaufen. Wenn es das nicht gibt, sollte auch der Preis eine Rolle spielen.“ Mit eigenem Saatgut ist solches gemeint, das aus dem Bad Münstereifeler Wald stammt.
Förster Stefan Lott schlug als Kompromiss eine Gewichtung von 80 zu 20 zugunsten der Herkunft der Pflanzen gegenüber dem Preis vor. Bis auf Edmund Daniel (UWV), der sich enthielt, stimmte der Ausschuss diesem Vorschlag zu.
Die Waldsituation
Die Zahlen für das Jahr 2021 lesen sich zunächst positiv: Auch wenn noch nicht alle Buchungen vollzogen worden sind, schließt der Forstbetrieb das Wirtschaftsjahr mit einem dicken Plus ab. Ursprünglich angesetzt war ein Ertrag von rund 1,46 Millionen Euro, geworden sind es nach aktuellem Stand 2,21 Millionen Euro. Weil gleichzeitig auch knapp 19.000 Euro mehr ausgegeben wurden als geplant, ergibt sich aktuell ein Jahresgewinn von gut 730.000 Euro.
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Doch die Erklärung ist alles anderes als positiv zu sehen. „Die Mehreinnahmen im Holzverkauf, im Vergleich zum Planansatz, ergeben sich durch die Zwangseinschläge in der Fichte, bedingt durch Borkenkäferkalamitäten“, nannte der Forstbetrieb die Gründe.
Auch ging es um den aktuellen Stand der Waldschäden. Schwere Stürme 2017 und 2018, extreme Dürre und Hitze 2018 bis 2020 und die massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern habe der Wald nicht ausgehalten. Bundesweit seien von 2018 bis 2021 etwa 20 Prozent des Fichtenvorrats als Kalamitätsholz angefallen. NRW hat die Hälfte der Fichtenvorräte verloren, Bad Münstereifel sogar 70 Prozent. Auch 2022 sei mit hohem Schadholzanfall zu rechnen. „Es ist traurig, dass ein so großer Anteil in drei Jahren weggefallen ist“, sagte Dr. Kerstin Oerter (Grüne).