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Konzert in Bad MünstereifelDuo begeisterte mit lang verschollenen Klezmer-Stücken

Lesezeit 3 Minuten
Links steht Susi Evans und spielt Klarinette, rechts sitzt Szilvia Csaranko mit ihrem Akkordeon.

Bei ihrem Auftritt im Kulturhaus Theater 1 präsentierten Susi Evans (l.) und Szilvia Csaranko lange verschollen geglaubte Klezmer-Werke.

Szilvia Csaranko und Susi Evans begeisterten die Zuhörer im Theater 1 in Bad Münstereifel mit Klezmer. Die Stücke, die sie spielten, waren lange verschollen.

Ein einzelner Karton im Keller der Vernadsky-Nationalbibliothek in Kiew sorgte vor einigen Jahren für großen Jubel unter zahlreichen Musikfreunden. Rund 1400 Melodien, Sagen und Dokumente, die sich mit der jiddischen Kultur in Osteuropa befassen, schlummerten in dieser lange verloren geglaubten Verpackung.

„Für uns war es damals, als würde man heute noch ein paar neue Kompositionen von Beethoven entdecken“, schwärmte Musikerin Szilvia Csaranko. Die wieder aufgetauchten Notizen stammten zwar nicht aus der Feder des 1827 verstorbenen Komponisten, aber ihre geschichtliche Bedeutung wiegt ebenfalls schwer.

Die Forscher hatten Angst, die jiddische Kultur würde verloren gehen, und wollten sie für ihre Nachkommen bewahren
Szilvia Csaranko

In der Zeit zwischen 1912 und 1914 wurden bei ethnographischen Untersuchungen in der Ukraine sämtliche Unterlagen zusammengetragen, um das Erbe einer ganzen Kultur zu bewahren. „Die Forscher hatten Angst, die jiddische Kultur würde verloren gehen, und wollten sie für ihre Nachkommen bewahren“, erklärte Szilvia Csaranko. „Sie konnten damals noch gar nicht ahnen, wie recht sie mit ihren Befürchtungen hatten.“

Lieder galten mehr als 100 Jahre als verschollen

Zu diesem Zweck sei eine Expedition von Dorf zu Dorf gezogen, habe sich von den örtlichen Musikern deren Lieder vorspielen lassen und dann handschriftlich festgehalten. Mehr als 100 Jahre lang galten die gesammelten Daten als verschollen, bis eben besagte Karton wieder auftauchte. Am Sonntag kamen die Besucher des Kulturhauses Theater 1 in Bad Münstereifel in den Genuss einer Auswahl jener Werke aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Bereits seit 2019 spielt Szilvia Csaranko mit Susi Evans als Duo zusammen, die beiden Musikerinnen haben sich auf Klezmer-Musik, die ursprünglich in den jüdischen Gemeinschaften Osteuropas bei Hochzeiten und anderen Festen gespielt wurde, spezialisiert. Der Fund in der Kiewer Nationalbibliothek stellte für beide daher einen großen Schatz dar.

Publikum war begeistert von Musik voller Lebensfreude

„Wir sind während der Corona-Pandemie auf die Lieder, die heute glücklicherweise alle online für jeden zur Verfügung stehen, aufmerksam geworden“, so Csaranko. „Wir hatten also ausreichend Zeit, fast die Hälfte der 1400 Werke zu spielen und eine Auswahl jener Melodien zu treffen, die uns in besonderem Maße berührt haben. Diese Auswahl möchten wir heute präsentieren.“

Nicht nur vor mehr als 100 Jahren während großer Hochzeitsfeiern, sondern auch am Sonntagabend sprühten die vorgetragenen Klezmer-Stücke voller Lebensfreude. Zu der mitreißenden Tanzmusik wippten auch bald die Konzertbesucher im Bad Münstereifeler Kulturhaus mit Kopf und Händen im Takt und ließen ihrer Begeisterung freien Lauf.

Von den imposanten Klängen, zu denen das Brautpaar nach seinem Ja-Wort den ersten gemeinsamen Tanz vollführte, bis zu den „Dobranoc“, mit denen die Ehrengäste bei den Feierlichkeiten willkommen geheißen wurden, präsentierten die beiden Instrumentalistinnen einen eindrucksvollen Einblick in die Klezmer-Musik.

„Es ist für uns beide eine große Freude und Ehre, diese Stücke spielen und mit unserem Publikum teilen zu können“, freute sich Szilvia Csaranko. „Für uns ist es aufregend, nach so langer Zeit Stücke zu spielen, die schon vor über 100 Jahren Menschen begeistert haben und mit deren Hilfe wir die jiddische Kultur auch heute noch erlebbar machen können.“