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Verkehr in Bad MünstereifelStadtrat hält Bürgerbegehren für unzulässig

Lesezeit 4 Minuten
Auch die Orchheimer Straße und die Marktstraße sollen Fußgängerzone werden. Hier Bilder vom 20. Juni 2023.

Auch die Orchheimer Straße und die Marktstraße sollen im Jahr 2024 zur Fußgängerzone werden.

Die Mehrheit im Stadtrat von Bad Münstereifel hat dem Bürgerbegehren der IG Kernstadt einen Riegel vorgeschoben.

Der Rat der Stadt Bad Münstereifel hat das von der IG Kernstadt angestrebte Bürgerbegehren mehrheitlich für unzulässig erklärt. Gegenstimmen gab es lediglich von der SPD-Fraktion und vom fraktionslosen Thomas Bell (Linke). Die anderen Fraktionen (CDU, Bündnis 90/Grüne, UWV und FDP) folgten der Vorlage der Stadtverwaltung. Die IG Kernstadt bereitete nach Informationen dieser Zeitung am Mittwoch bereits die Klage vor dem Verwaltungsgericht vor.

Stephan Helbig, Anwalt bei der Kanzlei Lenz und Johlen in Köln, erklärte in der Sitzung am Dienstagabend im Rathaus, dass es sich ausschließlich um eine formelle und nicht um eine inhaltliche Betrachtung des Bürgerbegehrens handele. Dabei gehe es auch darum, zu schauen, was der Rat schon alles beschlossen habe.

Helbig habe „drei bis vier Ratsbeschlüsse identifiziert“. 2017 und 2018 wurde der Weg frei gemacht für ein Mobilitätskonzept, im Juni 2020 sei es mit Zielen und Grundsatzentscheidungen getroffen worden, darunter auch für die verkehrliche Neugestaltung der Kernstadt. Dieses Konzept wurde dann ausgearbeitet und schließlich im März 2023 beschlossen.

Positives Begehren würde jegliche Entwicklung für zwei Jahre verhindern

„Wenn man sich das Bürgerbegehren anschaut, zielt es darauf ab, dem Beschluss vom 30. März nicht zuzustimmen“, so Helbig. Das Begehren wolle den Status quo beibehalten, also die Regelungen so, wie sie aktuell sind. Wäre das Bürgerbegehren erfolgreich, würde es an Stelle des Ratsentscheides treten.

Da ein erfolgreiches Bürgerbegehren eine zweijährige Sperrwirkung habe, würde also in diesen zwei Jahren jegliche Neugestaltung der Verkehrssituation in der Stadt ausgehebelt. Helbig kommt zu dem Schluss, dass das Mobilitätskonzept von 2020 maßgeblich sei und nicht die Ausarbeitung, weshalb das Bürgerbegehren bereits im Jahr 2020 hätte gestartet werden müssen.

Dem widersprach die SPD. „Bei dieser Kontroverse sollten die Bürger das Wort haben“, sagte Karl Michalowski, der auch Zweifel an der Bewertung durch Stephan Helbig hat. Der SPD-Fraktionschef interpretiert das Bürgerbegehren so, dass es nur den Beschluss vom 30. März 2023 aufheben wolle. „Es ist unredlich, das Bürgerbegehren mit einem Kniff zu verhindern“, so Michalowski. Der Streit in der Bürgerschaft werde bleiben.

Thilo Waasem sieht im Beschluss 2020 keine konkreten Maßnahmen

Sein Parteifreund Thilo Waasem weiß als Jurist, dass es in der Juristerei unterschiedliche Auffassungen gebe. Aus seiner Sicht gab es 2020 keine Festlegung und keine konkreten Maßnahmen. „Die weiteren Beratungen bis März 2023 haben gezeigt, dass es keinerlei Vorfestlegungen gegeben hat. In der Ratssitzung selbst sind ja noch Änderungen eingebracht worden“, so Waasem.

2020 sei noch nichts konkret gewesen, deshalb habe man auch nichts bewerten können. Der Hinweis, dass das Bürgerbegehren bereits 2020 hätte gestartet werden müssen, sei lebensfremd. Auch Frank Terschanski hält die Nicht-Zulässigkeit für einen juristischen Kniff und forderte, mehr Demokratie zu wagen.

Thomas Bell (Linke) hatte bereits vor der Ratssitzung Stellung bezogen. Eine Fußgängerzone, durch die wegen all der Ausnahmen dann doch Autos führen, sei ein Etikettenschwindel, weshalb er Shared Spaces bevorzuge. Zum Gutachten teilt er die Meinung Michalowskis, dass es nur um die Beschlüsse aus dem März 2023 gehe und nicht um die vorangegangenen Beschlüsse – in denen sei das Thema Fußgängerzone nie als Maßnahme enthalten gewesen. „Wenn man partout etwas umsetzen will, klammert man sich an alles“, so Bell. Helbig argumentiert allerdings, dass die Sperrung der Straße bereits 2020 ersichtlich gewesen sei.

CDU und Grüne vertrauen der Stellungnahme des Anwalts

„Die Juristerei lebt von der formaljuristischen Betrachtung“, sagte Ludger Müller (CDU). Es gehe nicht um die politische Betrachtung, das sei aufgrund der Gewaltenteilung auch nicht möglich. „Da wir nicht über die juristische Expertise verfügen, sollten wir nicht einfach über [die rechtsgutachterliche Stellungnahme, d. Red.] hinwegwischen“, so Müller. Laut seiner Einschätzung sei bereits 2020 vieles, aber nicht alles, konkret gewesen.

„Auch wir verfügen über keine Juristen in unseren Reihen“, sagte Dr. Kerstin Oerter (Grüne), weshalb man der „unabhängigen und schlüssigen Expertise“ der Kanzlei folge. „Wir Grüne sind aber nicht gegen Mittel, mit denen sich Bürger direkt demokratisch beteiligen können“, so Oerter weiter.

Höhere Instanzen könnten anders entscheiden

So sieht es auch Edmund Daniel (UWV). Die Stellungnahme sei von einem renommierten Verwaltungsjuristen erstellt worden. Würde man dieser nicht folgen, „schießen wir uns ins Knie“, so Daniel.

Helbig selbst gibt zu, dass höhere Instanzen (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und Bundesverwaltungsgericht) die Sachlage unterschiedlich bewerten könnten.