Bad Münstereifel-Iversheim – Das Dorf Iversheim gehört zu den Orten, die am schlimmsten von der Flutkatastrophe getroffen wurden. Ganze Straßenzüge sind zerstört, einige Bewohner haben ihr Zuhause verloren. Nach fünf Wochen geht es aber aufwärts für den kleinen Ort und die Menschen – auch dank des Dorfverschönerungsvereins und seiner „wirklich unbürokratischen“ Soforthilfe.
Viele haben mit angepackt
„Nach der Flut haben viele Leute aus dem Ort mit angepackt. Aber wir dachten uns: In unserem Alter ist Schlamm schippen nicht mehr das Richtige“, sagt Helmut Ruß, Vorsitzender des Dorfverschönerungsvereins. Helfen wollen habe man trotzdem. Sein Vereinskollege Lutz Untermann lieferte sofort eine Idee: eine Spendensammlung für alle Iversheimer, die von der Flut betroffen sind.
In der glühenden Sommerhitze hätten sie dann die Flyer mit Informationen über die Aktion in mehr als 200 Briefkästen geworfen, erläutert der 78-Jährige. „Am Abend wussten wir, dass wir was getan hatten.“ Mit einer großen Resonanz rechnete der Dorfverschönerungsverein nicht – und lag völlig falsch. Denn die Iversheimer teilten den Spendenaufruf in den Sozialen Medien.
Sie schickten ihn an Freunde, Verwandte und jeden, den sie kannten. Ehemalige Iversheimer, die in der ganzen Republik verstreut leben, erfuhren von dem Aufruf und warben um Spenden für ihr Heimatdorf.
Auch aus Belgien kam Geld
Aus Hamburg und Bremen kam das Geld, aus Leipzig und sogar aus Belgien. Untermann, dessen Tochter in Brandenburg wohnt, bat dort um Hilfe. „Sie hat bestimmt ein Viertel der ganzen Spenden in Berlin und Brandenburg gesammelt,“ sagt Untermann. Die kleine Spendenaktion wurde zur großen: 167 000 Euro landeten auf dem Konto des Dorfverschönerungsvereins.
„Zuerst wollten wir an jeden Haushalt 500 Euro auszahlen. Aber wir hatten noch jede Menge Geld übrig“, sagt Ruß. Also hätten sie jedem Haushalt 650 Euro ausgezahlt – plus weitere 50 Euro für jede Person in diesem Haushalt. Insgesamt hat der Verein 230 Haushalte mit seiner Soforthilfe unterstützt. Ruß verspricht: „Ein paar kriegen das Geld noch nachträglich.“ Sie hätten sich bisher noch nicht gemeldet.
Lage hat sich beruhigt
Nicht nur der Dorfverschönerungsverein hat sich dafür eingesetzt, dass es in Iversheim wieder aufwärts geht. Der Dorfsaal öffnet jetzt nur noch einmal täglich. Was schlecht klingt, ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn die Bürger von Iversheim brauchen nun Alltägliches wie Kleiderspenden nicht mehr – sie sind mit dem Notwendigsten versorgt. Die Lage habe sich sehr beruhigt, sagt Ruth Cziraky.
Die Iversheimerin hilft im Dorfsaal aus. „Aber das Essen können wir noch nicht runterfahren. Viele Leute haben keine Küche mehr.“
Auch Geräte wie Waschmaschinen – im Dorfsaal lagern sogar Exemplare in Originalverpackung – würden noch gebraucht. Es gibt aber auch Dinge, die dem Helferteam des Dorfsaals fehlen: Nasssauger und Bautrockner. „Die Häuser fangen langsam an zu schimmeln. Sie müssen dringend getrocknet werden“, erläutert Cziraky. Doch nirgends seien etwa Bautrockner zu bekommen.
Treffpunkt für die Bürger
Der Dorfsaal erfüllt teilweise auch wieder ähnliche Funktionen wie vor dem Hochwasser. Er dient als Treffpunkt für die Bürger von Iversheim. Für die Kinder etwa bauten Helfer eine Leinwand auf, damit sie Filme gucken können. Sogar eine Art Fest hat schon stattgefunden: der Tag des offenen Dorfsaals.
Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung
Hotlines des Kreises Euskirchen: Bürgerfragen, Helfer
Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-KatastropheViele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:
In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.
Hotline der Bezirksregierung
Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.
Bargeld-Versorgung
Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.
Es gibt aber auch Bürger, die den Optimismus nicht teilen. Gerüchte kursieren im Dorf, dass sechs oder sieben Häuser so stark zerstört sind, dass sie abgerissen werden müssen. „Ich verstehe nicht, wieso wir nicht gewarnt wurden. Die Feuerwehr ist mehrmals an unserem Haus vorbeigefahren. Gesagt hat sie nichts“, sagt eine Iversheimerin, die ihr Zuhause in den Fluten verloren hat. Der Feuerwehr mache sie aber keine Vorwürfe. „Die haben auch nur das gemacht, was sie konnten.“
Auch von Plünderern berichtet sie, die selbst Holzbalken aus eingestürzten Fachwerkhäusern klauen. Sie hoffe, dass die Verwaltung von Bad Münstereifel aus der Katastrophe lerne, sagt die Iversheimerin. „Dieses Mal hat sie es fast das Leben gekostet.“
Zerstörten Spielplatz wieder aufbauen
Nicht nur für die Verwaltung gibt es in Iversheim noch viel zu tun. „Wir würden gerne unsere eigentliche Aufgabe wieder aufnehmen. Aber wir können keine Blumen pflanzen, wenn andere an ihren Häusern bauen“, sagt Helmut Ruß. Das halte er für falsch. Für den Verein haben deshalb andere Dinge Priorität. Lutz Untermann etwa will so schnell wie möglich den zerstörten Spielplatz in der Nähe der Erft angehen.
Aber auch die Fußgängerbrücke, die über die Erft zum Kindergarten des Deutschen Roten Kreuzes führt, ist für den Verein ein wichtiges Thema. Hilfe kommt auch hier wieder von außerhalb: Bei einem Benefizkonzert im Münsterland wurden Spenden für den Neubau der Holzbrücke gesammelt. Im Moment gibt es nur ein provisorisches Bauwerk des Technischen Hilfswerks.
Ihre Zuversicht haben die Iversheimer trotz der Flut nicht verloren. In den 1960er-Jahren habe es jedes Jahr Hochwasser an der Erft gegeben, erinnert sich Ruß. Damals habe es das Rückhaltebecken bei Schönau noch nicht gegeben. „Doch so was wie dieses Mal – das haben wir noch nicht erlebt. Das war wirklich ein außergewöhnliches Hochwasser“, sagt Ruß. Und das mache ihm Hoffnung. „Vielleicht bleibt ein außergewöhnliches Hochwasser außergewöhnlich.“
Und weil viele Iversheimer diese Hoffnung teilen, sind in den Straßen überall Bohrmaschinen und Dieselgeneratoren zu hören. Ihr Zuhause wollen die Bewohner nicht aufgeben.