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Smarter BauernhofDieser Landwirt aus Münstereifel ist ein Star bei Instagram und Tiktok

Lesezeit 7 Minuten
Landwirt Sebastian Bützler kniet neben einem Kalb.

Das Tierwohl spielt für den 40-jährigen Kolvenbacher, der aktuell für den Ceres-Award nominiert ist, eine große Rolle.

Sebastian Bützler aus Bad Münstereifel-Kolvenbach ist für den Ceres-Award nominiert und könnte Landwirt des Jahres werden.

Sebastian Bützler aus Kolvenbach hat zwei große Leidenschaften. Und auf den ersten Blick scheinen diese nur schwer miteinander vereinbar zu sein: seine Kühe und technische Innovationen. Doch der junge Milchbauer versteht es, Landwirtschaftliches und Digitales gewinnbringend zu verzahnen. Deswegen ist der 40-Jährige jetzt für den Ceres-Award nominiert, in dem der deutsche Landwirt des Jahres 2023 gekürt wird.

„Schon seit einer ganzen Weile verändert sich der Beruf des Landwirts“, erzählt Bützler. Längst vorbei seien die Zeiten, in denen man um vier Uhr morgens aufstand, um dann stundenlang mit krummen Rücken auf einem Schemel zu sitzen und Kühe zu melken: „Melkmaschinen hat inzwischen so gut wie jeder Betrieb.“

Arbeit auf dem Bauernhof ist heute mehr Kopf- statt Muskelarbeit

Die Arbeit auf den Höfen habe sich durch Roboter und Automatisierungsprozesse strukturell verändert. „Es ist heute viel weniger Muskel- und viel mehr Kopfarbeit“, sagt er. Der Milchbauer sei zum Kuh-Manager geworden – zum Organisator, zur Pflegekraft, zum Buchhalter. „Da hilft es einfach, ein echt gutes Smartphone mit einem guten Terminkalender in der Tasche zu haben“, sagt Bützler.

Sebastian Bützler steht hinter schwerem landwirtschaftlichen Gerät.

Große und moderne Maschinen begeistern den Landwirt.

An einem normalen Arbeitstag steht Bützler also nicht um vier, sondern um sechs Uhr auf. „Der erste Gang führt mich in den Stall“, sagt er. Da schaue er dann erstmal nach den Kühen. Bützler nennt sie „seine Mädels“. Egal, wie viele Roboter noch erfunden würden, und egal, wie effizient diese arbeiteten, „ein Bauer muss immer ein Auge für seine Tiere haben“, sagt er. Kein Roboter könne das Gefühl eines Landwirts für seine Tiere ersetzen. Im Stall schaut er dann, ob es den Tieren gut geht, ob sie trübe Augen haben, ob sie zu dick oder zu schmal sind. Nach dem ersten fachmännischen Blick auf seine Mädels folgt der analytische Blick auf seine „Roboter“.

Das ist sozusagen das Facebook für Melkroboter.
Sebastian Bützler

Bützlers Büro sieht aus wie eine Schaltzentrale. Der Computerbildschirm ist so breit wie sein Schreibtisch. Darauf laufen Programme, die aussehen wie Videospiele, in denen man sich virtuell um Tiere kümmert. Alles wird in Balken und Grafiken angezeigt: etwa wie viel Milch seine beste Kuh gerade gibt (62 Kilogramm pro Tag), wie viel Zeit die Kuh in der Melkbox verbringt (7 Minuten und 24 Sekunden). „Und das hier“, sagt Bützler, und zeigt auf ein weiteres Fenster auf seinem Bildschirm: „Das ist sozusagen das Facebook für Melkroboter.“

Sebastian Bützler zeigt auf dem Handy seinen Instagram-Account.

Im Internet ist der Landwirt eine kleine Berühmtheit

Die Oberfläche erinnert wirklich an ein frühes soziales Netzwerk. Man kann auf einen Schriftzug klicken und „Freunde einladen“. Bützlers Freunde heißen „Jo der Kuhflüsterer“ oder „Bauer Otto“. Ihre Melkroboter stehen in Niedersachsen oder im Norden. Wie in einem kompetitiven Onlinespiel vergleicht Bützler dort seine Daten mit denen der anderen. „Daher weiß ich, dass meine Kühe besonders sind“, sagt er. Darauf, dass seine Kühe im Schnitt 42 Kilogramm Milch pro Tag geben, ist Bützler stolz. „Ich glaube, auch deswegen bin ich für den Ceres-Award nominiert.“

Landwirt sein ist mehr als nur ein reines Zahlenspiel

Wenn Bützler mit dem Mauszeiger über Daten fährt oder Berechnungen über steigenden Verdienst bei gleichbleibender Kuhzahl anstellt, kann man den Eindruck bekommen, Landwirt sein wäre ein reines Zahlenspiel. Landwirt sein, das könnte man vom Computer aus.

Wenn da nicht das große Fenster hinter Bützlers Bildschirm wäre. Hebt der Milchbauer den Kopf, dann schaut er in den Stall, direkt auf seine „Mädels“. Die fressen gerade. Vorbei fährt ein Roboter, – aufgebaut wie ein Saugroboter, nur größer und mit anderer Aufgabe: „Das ist ein Futteranschiebe-Roboter“, sagt Bützler so trocken wie einer, der sich schon längst nicht mehr über die große Bandbreite an Robotern wundert. Den habe er, weil die Kühe das Futter selektierten, erzählt er. Der Roboter schiebe dann weggeschobenes, unliebsames, aber doch gesundes Futter immer wieder vor die Mäuler der Kühe.

„Smart Stall Steuerung“ mit der Handyapp

Im Stall brummt es laut. „Das ist die Schlauchbelüftung für die Kühe“, sagt Bützler. Dann zieht er sein Smartphone hervor, tippt mit gestrecktem Zeigefinger so energisch, als drückte er auf Knöpfe statt auf den Bildschirm. Das Brummen wird augenblicklich leiser. „Smart Stall Steuerung“, sagt er und grinst. Den ganzen Stall könne er per App von seinem Handy aus steuern, erklärt er. Die Lüftung könne er damit passgenau einstellen, genauso wie Helligkeit oder Zugluft. Die Einstellungen seines Stalls könne er immer verändern – aus dem Bett und von unterwegs.

Ein Kalb liegt auf Stroh gebettet im Stall, im Vordergrund ein Eimer und eine Schüssel.

Immer wenn der Mond umschlägt, erzählt Sebastian Bützler, kämen eine Menge Kälbchen zur Welt.

Dass das immer reibungslos funktioniere, sei ihm wichtig. Denn seine Mädels mögen keine Abwechslung in Temperatur und Helligkeit. „Der Kuh geht es am besten, wenn die äußeren Bedingungen immer gleich sind“, sagt er. Und weil er die Bedingungen zu jeder Zeit in der Hand – oder in der Hosentasche – hat, gehe es seinen Mädels immer gut. Deswegen würden sie auch so viel Milch geben, sagt er.

Die Technik ersetzt die fehlenden Arbeiter

Dann schaltet er die Lüftung wieder hoch. „Das ist der Bauernhof der Zukunft“ erklärt er stolz. Wenn gute Arbeiter schwer zu finden seien, dann müsse sich eben die Technik besser kümmern. Die Technik nennt er deswegen „seine elektronischen Mitarbeiter“. Nur etwa 50 weitere Bauernhöfe in ganz Deutschland hätten bereits diese Smart Stall Technologie für sich entdeckt, berichtet Bützler.

„Man könnte mich also einen Early Adopter nennen.“ Early Adopter, zu deutsch „frühzeitiger Anwender“, das sind Personen, die die neuesten technischen Errungenschaften ausprobieren, neue digitale Ideen übernehmen und ausprobieren, lange bevor die Erfindungen in der breiten Masse ankommen. So wie sein Smart Stall.

Push-Benachrichtigungen kommen rund um die Uhr

Nachteile bei dieser Art zu arbeiten gebe es wenige, sagt er. Eigentlich nur der, dass man immer arbeitet. Die Push-Benachrichtigungen seines Stalls auf seinem Smartphone kämen immer rein. Egal, ob er gerade schlafe oder sein Sohn gerade zur Welt komme. Die Flexibilität, die das System dem Bauern ermögliche, die fordere es auch ein, sagt er. „Ich kann verstehen, dass das nicht für jeden etwas ist. Dass man auch mal abschalten möchte nach getaner Arbeit.“ Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Aber ganz ehrlich, ich steh’ auf diese Technik“.

Sebastian Bützler steht im Kuhstall und hält sein Tablet in der Hand. Im Hintergrund befinden sich rund ein Dutzend Kühe.

Mit dem Tablet geht der progressive Landwirt in den Kuhstall.

Die Erfinder „dieser Technik“ sind auf einer Messe in Hannover auf den 40-Jährigen aufmerksam geworden. Dort hätten sie gefragt, ob er den Smart Stall gerne einmal ausprobieren würde. „Natürlich wollte ich, man muss offen bleiben“, sagt der Landwirt. Aufmerksam geworden sei die Firma auf ihn, weil er sich im Internet zuvor einen Namen als „Agrar-Influencer“ gemacht hat.

Sebastian Bützler zeigt Arbeitsleben auf Instagram und auf Tiktok

13.100 Follower hat der 40-Jährige auf Instagram, auf TikTok sind es noch mehr. Seinen Fans zeigt Bützler dort Szenen seines Alltags und informiert über seine Arbeit. Mal fährt er mit seinen Söhnen auf dem Trecker, mal informiert er seine Fans über Schlauchbelüftung, mal kuschelt er mit seinen Mädels. Auch an einem Podcast hat sich der 40-Jährige schon versucht. Der Name: Krosser Pansen.

Sebastian Bützler sitzt in seinem Traktor und ist umgeben von Bildschirmen und Controllern.

Auch im Traktor hat der Landwirt viele Bildschirme.

„Ich weiß gar nicht, wer damit angefangen hat, mich Agrar-Influencer zu nennen“, sagt Bützler. Denn: „Ich sehe mich ungern als Influencer.“ Da habe der 40-Jährige gleich ein Bild von jungen Frauen im Kopf, die Werbung für absolut alles machten und sich anschließend in Dubai sonnten. „Und mit denen habe ich wenig gemein“, sagt er.

Die Menschen sollen sehen, dass es meinen Kühen gut geht.
Sebastian Bützler

Auf Social Media zeige er sich genau so, wie er ist. In Arbeitskleidung, mit Sonnenbrille, leichtem Dialekt und ruppiger Sprache. „Wenn jemand neugierig vor meinen Ställen steht, dann sag' ich ja auch: ‚Komm rein, ich zeig‘ dir alles’“, sagt er. Videos von seinem Hof ins Internet zu stellen, sei für ihn das Äquivalent dazu. Ein willkommenes Mittel, um den Menschen einen Einblick in die Landwirtschaft zu gewähren. Transparenz ist dem 40-Jährigen wichtig. „Die Menschen sollen sehen, dass es meinen Kühen gut geht.“

Und nicht nur seinen Kühen geht es gut. Durch die Flexibilität, die ihm seine „elektronischen Mitarbeiter“ ermöglichen, hat Bützler viel Zeit für seine Söhne, die auch an Werktagen noch nie auf ihren Vater verzichten mussten. „Und nach getaner Arbeit sitzen wir dann alle zusammen auf der Terrasse“, sagt Bützler. Davor steht ein ganzer Fuhrpark an Bauernhoffahrzeugen für Kinder. Eine Katze läuft vorbei. „Nur weil wir viel mit Technik arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass ich meine romantische Vorstellung von Bauernhöfen verloren habe“, sagt Bützler und steigt mit Schwung auf seinen Traktor.