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Rapper aus Bad MünstereifelLiaze macht aus russischem Geburtstagslied einen Hit

Lesezeit 4 Minuten
Im Musikvideo zu „2003“ sitzt Liaze auf einer Treppe, deren Geländer mit Flatterband abgesperrt ist. Im Hintergrund steht Equal mit einer Garmoschka. Es schneit im Treppenhaus.

Schnee im Treppenhaus. Liaze und Equal (im Hintergrund) im Musikvideo zu „2003“.

Der aus Bad Münstereifel stammende Rapper Liaze hat es mit seiner neuen Single sogar in die russischen Nachrichten geschafft.

„Mir war klar: Entweder floppt der Song oder kommt aus politischen Gründen nicht an – oder er explodiert.“ Diese Möglichkeiten sah Liaze, 20-jähriger Rapper, aufgewachsen in Bad Münstereifel, vor der Veröffentlichung seiner neuen Single „2003“ am Freitag.

Doch bereits im Verlauf der vorigen Woche war klar gewesen: Es wird wohl Letzteres werden. Denn da explodierten vor allen Dingen die Aufrufzahlen bei TikTok. 2,5 Millionen Aufrufe waren bis Mitte der Woche nur für den Trailer zum Song verzeichnet worden. Mittlerweile steht der Zähler bei 4,3 Millionen. Alle Videos zum Song zusammen haben 8,8 Millionen Views. Hinzu kommen 2,4 Millionen Aufrufe bei Instagram und eine halbe Million Aufrufe des Musikvideos bei YouTube. Elias Reiswich (so der richtige Name von Liaze), dessen Eltern aus dem Kaukasus stammen, war geplättet. Besonders die russischstämmige beziehungsweise die russische Community ist nicht zu unterschätzen.

„2003“ erreichte am Wochenende die Top 10 bei Spotify und Shazam

Und auch das erste Wochenende zeigt: „2003“ ist ein Hit. Nicht so groß wie im Sommer 2022 „Paradise (mit dir)“, das mittlerweile 97 Millionen Aufrufe beim Streamingdienst Spotify hat und auf Platz zwei in den Charts stand. Aber in den deutschen Spotify-Top-50 war „2003“ am Samstag auf Platz zehn, seit Sonntag auf Platz zwölf. Beim Dienst Shazam ist er auch in den deutschen Top 10.

In Österreich, Belarus, der Schweiz und der Ukraine ist der Song in den Top 50 bei Spotify oder Shazam. 1,8 Millionen Streams in vier Tagen hat er gesammelt (Stand Dienstagmittag). Da es in Russland selbst kein Spotify gibt, sondern eine eigene Variante, fehlen Zahlen von dort. Man kann sich aber sicher sein: Der Song wird am Freitag in den offiziellen deutschen Charts von Media Control gelistet werden.

Komplett surreal für Liaze wurde es am Samstag: Da haben sogar russische Nachrichten über das Lied berichtet. Warum? Die Antwort ist einfach: Der 20-Jährige vermischt Moderne mit Nostalgie. Denn „2003“ basiert auf dem „Lied des Krokodils Gena“ (im Original: „Pust' Begut Neuklyuzhe“), einem Geburtstagslied. Es ist eines der beliebtesten Kinderlieder in Russland. Die Melodie des Liedes verwendet Liaze auch, ebenso ein Sample aus dem Original.

Das Krokodil Gena ist trotz des trüben Wetters gut gelaunt

Besagtes Krokodil Gena ist Teil der Geschichten des Autors Eduard Uspenski über die Fantasiefigur Tscheburaschka (in Deutschland auch als „Kullerchen“ oder „Plumps“ bekannt), das erste Buch erschien 1966 in Russland, der erste Trickfilm 1969.

Das Krokodil Gena ist auf einem Röhrenfernseher zu sehen, auf dem und neben dem Matrjoschkas stehen.

Auf einem Röhrenfernseher im Musikvideo läuft auch ein Film mit dem Krokodil Gena.

„Ich bin mit diesen Kinderfilmen aufgewachsen, meine Mutter ist damit aufgewachsen, selbst meine Oma hat sie schon gesehen“, erzählt Liaze. Der Text des Original-Liedes handelt vom Krokodil Gena, das an einem grauen Regenmorgen mit seinem Akkordeon gut gelaunt durch die Straßen läuft und dem Unverständnis von den missmutigen Passanten entgegengebracht wird, die ihrem tristen Alltag nachgehen.

Text stellt die Erinnerungen an die nicht einfache Kindheit dar

Da setzt Liaze auch mit seinem deutschen Text an. „Ich war eins von drei Kindern, ohne Heizung im Zimmer, nicht so schlimm, wie es klingt, ich war noch klein. 2003: Fernseher flimmert schwarz und weiß, und erinnert an eine Zeit, die für immer in mir bleibt.“ Es sind Erinnerungen an Liazes eigene, nicht immer einfache Kindheit in einer Wohnung in Frankfurt, in der seine Eltern zuerst lebten, nachdem sie Russland verlassen hatten. Und wie das Krokodil Gena war auch Liaze glücklich, auch wenn er nicht viel hatte.

Das Bild zeigt die Schuhe von Equal und Liaze. Equal trägt weiße Sneaker und Tennissocken, in denen seine Hose steckt. Liazes Füße stecken in schwarzen Lederslippern, die er zur Jogginghose trägt.

Die Schuhauswahl von Equal (in weißen Sneakers mit Socken über der Jogginghose) und Liaze (in schwarzen Lackschuhen zur Jogginghose).

Liaze wurde in Deutschland geboren und sagt im Gespräch: „Ich konnte, bis ich vier Jahre alt war, kein Wort Deutsch.“ Wenn man in „2003“ hört, wie schnell der 20-Jährige rappen kann, mag man das kaum glauben. „Ich wollte mit dem Lied Erinnerungen rauskramen, die die Menschen noch nicht ganz vergessen haben“, erklärt Liaze seine Beweggründe.

Liaze und sein musikalischer Partner Equal spielen im Video „Prollrussen“

Dass er sich im Musikvideo durchaus mit Humor dem Thema nähert, ist auf den ersten Blick erkennbar. Die Sneakers, die Liaze normalerweise trägt, tauscht er gegen schwarze Lederslipper. Sein musikalischer Partner, Produzent und Kumpel Equal (Justin Grinberg, der aus Blankenheim stammt) wirkt ebenfalls mit, trägt Tennissocken über der Jogginghose und ein weißes Unterhemd.

Er spielt die Garmoschka, eine russische Variante des Akkordeons. Das hat er sich in nur fünf Stunden beigebracht. „Wir spielen die Prollrussen. Dass das witzig gemeint ist, versteht jeder Russe“, ist sich Liaze sicher. Macher des Videos sind Eugen Kazakov aus Russland, Gründer des Musiklabels „23Hours“, und sein langjähriger Freund, der Regisseur Daniel Zlotin aus der Ukraine.

Dass der 20-Jährige nun einen musikalisch völlig neuen Weg in Richtung russische Folklore einschlägt, ist nicht zu erwarten. „Das ist erst einmal eine Ausnahme“, erzählt er. Das neue Album sei fast fertig – und enthalte fast nur deutschsprachige Songs. Erscheinen soll es im Frühjahr 2024 bei 23Hours. „2003“ ist die erste Singleauskopplung daraus und soll das Intro darstellen.

Am Wochenende knackte Liaze auch mit einer weiteren Single die Millionen-Marke. „Bitte hör nicht auf“, erschienen am 15. September, stand am Dienstagmittag bei knapp 1,1 Millionen Streams bei Spotify.