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Landwirt starbJäger nach tödlichem Schuss in Blankenheim zu Geldstrafe auf Bewährung verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Ein älterer, roter Traktor steht im November 2023 mit einer Fuhre Holz auf einem Waldweg.

Tödlich verletzt wurde ein 82-jähriger Landwirt im November 2023, als er mit seinem Traktor in einem Waldgebiet bei Mülheim unterwegs war. Die Kugel aus einer Jagdwaffe, so ergab ein gerichtsmedizinisches Gutachten, war zuvor von einem Ast abgelenkt worden.

Ein Ex-Jäger ist vom Amtsgericht Gemünd der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen worden: Sein Schuss hatte einen Bauern getroffen.

Anfang November 2023 kam es in der Gemeinde Blankenheim zu einem tödlichen Jagdunfall. Ein 82-jähriger Landwirt, der mit seinem Traktor in einem Waldgebiet unterwegs war, wurde damals von einem Schuss aus einer Jagdwaffe getroffen und tödlich verletzt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen hat das Amtsgericht in Gemünd jetzt einen Strafbefehl gegen den angeklagten Jäger verhängt.

Das Gericht hat gegen den Angeklagten eine sogenannte „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ ausgesprochen. Der Mann wurde damit der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro (90 Tagessätze zu jeweils 30 Euro) verurteilt, die allerdings für einen Zeitraum von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem muss der Mann der Witwe des Getöteten 3600 Euro zahlen. Das Urteil hat inzwischen Rechtskraft erlangt.

Angeklagter wollte Treibjagd im Nachbarrevier für eigene Jagd nutzen

Doch wie war es zu dem tödlichen Zwischenfall gekommen? Am 3. November 2023 war in einem Jagdrevier zwischen Mülheim und Reetz eine Treibjagd angesetzt worden. Davon hatte auch der nun verurteilte Jäger erfahren, dessen damaliges Revier in der Gemeinde Blankenheim unmittelbar an das Gebiet angrenzte, in dem die Treibjagd stattfand. Offenbar wollte er aufgescheuchtes Wild aus dem Nachbarrevier erlegen, das bei der Treibjagd in Richtung seines Reviers unterwegs war.

Wäre der Schuss nicht abgelenkt worden, hätte sich die Situation ganz anders dargestellt.
Oliver Kleine, Rechtsanwalt der Nebenkläger

Als dann tatsächlich Rehwild in seinem Revier auftauchte, setzte der Jäger zu dem Schuss an, von dem der Landwirt tödlich getroffen wurde. Der 82-Jährige war mit einem Traktor und dem Anhänger, auf dem er Brennholz geladen hatte, von der Eichergasse aus Fahrtrichtung Talgasse in Richtung Mülheimer Mühle durch das Waldgebiet gefahren, in dem die Drückjagd stattfand.

Gerichtsmedizinisches Gutachten brachte Klarheit in die Ermittlungen

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatten ergeben, dass die „Tatfolgen bedingt durch einen großen Zufall“ eingetreten seien, wie Oberstaatsanwältin Katja Schlenkermann-Pitts auf Anfrage mitteilte: Das Gutachten eines Kölner Gerichtsmediziners habe offenbart, dass der Schuss aus dem Jagdgewehr, von dem der 82-jährige Landwirt getroffen wurde, zuvor von einem Ast abgelenkt worden war. Aus diesem Grund sprach auch Rechtsanwalt Oliver Kleine aus Brühl, der die Familie des getöteten Landwirts in dem Verfahren vertreten hatte, von einer „Unfallsituation“: „Wäre der Schuss nicht abgelenkt worden, hätte sich die Situation ganz anders dargestellt.“

In der juristischen Bewertung des Falls sei man nach dem Gutachten nicht mehr von einem grob fahrlässigen Verhalten des Jägers ausgegangen, was dann zu dem vergleichsweise milde erscheinenden Strafantrag geführt habe. „Es hätte durchaus auch zu einer Einstellung des Verfahrens kommen können“, bestätigte Rechtsanwalt Kleine.

Schütze hat Jagd- und Waffenschein freiwillig abgegeben

Wie Schlenkermann-Pitts weiter berichtete, sei der Verurteilte durch die Folgen der Tat „extrem belastet“. Der Mann habe seinen Jagd- und Waffenschein bereits unmittelbar nach der Tat freiwillig abgegeben und sei nicht vorbestraft gewesen. „Der Strafbefehl war mit dem Nebenklagevertreter abgesprochen und seitens der Nebenklage hat zudem kein Interesse an einem Prozess bestanden“, so die Oberstaatsanwältin.

Der Rechtsanwalt der Familie des Getöteten kündigte jedoch an, dass er eine zivilrechtliche Klage gegen den nun verurteilten Ex-Jäger vorbereite.


Wie häufig sind Unfälle bei der Jagd?

Der Deutsche Jagdverband (DJV) berichtet unter der Überschrift „Putzen ist nicht nur statistisch gesehen gefährlicher als jagen“ auf seiner Internetseite „Jagd-Fakten“, dass es im Jahr 2019 in Deutschland zu lediglich einem tödlichen Jagdunfall durch den Einsatz einer Schusswaffe gekommen sei. „Die Wahrscheinlichkeit, als Jagender tödlich zu verunglücken, liegt auf Basis dieser Zahlen (ein Fall bei damals insgesamt rund 389.000 Jägerinnen und Jägern in Deutschland, Anm. d. Red.) bei 0,000257 Prozent“, hat der Verband ausgerechnet.

Putzen in den eigenen vier Wänden sei hingegen 55-mal gefährlicher, denn hierbei seien im Jahr 2020 bei 83 Millionen Deutschen rund 12.000 tödliche Unfälle verzeichnet worden, so der Jagdverband.

Jagdgegner führen eigene Statistik

Jagdgegner wie die „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ mit Sitz im baden-württembergischen Heilbronn bemängeln, dass weder der Jagdverband noch staatliche Behörden wie das Statistische Bundesamt Statistiken über Tote und Verletzte durch Jagd und Jagdwaffen führten.

Die Initiative selbst geht davon aus, dass es deutlich mehr Fälle gibt und wertet entsprechende Medienberichte für die eigene Statistik aus. Für das Jahr 2024 listet sie auf ihrer Internetseite ebenfalls nur einen tödlichen Jagdunfall auf – dafür aber auch mehrere Straftaten, bei denen insgesamt fünf Menschen durch den Einsatz von Jagdwaffen ums Leben gekommen sein sollen.

Wer hat in Mechernich ein Loch ins Auto geschossen?

Auch aus dem Kreis Euskirchen sind Vorfälle bekannt, bei denen mit Jagdwaffen nicht nur auf Tiere geschossen worden ist. Kurz nach dem tödlichen Unfall in der Gemeinde Blankenheim ist es bei einer Jagd in der Nähe von Eiserfey ebenfalls zu einem Zwischenfall gekommen.

Am 9. Dezember 2023 soll bei einer Drückjagd ein Schuss abgegeben worden sein, der sein Ziel verfehlte und in ein am Dorfrand geparktes Auto einschlug. Der Autobesitzer und der Schütze streiten aktuell vor dem Bonner Landgericht um die Übernahme der Reparaturkosten in Höhe von 5300 Euro und der Gebühren für den Kfz-Sachverständigen.