Hilda Birk aus Freilingen wird am 29. April 100 Jahre alt. Zu dem großen Fest hat sie 90 Gäste eingeladen.
100. GeburtstagMehrgenerationenprojekt ist für Hilda Birk aus Freilingen das große Glück

100 Jahre alt wird Hilda Birk aus Freilingen am 29. April. Der runde Geburtstag wird in ihrer Heimatgemeinde groß gefeiert.
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Wie man so alt werde? Hilda Birk, elegant, klein, leicht gebeugt, wachen Geistes, überlegt nicht lange. Ihre Antwort wirkt so einfach: „Man wird es ja, ohne es zu wollen. Man lebt einfach, macht noch dies, macht noch das.“ Die Jubilarin sitzt im bequemen Sessel. Tochter Dagmar Birk-Schröder ist an ihrer Seite. Sie lebt auf dem Familienhof in Freilingen nur eine Tür weiter.
Das Mehrgenerationenprojekt ermöglicht ihrer Mutter, dass sie auch mit 100 Jahren in ihrem Zuhause, das auch das Elternhaus ist, leben kann. Das ist ein großes Glück – da stimmen Mutter und Tochter überein. Zu ihrer Mutter, Oma und Uroma auf dem Familienhof kommen sie alle gerne: Die beiden Töchter mit ihren Familien, die sieben Enkel, die beiden Urenkel – ein dritter ist gerade unterwegs.
Ihrem Heimatdorf Freilingen ist Hilda Birk, geborene Koch, fast ihr Leben lang treu geblieben. Dabei hätte sie eigentlich Hilde heißen sollen. Aber: „Eine Hilde gab es schon in der Familie“, sagt sie. In Freilingen ging sie wie ihre Schwester – eine dritte ist noch als Baby gestorben – zur Schule. In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft bedeutete das auch die Indoktrination schon der Kinder. Was die Grundschüler in Freilingen damals an ideologisch aufgeladener, patriotischer Lyrik lernen mussten, kann sie noch heute fast vollständig rezitieren.
Kurz vor Kriegsende flüchtete die Familie vor der russischen Armee
Nach Freilingen kehrte die Familie auch 1948 zurück. Der Vater, ein Bahner am damaligen Freilinger Bahnhof, war 1937 nach Trier versetzt worden. Von dort aus ging es kurz vor Kriegsende nach Erfurt, von wo der Familie noch so gerade die Flucht vor der anrückenden russischen Armee gelang.
In Trier hatte Hilda Koch zuvor eine Schneiderlehre begonnen, die sie nun als Schneidermeisterin beendete. Einige Jahre lang führte sie einen kleinen Betrieb, bildete zwei Lehrmädchen aus. Doch nach der Heirat mit dem ebenfalls aus Freilingen stammenden Müllermeister August Birk 1953 und der Geburt des ersten Kindes stellte sie die aktive Berufsausübung ein – auch, weil einfach auf dem Hof zu viel zu tun war.
Man wird es ja, ohne es zu wollen. Man lebt einfach, macht noch dies, macht noch das.
August Birk hatte die gepachtete Reetzer Mühle aufgegeben und im Hofgebäude in Freilingen eine Getreideannahmestelle und einen Futtermittelhandel aufgebaut. Ihren erlernten Beruf aufzugeben, sei ihr nicht besonders schwergefallen, sagt Hilda Birk. Die Berufswahl sei Anfang der 1950er Jahre eine Frage der Zweckmäßigkeit gewesen, nicht der Berufung. Und privat schneiderte sie ja ohnehin weiter.
60 Jahre lang, bis zur diamantenen Hochzeit, waren Hilda und August Birk verheiratet, als der Ehemann 2013 starb. Ein Schicksalsschlag, dem 2022 mit dem plötzlichen Tod des jüngsten der drei Kinder ein zweiter folgte. Es sind Einschnitte in einer 100-jährigen Biografie, die auch ein Zeitzeugenleben ist: die Zeit des Nationalsozialismus, ein Weltkrieg, die Nachkriegszeit in der damals noch ärmlichen Eifel, die Wirtschaftswunderjahre, die deutsche Einheit. Das sind die großen historischen Ereignisse, die Hilda Birk miterlebt hat. Und die unendlich vielen kleinen in Freilingen kommen ja dazu.
Hier ist sie tief verwurzelt. Im Kirchenchor sang sie „selbstverständlich“ bis zu dessen Auflösung im Jahr 2020 mit. Als Schneiderin nähte sie Kostüme zu Karneval, stieg auch mal in die Bütt, bei Tanzabenden war sie gerne dabei. Viele Jahre betrieb sie regelmäßig Sport über Fitnesskurse der Volkshochschule.
Hilda Birk, die, wenn man sie nach ihrer Lieblingsbeschäftigung fragt, „seit der Kindheit meine Katzen“ nennt, wirkt mit sich im Reinen. Sie hat die Gelassenheit, die man oft bei hochbetagten Menschen beobachten kann. Wie alt sie noch werden wolle? „Das entscheidet jemand anderes. Ich nehme es so, wie es mir gegeben ist und mache das Beste draus.“ Am 29. April wird Hilda Birk zu ihrem Ehrentag gefeiert. „Wir rechnen mit 90 Gästen“, so Tochter Dagmar Birk-Schröder. Die ganze Familie, Freunde, Bekannte – halb Freilingen wird eingeladen sein.