Nach jahrzehntelangem WartenRipsdorferin findet Grab ihres Vaters in Russland
- Elisabeth Schmitz' Vater Michael Reetz fiel 1941 im Zweiten Weltkrieg in Russland.
- Die 79-jährige Blankenheimerin hatte jahrzehntelang den Wunsch, seine Ruhestätte zu besuchen.
- Jetzt reiste sie mit einer Gruppe zu dem Soldatenfriedhof Rshew.
Blankenheim-Ripsdorf – Ihren Vater hat Elisabeth Schmitz nicht kennengelernt. Der Ripsdorfer Michael Reetz ist am 22. August 1941 als deutscher Wehrmachtssoldat bei Trubniki am Fluss Düna 360 Kilometer westlich von Moskau von einer Gewehrkugel tödlich getroffen worden.
Der am 27. Juli 1912 geborene Schütze Michael Reetz hatte selbst auch nicht viel Zeit, seine Tochter kennenzulernen. Zwar war er zur Geburt seiner Elisabeth am 22. Dezember 1940 auf Heimaturlaub und auch bei der Taufe des Babys am zweiten Weihnachtstag noch dabei. Doch dann musste er wieder an die Front.
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Reetz war Soldat der 9. Kompanie des Infanterieregiment 37, das von Lötzen in Ostpreußen nach Osten vordrang und bis an die Düna gelangte. Reetz wurde bei den heftigen Kämpfen in vorderster Front getötet und auf dem damaligen Regimentsfriedhof östlich von Iljno beigesetzt. Rund um Rshew und Wolga tobten zwei Jahre heftige Kämpfe, bei denen mehr als eine Million Menschen auf beiden Seiten ihr Leben verlor.
Wunsch Kontakt aufzunehmen
Für die Familie von Michael Reetz bestand jahrzehntelang keine Möglichkeit, die Grabstätte des Ripsdorfers ausfindig zu machen. Doch sie habe, so die heute 79-jährige Tochter Elisabeth, „immer den starken Wunsch verspürt, die letzte Ruhestätte meines Vaters zu besuchen und so mit ihm Kontakt aufzunehmen“. Den Bereich, in dem Reetz bestattet wurde, machte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erst 1993 ausfindig, nachdem sich Elisabeth Schmitz an den Suchdienst des Volksbunds gewandt hatte.
Anhand der Daten, die Volksbundmitarbeiter auf der Erkennungsmarke des gefallenen Soldaten entziffert hatten, war schnell ermittelt, wer der Tote war, der mit zahlreichen weiteren Soldaten des Infanterieregiments 37 an einer Ziegelei nahe der Ortschaft Punewo begraben war. Das Dorf liegt etwa 350 Kilometer nordöstlich von Minsk, der Hauptstadt des heutigen Weißrussland und rund 350 Kilometer westlich von Moskau.
39.000 Gefallene
Auf dem Soldatenfriedhof in Rshew sind deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg bestattet. Unmittelbar neben den Kriegsgräberstätten für deutsche Wehrmachtsangehörige wurde ein zweites Gräberfeld angelegt, auf dem ausschließlich russische Kriegsopfer beerdigt wurden.
Beide Friedhöfe wurden mit finanzieller Unterstützung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und des Kuratoriums Rshew angelegt, einer Vereinigung deutscher Kriegsteilnehmer.
Das Gelände ist eingezäunt, an zentraler Stelle ein gepflasterter Gedenkplatz mit einem Hochkreuz angelegt. Auf dem Friedhof ruhen derzeit 39105 Kriegstote aus dem Zweiten Weltkrieg. In zehn Ortschaften der Umgebung wurden 1100 deutsche Soldaten exhumiert und nach Rshew gebracht. Die Friedhofsanlage in Rshew ist 2005 fertiggestellt worden. Zuvor hatte es verschiedene Baustopps und Widerstand in der Bevölkerung gegeben.
Allein in Russland sind laut Volksbund etwa 2,2 Millionen deutsche Soldaten gestorben. Für 1,9 Millionen gibt es Todes- und Grablagemeldungen. 118.000 Orte sind registriert, an denen deutsche Soldaten beerdigt wurden.
Da es nicht möglich ist, die Gräber in weit mehr als 100.000 verschiedenen Örtlichkeiten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu pflegen, bettet die Kriegsgräberfürsorge Soldaten in zentrale Kriegsgräberstätten um. (bz)
Es dauerte zwei Monate, bis die Mitarbeiter der Dienststelle Berlin des Volksbunds herausgefunden hatten, wo Reetz begraben war. Im Jahr davor, im Dezember 1992, war ein Kriegsgräberabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Russland unterzeichnet worden.
Ziel des Abkommens war es, gefallene Soldaten in Kriegsgräber-Sammelfriedhöfe zu überführen. Doch es dauerte noch mehr als zwei Jahrzehnte, bis die sterblichen Überreste von Michael Reetz in eine große Kriegsgräberstätte nach Rshew umgebettet werden konnten.
Erst am 17. September 2018 hatte Elisabeth Schmitz dann wirklich Gewissheit darüber, dass ihr Vater und 202 weitere Soldaten aus nicht mehr erkennbaren und größtenteils geplünderten Gräbern nach Rshew umgebettet und dort würdig bestattet worden waren. 26 Jahre nach der ersten Nachricht des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an Elisabeth Schmitz erhielt sie die Chance, den Soldatenfriedhof zu besuchen.
Heimaterde im Gepäck
Sie wollte Abschied nehmen von ihrem Vater. Ihr Ehemann Josef Schmitz nahm einen kleinen Beutel Ripsdorfer Heimaterde mit, dazu einen gesegneten Palmzweig aus der Ripsdorfer Pfarrkirche. Beides legte er auf das Gräberfeld.
„Es war ein sehr ergreifender Moment“, so Elisabeth Schmitz, „als ich das erste Mal am Grab meines Vater stand und wirklich von ihm Abschied nehmen konnte. Ich habe mein ganzes Leben gespürt, dass mein Vater immer um mich war.“ Acht Tage war das Ehepaar Schmitz in Moskau und dann im Großraum Smolensk und Rshew sowie an der Wolga.
Mit ihnen waren weitere Angehörige auf Einladung des Kriegsgräberdienstes nach Russland gereist. „Die Organisatoren haben für unsere Verstorbenen eine würdige Gedenkfeier veranstaltet“, berichtet Elisabeth Schmitz, deren Mutter in Ripsdorf den Lebensmittelladen „Konsum“ geführt hat, bevor sie selbst den örtlichen Lebensmittelladen übernahm.
„Mein Vater war nie für den Krieg und wollte auch nicht in den Krieg ziehen“, sagt Elisabeth Schmitz. Das habe ihr ihre Mutter erzählt. Doch überzeugte Nationalsozialisten aus Ripsdorf hätten die Hände im Spiel gehabt und dafür gesorgt, dass Michael Reetz zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront abkommandiert worden war.
Sie habe mit dem Schicksal ihres Vaters den Frieden gemacht, sagt Elisabeth Schmitz. Sie habe zwei Kinder, drei Enkel und drei Urenkel und könne ihnen nun erzählen, wo ihr Großvater, Urgroßvater oder gar Ururgroßvater zur letzten Ruhe gebettet sei.