Coronakrise im Kreis EuskirchenKurzarbeit als Mittel des Krisenmanagements
- Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die heimische Wirtschaft und Industrie aus?
- Ein Blick auf den Kreis Euskirchen zeigt: Die Unternehmen haben unterschiedliche Herangehensweisen.
- Wir haben einen Blick auf die großen Unternehmen im Kreis geworfen: Auto Heinen, Deutsche Mechatronics, Miele, Nestlé Purina Petcare, die Peter Greven Gruppe, Procter & Gamble, Schoeller Werk und Stocko Contact geben Auskunft.
Kreis Euskirchen – Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die heimische Wirtschaft und Industrie aus? Die Redaktion hat produzierende Unternehmen im Kreis befragt, wie sie mit der Lage umgehen.
Auto Heinen
Bei dem Bad Münstereifeler Autozulieferer Auto Heinen fiel die Antwort denkbar kurz aus. Man gebe keine Stellungnahme zur augenblicklichen Situation ab, hieß es aus der Firma, die an zwei Standorten etwa 250 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von mehreren zehn Millionen Euro vorwiegend durch Aluminium-Druckguss erzielt. Aus dem Unternehmen war aber zu hören, dass Kurzarbeit derzeit kein Thema sei.
Deutsche Mechatronics
Die Deutsche Mechatronics GmbH ist seit Anfang vergangener Woche in Kurzarbeit, wie Geschäftsleiter Günter Karl erklärt. Man habe mit dem Betriebsrat eine pragmatische Lösung gefunden und 85 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. „Es ist nicht einfach, den Spagat zwischen Kurzarbeit und maximalem Umsatz zu schaffen“, sagte Karl. Das Unternehmen arbeite ja für Kunden, die aber jetzt zum größten Teil einem „Shutdown“ für vier Wochen unterlägen. „Unsere Kunden rufen keine Aufträge bei uns ab“, so Karl.
Im Betrieb in Mechernich habe man alle administrativen Mitarbeiter, sofern möglich, ins Home-Office geschickt, die Produktion und die Montage habe man entzerrt, persönliche Kontakte gebe es kaum noch. „Wir haben alle Dienstreisen und alle Besuche abgesagt“, so Karl. Zudem habe man im Empfangsbereich eine Schleuse eingerichtet, so dass die dortigen Mitarbeiterinnen nicht in persönlichen Kontakt zu anderen Menschen kommen. „Wir haben alles abgeriegelt und versuchen, bei all den Maßnahmen so handlungsfähig zu bleiben, dass wir am Markt bestehen können. Wenn hier Arbeitsplätze verloren gehen, dann kommen die nicht wieder zurück“, so Karl.
Die Deutsche Mechatronics GmbH ist Teil der Tri Star Gruppe (Shanghai, China) und mit dieser seit 2014 in einer strategischen Allianz verbunden. Man bringe Kundenideen zum Prototypen und zur Serie, so das Unternehmen, das nach eigenen Angaben in Mechernich 320 Mitarbeiter beschäftigt und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Täglich werden in Mechernich 20 Tonnen Stahl, Edelstahl, Aluminium und Kupfer verarbeitet.
Zudem besitzt die Deutsche Mechatronics GmbH eine Niederlassung in Hangzhou bei Shanghai mit 20 Mitarbeitern. Von dort, so Geschäftsleiter Karl, schickten die chinesischen Kollegen jetzt Schutzmasken ins Mechernicher Stammwerk.
Miele
Bei Miele ist an fast allen Standorten bundesweit ab 1. April Kurzarbeit geplant. Im Euskirchener Werk ist es aber noch nicht soweit. „In Euskirchen beginnt die Kurzarbeit am 6. April für zwei Wochen. Sie betrifft alle Bereiche des Unternehmens“, sagt Miele-Sprecherin Reinhild Portmann. Aktuell habe das Werk in Euskirchen 450 Mitarbeiter. Die meisten arbeiten in der Drei-Schicht-Produktion. Portmann: „In der Produktion haben sich keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Euskirchen ist ein Zulieferwerk für andere Miele-Werke. Aktuell arbeiten wir in der Fertigung Teile vor, um unsere Kundenwerke im Ausland, etwa in China oder Tschechien, die wieder hochgelaufen sind oder demnächst hochlaufen werden, mit Ware zu versorgen.“
Natürlich habe das Unternehmen auf die Situation reagiert. „Wir haben Schutzmaßnahmen ergriffen, etwa die Vergrößerung des räumlichen Abstands zwischen den Produktionsmitarbeitern in Handmontagelinien. Wir haben verstärkte Hygienemaßnahmen eingeleitet und zusätzliche Reinigung von Kontaktflächen und Türgriffen angeordnet. Zudem haben wir weitere Desinfektionsmittel in allen Bereichen bereitgestellt.“ Die Kantine ist geschlossen, und aus den indirekten Bereichen sind etwa 80 Beschäftigte im Home-Office.
Nestlé Purina Petcare
In der in Euskirchen beheimateten Tierfutterfabrik Nestlé Purina Petcare gibt es dank Corona volle Auftragsbücher. „Wir bemühen uns, mit der Produktion nachzukommen“, sagt Nestlé-Pressesprecher Alexander Antonoff. Natürlich habe der Konzern alle Mitarbeiter, für die das möglich sei, ins Home-Office geschickt. Die Produktion aber laufe auf Hochtouren, weil Besitzer von Haustieren daran interessiert seien, einen gewissen Vorrat an Futter zu Hause zu haben. In Euskirchen arbeiten etwa 400 Mitarbeiter am einzigen Standort der Tierfutterproduktion von Nestlé Purina in Deutschland.
Peter Greven Gruppe
„Aktuell ist bei uns keine Kurzarbeit angezeigt, wir müssen aber sehen, wie die weitere Entwicklung ist und flexibel reagieren“, sagt Geschäftsführer Werner Heiliger von der Peter Greven GmbH & Co KG in Iversheim. In der Tochterfirma Peter Greven Physioderm in Euskirchen gebe es aktuell eine sehr hohe Nachfrage. Das Unternehmen stellt Produkte für den beruflichen Hautschutz her. Drunter fallen die gerade sehr gefragten Desinfektionsmittel sowie Hautreinigungs- und -pflegemittel. Heiliger: „Wir gehen aber davon aus, dass sich das im Zuge von diversen Stillständen bei unseren Kunden wie beispielsweise der Automobilindustrie abschwächen wird.“
In Iversheim laufen die Geschäfte laut Heiliger noch gut. „Wir sehen uns aber zunehmend einem Personalmangel und knappen Rohstoffen gegenüber“, so Heiliger. Grundsätzlich habe man alle empfohlenen Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter umgesetzt, lasse Mitarbeiter im Home-Office arbeiten oder praktiziere räumliche und zeitliche Trennung. „Wir reagieren weiter flexibel auf neue Herausforderungen“, so Heiliger. Die Unternehmensgruppe beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter in fünf Ländern.
Procter & Gamble
Bei einem der weltweit agierenden Konzerne, der in Euskirchen im Industriepark am Silberberg ein großes Windelwerk betreibt, ist ebenfalls noch nicht von Kurzarbeit die Rede. „Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen rund um die Pandemie sehr genau. Dabei haben die Gesundheit unserer Mitarbeiter und die Sicherheit am Arbeitsplatz für uns oberste Priorität. Wir haben weitreichende Maßnahmen umgesetzt, um die Gesundheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien zu schützen. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass die Arbeitsplätze hygienisch einwandfrei sind“, sagte Nina Knecht von der Unternehmenskommunikation. Für Besprechungen nutze man digitale Tools und setze dort, wo es möglich sei, auf Home-Office. Zum Schutz derer, für die das nicht möglich ist, seien Abstandsregelungen und Hygienemaßnahmen intensiviert und Arbeitsbereiche getrennt worden.
Das Unternehmen arbeite mit Hochdruck daran, die Versorgung sicherzustellen. „Wir sehen, dass sich einige Verbraucher mit den Konsumgütern eindecken, die sie für wichtig halten“, so Knecht. Man setze alles daran, für die Produkte, die eine wichtige Rolle für die Gesundheit und die Hygiene im häuslichen Alltag spielen, weiterhin lieferfähig zu sein.
Schoeller Werk
Mit längeren Planungshorizonten kann auch die Schoeller Werk GmbH & Co. KG in Hellenthal in der sich aktuell in extremer Geschwindigkeit entwickelnden Lage nicht arbeiten. Auf der einen Seite ist man, wie Geschäftsführer Frank Poschen berichtet, durch Werkschließungen in der Automobilindustrie und bei den Zulieferern betroffen. Auf der anderen Seite fragen Kunden aus dem Bereich der Medizintechnik und der Baubranche Schoeller-Rohre weiterhin nach. Auch habe man Anfragen von Kunden, die bislang Ware aus Italien bezogen haben – das könne sogar einen positiven Effekt haben. Doch all dies oder die Tatsache, dass es derzeit keine Probleme mit der Materiallieferung gebe, seien, so Poschen, Momentaufnahmen.
Auch bei Schoeller orientieren sich die Hygiene- und Verhaltensregeln an den aktuellen Vorgaben. Zahlreiche Mitarbeiter sind im Home-Office, die Meetings wurden deutlich reduziert, und in der Kantine wird nicht mehr gegessen. Die dezentrale Aufteilung mit den zahlreichen Hallen, die sich quer durch Hellenthal ziehen, wurde im Umstrukturierungsprozess als Nachteil gesehen. Doch in der derzeitigen Lage sei das hilfreich, sagt Poschen – auch etwa dadurch, dass in den großen Hallen ausreichend Abstand gehalten werden könne.
Bereits seit dem vergangenen Oktober gibt es bei Schoeller Kurzarbeit. Vor der Corona-Krise hatte man laut Poschen gehofft, sie zu reduzieren. Doch nun sei die Lage eine ganz andere und die Kurzarbeit werde wohl ausgeweitet.
Die Kurzarbeit sieht Poschen als gutes Instrument im Krisenmanagement. Die Beantragung von Staatshilfen sei dagegen derzeit genauso wenig vorgesehen wie Werkschließungen oder Teilschließungen. „Ziel ist, das Unternehmen gut durch diese Phase zu bringen und mit einem blauen Auge davonzukommen. Wir haben ja eine Verantwortung in der Region“, so Poschen.
Stocko Contact
Das Thema „Corona“ macht auch vor den rund 350 Mitarbeitern im Hellenthaler Stocko-Werk nicht halt. Täglich trifft sich das Krisenteam, in dem unter anderem Geschäftsführung und Betriebsrat vertreten sind. Hygiene- und Abstandsregelungen sind getroffen, Kundenkontakte und Reisen eingestellt.
Ab dem 6. April gehen die Mitarbeiter der nicht-produzierenden Bereiche nach Angaben von Geschäftsführer Selahattin Servi in Kurzarbeit. Die Produktion läuft weiter, jedoch ist der Markt laut Servi kritisch: Kunden aus der Automobil- und inzwischen auch aus der Hausgeräte-Branche drosseln ihre Produktionen. Darauf müsse im Zweifel tagesaktuell reagiert werden. Zunächst bleibe man bei der Planung und einer Vorproduktion für sechs bis acht Wochen – auch, da die Versorgung mit Rohmaterial derzeit kein Problem darstelle. Bei einem weltweit agierenden Unternehmen wie Stocko zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie: Während das wochenlang geschlossene Werk in China derzeit koordiniert wieder hochgefahren wird, wird in Europa gedrosselt.
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Auch wenn niemand sagen kann, was geschieht, wenn die Krise sich ein Jahr oder länger hinzieht, ist Servi aktuell nicht besorgt. Die Eigenkapitalquote sei gut, Staatshilfen kein Thema. In der Regel folge auf Umsatzeinbußen eine starke Nachfrage. Und mit Blick auf den Fachkräftemarkt ist für Servi ein Ziel klar: „Wir wollen ohne Personalabbau durch die Krise kommen. Das ist mir ein Herzensanliegen – so weit die Füße tragen.“