AboAbonnieren

„Spezialfabrik“ am VorstauFür 2,6 Millionen Euro wird im Kronenburger See aufgeräumt

Lesezeit 4 Minuten
In einem Bagger mitten im Wasser sitzt ein Mann. Davor ist eine Vorrichtung angebracht, mit der der Schlamm abgetragen wird.

Mit dem Schneidekopf vor dem Schwimmbagger wird der Schlamm aus dem Vorstau des Kronenburger Sees schichtweise abgetragen.

Die Aktion kostet viel Geld. Möglicherweise müssen Dahlem und Gerolstein sowie die Kreise Euskirchen und Vulkaneifel tiefer in die Tasche greifen.

Nach 1988 und 2000 hat die dritte Sedimententfernung vor allem im Vorstau des Kronenburger Sees begonnen. Rund 2,58 Millionen Euro muss der Zweckverband Kronenburger See dafür investieren. Auf dem Parkplatz am Vorstau ist deshalb eine kleine Spezialfabrik zur Fraktionierung in Sand und „Schlammkuchen“ entstanden.

„Hey Slavik: Hol' mal den Schneidkopf hoch!“ Gero Buchartz, Betriebsleiter der deutschen Niederlassung des auf Schlammentwässerungen und Nassbaggerarbeiten spezialisierten niederländischen Fachanbieters Kurstjens GmbH, ruft laut über den See. Im Führerhaus des Saugbaggers mit dem geschäftig tuckernden Dieselmotor blickt der Maschinenführer auf, nickt und bewegt einen der beiden Joysticks, die er in den Händen hält.

Zügig hebt sich der Schneidkopf aus dem vom Regen getrübten Wasser. Die Mechanik ist komplett verschlammt. Was abgeschnitten wurde mit dem Bagger, wird über Rohrleitungen zur Pop-up-Entschlammungsfabrik transportiert. Dem Mann im Führerhaus kommt an der Spitze des Verarbeitungsprozesses eine Schlüsselrolle zu.

Den Arbeitern wird am Kronenburger See einiges abverlangt

„Er sitzt direkt über der Hauptrohrleitung und spürt, wenn sich unter ihm in der Leitung etwas anders anhört als sonst, die Leitung also verstopft ist“, liefert Gero Buchartz die etwas spezielle Arbeitsplatzbeschreibung der Maschinenführer. Im Zweifel wird der Schneidekopf gestoppt, was an der Entschlammungsanlage auf dem Parkplatz ebenfalls zu Betriebspausen führt.

Dann muss das dreiköpfige Kurstjens-Team zur Not die Leitungsrohre aus dem Wasser holen, am Ufer abgehen und durch Abklopfen die Verstopfung finden. „Etwa ein quer gestelltes Teil eines Moniereisens“, so Gero Buchartz.

Zahlreiche grüne Container und Geräte bilden eine kleine Pop-up-Fabrik.

Eine Art Pop-up-Fabrik hat die mit der Seeentschlammung beauftragte Firma Kurstjens auf dem Parkplatz am Vorstau aufgebaut.

Ein Gemisch aus Wasser und Störstoffen fließt aus einem Rohr in einen Container.

Grobkörnige Störstoffe werden im ersten Fraktionierungsverfahren herausgefiltert.

Noch Größeres, das bei den Arbeiten im Schlamm aufgedeckt wird, ortet der vorgeschaltete Peilstab. Dann kommen der Enterhaken oder das kleine Kranboot zum Einsatz, das am Ufer vertäut ist: Kühlschranktüren, Fahrräder, Reifen, große Wasserbausteine – letztere bleiben im Wasser liegen – sind sozusagen normaler Beifang. Gruseligeres bisher nicht.

Noch bis Ende März schneidet das Team so den Schlamm schichtweise ab, der sich in den vergangenen gut 20 Jahren vor allem im Vorstau aufgebaut hat – Zentimeter für Zentimeter, in einer Pendelbewegung von Ufer zu Ufer und in Tiefen zwischen 1,40 und drei Metern. Der parabelförmige Schlammschichtenabtrag ist eine Sisyphosarbeit, da die zufließenden Taubkyll und Kyll beständig weiter tonnenweise Sedimente anliefern. Es gilt eben, vor die natürliche Verschlammung zu kommen.

Die „Wasserpest“ im Kronenburger Vorstau wird abgemäht

Doch zuerst geht es um eine Pflanze aus der Familie der Froschbissgewächse. Elodea, die „Wasserpest“, kennt jeder Teichbesitzer, und sie gehört zu einem Naturgewässer irgendwie dazu. Auch im Vorstau kommt sie vor und muss „gemäht“ werden.

„Schlamm und Mechanik sind einfach keine besten Freunde“, grinst Buchartz wissend mit Blick auf den Schneidekopf. Das Spannungsverhältnis ist sozusagen Geschäftsmodell. Der Zweckverband hatte nach jahrelangen Planungen und der Prüfung unterschiedlicher Entschlammungsverfahren dem niederländischen Familienunternehmen den Auftrag erteilt.

Das ist ein wertvoller Humus, den hätten viele im Ruhrgebiet gerne in ihrem Vorgarten.
Gero Buchartz, Betriebsleiter

Nun fördert das Team im Schnitt 800 Kubikmeter Schlamm pro Stunde aus dem Vorstau, später auch aus dem Hauptbecken. Zwischen acht und zwölf Zoll sind die Gummirohre dick und die Transportleitungen bis zu 1,6 Kilometer lang. Es geht am Ende um bis zu 26.000 Kubikmeter Schlamm.

Alles hat dann den dreistufigen Fraktionierungsprozess der Pop-up-Fabrik am Parkplatz durchlaufen. Hier knattert, rattert und quietscht es ununterbrochen. Der Lärm ist dem Fachmann Wohlklang. Alles, was durch die Rohrleitung anlandet, wird zuerst im Trommelsieb geteilt: Grobstoffe landen im Vorlagecontainer. Stufe zwei sind drei Hydrozyklone, die nach Körnung den Sand separieren, der wiederum in einem zweiten Vorlagecontainer landet und dort mit einem Schieber gepresst auf einen Wasseranteil von nur noch 20 Prozent getrocknet wird.

800 Kubikmeter Schlamm pro Stunde werden aus dem See gefördert

Fraktioniert wird zudem, was größer ist und in Stufe drei in zwei Decanterzentrifugen zum „Schlammkuchen“ sozusagen verbacken wird. „Das ist ein wertvoller Humus, den hätten viele im Ruhrgebiet gerne in ihrem Vorgarten“, so Gero Buchartz. Geht nicht, sagen allerdings die Düngemittel- und Klärschlammverordnung.

Gero Buchartz hält eine Schaufel voller Schlamm.

Eine Probe des Schlammkuchens zeigt Gero Buchartz.

Jan Lembach, Dahlems Bürgermeister und Vorsteher der Zweckverbandsversammlung Kronenburger See, Dirk Weicker, Ortsbürgermeister von Hallschlag, sowie Erwin Bungartz, Lembachs Allgemeiner Vertreter, blicken zufrieden auf den „Kuchen“: der Beweis, dass im Vorstau des Sees Platz geschaffen wird. Übers Jahr werden 26.000 Kubikmeter Schlamm weniger die Wassertemperatur vor allem im Vorstau senken und den Sauerstoffgehalt des Wassers erhöhen. Kurz: Das Gewässer schnappt Luft.

Dahlems Bürgermeister Jan Lembach blickt zufrieden auf den „Kuchen“

„Wir lagern Sand und Schlammkuchen auf einer Zwischendeponie im Erftkreis“, so Gero Buchartz zum weiteren Prozedere. Dort müssen Laboruntersuchungen zur Zusammensetzung der Stoffe abgewartet werden, die über eine mögliche Weiterverwendung und einen Verkauf entscheiden.

Der Sand aus dem Kronenburger See etwa könnte der Bauwirtschaft nutzen, der Schlammkuchen bei der Deponieabdichtung als durchwurzelbare Deckschicht. Oder, mit Zugabe anderer Stoffe, als Gartendünger, der aus dem Wasser kam. Verglichen mit der Entschlammung sei das, was noch komme, der komplizierteste Teil des Gesamtprozesses, so der Kurstjens-Mann.

Beim Zweckverband Kronenburger See steht man derweil vor der Frage, wie die Ausgaben von rund 2,58 Millionen Euro wieder verdient werden können. Eine Umlageerhöhung, verteilt auf zwei Jahre, steht wohl ins Haus. Für die Anliegerkommunen Dahlem und Gerolstein sowie die Kreise Euskirchen und Vulkaneifel ist das eine erwartete schlechte Nachricht.