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„Einige haben Fisch verkauft“Reisebranche wird in Corona-Zeiten kreativ

Lesezeit 4 Minuten

Müssen sich verändern: Reisebüros auf der Suche nach innovativen Konzepten.

Euskirchen – Corona macht erfinderisch: Die Tourismuswirtschaft gebiert aufgrund der Pandemie teils ungewöhnliche Lösungsansätze, weil die Kunden ausbleiben. So schließt Marlies Hoffmann ihr Tui-Reisecenter in der Euskirchener Innenstadt, um auf ein Online-Konzept zu setzen. Ihre Mitbewerber hatten noch ausgefallenere Ideen.

Marlies Hoffmann, Reisekauffrau

„Ein Reisebüro hat sogar Fisch in der Filiale verkauft“, erzählt Hoffmann. „Das fing an mit Souvenirs in den Ladenräumen und dann wurde es immer ausgefallener.“ Zwar habe es laut Hoffmann die angekündigten Soforthilfen gegeben. Die dienten aber eher dazu, die Kosten zu decken. Als Inhaber müsse man aber auch von etwas leben.

Sternenwanderung in der Nordeifel

Auch Patrick Schmidder von Nordeifel-Tourismus kann das bestätigen. „Da wir weniger Kunden hatten, haben wir uns an verschiedene Hintergrundarbeiten gemacht. Zum Beispiel unser Nachterlebnis.“ Nachtwanderung für Erwachsene? Nicht ganz. „Das ist eine Sternenwanderung in der Nordeifel. Hier in der Region ist es nämlich nachts besonders dunkel, da es wenig Lichtverschmutzung gibt. Daraus wollen wir ein Erlebnis machen, zusammen mit einer Astronomiewerkstatt“, erklärt er.

Im Zusammenhang mit dem neuen Konzept setzt sich der Anbieter unter anderem auch gegen Lichtverschmutzung in der Nordeifel ein. „Wir wollen außerdem die Barrierefreiheit ausbauen, um unsere Erlebnisse noch inklusiver zu gestalten“, so Schmidder.

Dass es seinen Arbeitgeber noch vergleichsweise milde getroffen hat, ist ihm bewusst. „Wir werden von öffentlicher Seite mitfinanziert, für uns war es also nicht ganz so schlimm. Andere in der Branche sind von der zweiten und dritten Welle hart getroffen worden“, so Schmidder. Trotzdem beschreibt er eine gewisse Aufbruchstimmung: „Wir scharren schon mit den Hufen und hoffen, dass es bald wieder losgeht.“

Flexibleres Konzept für die Zukunft

Marlies Hoffmann blickt ebenfalls zuversichtlich in die Zukunft. „Wir haben einige Kunden, aus denen mittlerweile Freunde geworden sind. Daran wollen wir anknüpfen und sie in entspannter Atmosphäre begrüßen: ohne starre Öffnungszeiten, auch mal per Whatsapp oder im Café“, sagt sie.

Alle Leistungen, die Hoffmann vor Ort angeboten hat, soll es auch über ihr Online-Geschäft geben. Viele Menschen buchen mittlerweile ihre Reisen im Internet, gerade deshalb sieht sie darin eine Zukunft für ihre Branche. „Ich setze weiterhin auf engen Kundenkontakt, den ein anonymes Online-Portal so nicht bietet“, erklärt sie.

Das „Service-Entgelt“ auf einen Blick

Die Tui-Reisebüros wollen ab Mitte Mai eine Service-Gebühr einführen. Vorreiter sind die DER-Touristik-Reisebüros, die seit November letzten Jahres ein Beratungsentgelt nehmen.

Tui unterscheidet dabei zwischen dem Basis- und dem Premiumtarif. Wer keine Zusatzleistungen braucht, für den gilt der Basistarif. Ausgefallenere Wünsche werden mit dem Premiumtarif bedient, zum Beispiel die Mitnahme von Haustieren.

Ausnahmen für die Gebühr: Franchise-Nehmer sind nicht verpflichtet, sich Beratungsleistungen honorieren zu lassen. Die Gebühr kann zudem mit der Reise verrechnet werden.

Tui-Service-Entgelt Basis:

Bis 499 Euro Reisewert 15 Euro

Ab 500 Euro Reisewert 29 Euro

Tui-Service-Entgelt Premium:

Bis 499 Euro Reisewert 25 Euro

Ab 500 Euro Reisewert 39 Euro

(enp)

Auf die Frage, ob sie überlege, eine Service-Gebühr einzuführen, wie es die Tui für ihre eigenen Büros jetzt umsetzen will, antwortet sie: „Wir haben darüber nachgedacht, aber gehen da nicht mit.“ Hoffmann ist eine Franchise-Nehmerin der Tui, damit kann sie selbst entscheiden, welche Leistungen sie sich bezahlen lässt. Dennoch könne sie aber jeden verstehen, der sich für eine Service-Gebühr entscheidet.

Servicegebühr sorgt für Unmut

„Viele andere Reisebüros haben diese Service-Gebühr schon. Die Tui hat sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt eingeführt, als sie gerade ohnehin schon Überbrückungsgelder erhalten hat“, so Hoffmann. Das habe Unmut in der Öffentlichkeit hervorgerufen. „Man muss sich aber überlegen, dass wir für eine Beratung teils einen vollen Arbeitstag lang Flüge, Hotels und Transfers raussuchen. Und dann kann der Kunde einfach sagen: Ne, will ich doch nicht. Oder er bucht es online“, so Hoffmann. Das Reisebüro sei jedoch in Vorleistung gegangen, „und die sollte eigentlich honoriert werden“. Hinzu komme die große Verunsicherung durch Corona. Momentan gebe es ständig Änderungen der Reisebeschränkungen. Noch mehr Kunden würden spontan abspringen, weil die Corona-Maßnahmen das Reisen erschweren würden.

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Trotzdem glaubt Marlies Hoffmann an eine Zukunft für ihre Branche. „Viele Kollegen sagen, wenn uns nicht Corona das Genick bricht, dann die Servicegebühr. Die Leute wollen aber reisen. Spätestens nach der Impfung.“