Diagnose per Video-ChatAOK bietet Online-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche an
Kreis Euskirchen – Am Mittwoch stellte die AOK die sogenannte TeleClinic vor, eine Videosprechstunde, die es Familien ermöglicht, akute Besuche beim Kinder- und Jugendarzt online zu tätigen.
Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das schon in den Kreisen Kleve und Wesel erprobt wird und nun auf den Kreis Euskirchen ausgeweitet wird. Ab Ende November haben Familien mit Kindern zwischen von 2 und 18 Jahren die Möglichkeit, im Falle einer Erkrankung über eine App in schnellen Kontakt mit medizinischem Personal zu treten. Krankenpfleger(innen), Arzthelfer(innen) und Medizinstudent(inn)en in höheren Semestern stehen dann in der TeleClinic 24 Stunden an sieben Tage bereit, zu beurteilen, ob eine Krankheit ohne persönlichen Besuch bei einem Arzt oder in einer Klinik behandelt werden kann. Ist dies der Fall, wird das Anliegen an einen Facharzt weitergeleitet, der sich bei der Familie meldet, um einen Video-Chat zu starten.
Online-Krankschreibung ist befugt
Anhand der Angaben und mit Hilfe der Video-Übertragung entscheidet der Facharzt, ob ohne eine physische Begutachtung geholfen werden kann. Er ist befugt, online eine Krankschreibung vorzunehmen, und wenn nötig, ein Rezept auszustellen. Die AOK bereitet entsprechende E-Rezepte vor.
Katharina Jünger, die Gründerin und CEO der TeleClinic GmbH, ist selbst Mutter und hat den eigenen Service bereits in Anspruch genommen. Per Video-Schaltung nahm sie am Gespräch teil und sagte: „Ich bin so froh, dass es die Möglichkeit gibt, nicht direkt zu einem Arzt fahren zu müssen. Wenn ich schnell mit kompetenten Leuten in Verbindung treten kann, gibt mir das erst mal im Umgang mit meinem Kind Sicherheit.“
Mit diesem Angebot will die AOK die medizinische Versorgung erweitern, nicht Vorhandenes ersetzen. „Es ist eine Ergänzung“, sagt Helmut Schneider, AOK-Regionaldirektor im Kreis Euskirchen und im Rhein-Erft-Kreis. Er erläuterte, warum dieser Schritt schon vor Corona und der Sorge um eine Ansteckung im Wartezimmer notwendig geworden ist. „Wir brauchen eine Entlastung der niedergelassenen Ärzte. Wir haben eine Problematik bei der Nachbesetzung von Stellen.“
Elf Kinder- und Jugendärzte im Kreis
Der Kinderarzt Dr. Joachim Rechmann ergänzt dazu: „Kürzlich hat der Kinderarzt Dr. Ivers aus Euskirchen seine Praxis aufgeben. Jetzt haben wir nur noch elf niedergelassene Kinder- und Jugendärzte für die ambulante Versorgung im Kreis.“
Besorgniserregend sei die Lage im Südkreis, führte der Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis, Dr. Franz-Josef Zumbé, weiter aus. Die TeleClinic könne dabei helfen, trotz Ärztemangel in kurzer Zeit eine medizinische Beurteilung eines erkrankten Kindes zu bekommen.
Über eine App können sich Mitglieder der Krankenkasse mit ihrem Anliegen melden. Die Anwendung, über die AOK-Mitglieder in Kürze schriftlich informiert werden, ist denkbar einfach. Intuitiv wird der Ratsuchende durch ein Menü geführt: Eine Liste von möglichen Beschwerden zum Anklicken tut sich auf.
Was tut weh oder sieht komisch aus? Wie lange ist das schon so? Wurde schon was zur Behandlung unternommen?
Im Raum München, wo die TeleClinic bereits auf weitere medizinische Felder ausgeweitet wurde, melden sich auch ältere Menschen über die App. So berichtet von dort der Arzt Dr. Nikolaus Schmidt-Sibeth: „Die durchschnittliche Klientel ist zwischen Anfang und Mitte 40. Aber auch ältere Menschen nutzen die TeleClinic. Der Weg zur Arztpraxis vor Ort ist für manche von ihnen beschwerlich und eventuell gefährlich.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Für ihn als Mediziner hat die neue Dienstleistung ebenfalls Vorteile. Er kann Zeiten, in denen nicht so viel zu tun ist, nutzen, um weiteren Patienten Hilfestellung zu geben. Wie sorgfältig man dabei mit der Qualität der Beratung umgehe, macht er an der Auswahl der mitwirkenden Ärzte deutlich: „Es werden zur Beratung nur erfahrene Ärzte mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis zugelassen.“
Im Raum Euskirchen lässt die AOK das Projekt von der Hochschule Rhein-Waal in Kleve und Kamp-Lintfort evaluieren. „Wir legen Wert auf hohe Qualität“, meint Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland und Hamburg.
Zu Beginn wird die AOK die Durchführung allein verantworten. Sollte es sich bewähren, werde man aber daran denken, andere Kassen mit hinzuzunehmen. Das Problem des Ärztemangels betreffe schließlich alle Bewohner im Kreis, nicht nur AOK-Mitglieder, ist Helmut Schneider überzeugt. Das Pilotprojekt ist Teil der AOK-Initiative „Stadt. Land. Gesund.“.